(I-23/07-C3) (GM ZWs / BG)
Sich immer eine Hintertür offen halten, nie alles von sich preisgeben, die Dinge plötzlich von ganz anderer Seite betrachten: Volker Reinhardt erzählt das Leben des philosophischen Virtuosen Montaigne konsequent in seinem historischen Kontext, der Zeit der Bürgerkriege in Frankreich. So erhält der Parlamentsrat, Romreisende, Bürgermeister von Bordeaux und Kammeredelmann scharfe Konturen, und wir können den Philosophen in seinem Schlossturm, der mit souveräner Distanz auf sich und die Welt blickt, besser verstehen.
Schloss Montaigne, auf dem Höhepunkt der Bürgerkriege: Es klopft. Ein Mann wurde überfallen und begehrt eilig Einlass. Nach und nach treffen seine Begleiter ein. Montaigne schöpft Verdacht: ein trickreicher Überfall! Doch er lässt alle gastfreundlich ein. Die Naivität des Schlossherrn erweicht schließlich den Anführer, der das Signal zum Abzug gibt. Der Krieg zwingt zu unkonventionellen Überlebensstrategien. Montaigne empfiehlt mit dieser Episode „Natürlichkeit“ im Verhalten und zugleich kluge Verstellung. Das ist auch die Strategie seiner Essays: Ob er über Freundschaft und Ehe, gute Gespräche und Erziehung oder über seine Krankheiten, Spleens und Obsessionen schreibt, immer wirkt er ganz arglos und spielt doch mit seinen Lesern. Bisher wurde die Biographie Montaignes meist aus seinen verführerisch authentisch klingenden Schriften abgeleitet. Volker Reinhardt geht den umgekehrten Weg und macht von Montaignes Leben aus die Essays neu verständlich: als eine Überlebensphilosophie in Zeiten der Gewalt, die uns bis heute direkt anspricht.
Inhalt
EINLEITUNG
Schreiben gegen die Gewalt................... 9
ERSTES KAPITEL
HERKUNFT UND JUGEND
1533-1548................... 21
Selbstbildnis als Aristokrat................... 22
Von Eyquem zu Montaigne.......................... 29
Experimentelle Erziehung................... 39
Auf dem College................................................................................44
ZWEITES KAPITEL
KARRIEREHOFFNUNGEN, KARRIEREBRÜCHE
1549-1570................... 53
Landleben und natürliche Theologie .................... 54
Jurist wider Willen.................................................. 60
Freundschaft mit Etienne de la Boetie................... 71
Das Geschäft der Ehe81
Der König und die Kannibalen.......................... 85
Der Austritt aus dem parlement.......................... 94
Abrechnung mit der Justiz. ................. 99
DRITTES KAPITEL
DER EDELMANN ALS SCHRIFTSTELLER
1571-1580................... 105
Schlossherr im Bürgerkrieg................... 106
Vier Widmungen, ein Ziel.................... 111
Der Ritter mit der goldenen Kette......................... 119
Vermittlungsarbeit zu Pferd und am Schreibtisch................... 125
Die Essais von 1580 I: Anleitung zum Zweifel.................... 134
Die Essais von 1580 II: Anleitung zum Leben................... 141
Die Essais von 1580 III: Das Ich und die anderen................... 147
Die Essais von 1580 IV: Strategien des Überzeugens................ 151
VIERTES KAPITEL
DIE REISE NACH ROM
1580-1581................... 159
Das «Reisetagebuch» und seine Rätsel............. 160
Die Reise des Standesherrn................................ 170
Der Todessprung........................................ 181
Römische Exkursionen I:
Der Mörder, der Papst und der Exorzist................... 186
Römische Exkursionen II:
Jüdische und christliche Riten................... 193
Die Zensur................... 198
Der Körper und seine Rechte ............. 202
FÜNFTES KAPITEL
BÜRGERMEISTER VON BORDEAUX
UND EHRLICHER MAKLER
1581-1588................... 215
Die Mühen der Politik................... 216
Die Wiederwahl225
Eine untertänige Mahnung, viel Routine und
ein königlicher Besuch................... 230
Schreiben im Zeichen der Bedrohung................... 236
Im Elend. ............. 243
Auf gefahrvoller Mission................... 247
Die Essais von 1588 I: Entstehung und Umrisse254
Die Essais von 1588 II: Wider den Wahn262
Die Essais von 1588 III: Die Methode der Selbsterkenntnis................... 273
Die Essais von 1588 IV: Selbstbildnis als Biedermann................... 277
SECHSTES KAPITEL
RUHE UND RESIGNATION - DIE LETZTEN JAHRE
1588-1592................... 289
Eine Tochter im Geiste und drei illustre Todesfälle................... 290
Briefe an Heinrich IV................... 297
Stille Tage auf Schloss Montaigne.............................. 301
ANHANG................... 307
Zeittafel................... 311
Anmerkungen................... 315
Literatur........................................................................ 323
Bildnachweis.............................................................. 326
Personenregister................... 327