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Bilder trotz allem

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Didi-Huberman, Georges
Verfasser*innenangabe: Georges Didi-Huberman
Jahr: 2007
Verlag: Paderborn ; München, Fink
Reihe: Bild und Text
Mediengruppe: Buch
nicht verfügbar

Exemplare

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Vorbestellen Zweigstelle: 07., Urban-Loritz-Pl. 2a Standorte: GE.SV Didi / College 2d - Geschichte Status: Entliehen Frist: 30.04.2024 Vorbestellungen: 0

Inhalt

Im August 1944 gelang zwei Häftlingen des Konzentrationslagers Auschwitz eine Serie fotografischer Aufnahmen der Exekutionen. Während einer der beiden Häftlinge die Wachmänner der SS im Auge hielt, machte ein Mitgefangener vier Aufnahmen, die das Gelände um das Krematorium V zeigen.
Georges Didi-Huberman widmet sich in seinem neuen Buch der Paradoxie dieser Bilder: daß sie so gut wie nichts zu sehen geben, aber gleichwohl unersetzliche Überreste sind. Diese Fotografien sind, so der Titel des Bandes, „Bilder trotz allem“, „images malgré tout“.
„Berufen wir uns nicht auf das Unvorstellbare“ – mit dieser Aufforderung beginnt Didi-Huberman. Damit ist von Anfang an die Skepsis gegenüber der These formuliert, die in den Lagern begangenen Morde seien Fälle des Unvorstellbaren schlechthin. Neben vielen anderen hat der französische Psychoanalytiker Gérard Wajcman diese Auffassung wiederholt vertreten. Die Geschehnisse in den Lagern, so Wajcman, seien für immer bilderlos, ohne eine Spur des Vorstellbaren, eine „Zerstörung ohne Ruine“.
Didi-Huberman geht es keineswegs darum, diese These einfach umzukehren, in den fraglichen Aufnahmen also Zeugnisse zu sehen, die das Geschehen in den Lagern begreifbar machen würden. Zwei Weisen gebe es, diese Bilder nicht zu sehen: die eine mache aus ihnen Ikonen des Horrors, in denen man – auch um den Preis von Detailvergrößerung und Retusche – „alles“ erkennen wolle. Die andere versuche, die Bilder auf den Status von Dokumenten zu reduzieren und dabei alles Nicht-Informative aus dem Bildraum auszuschließen. Es ist das Wagnis dieses Buchs, jenen schmalen Grat zu beschreiten, der sich zwischen diesen Positionen auftut.
 
 
 
 
 
 
/ AUS DEM INHALT: / / /
 
 
 
I.
Bilder t rotz allem
Vier Stücke Film, der Hölle entrissen 15
Um zu wissen, muß man sich ein Bild machen. A uschwitz, A ugust
1944: vier Bilder trotz allem, trotz der Gefahren, trotz unserer
Unfähigkeit, sie heute angemessen zu betrachten. Die A rbeit des
Sonderkommandos. Überleben und dringendes Bedürfnis, sich zu
widersetzen: S ignale in die A ußenwelt zu schicken. Das fotografische
Bild erscheint dort, wo das zukünftige Verschwinden des Z eugen
und die Undarstellbarkeit des Bezeugten aufeinandertreffen:
dieser R ealität ein Bild entreißen. Planung heimlicher A ufnahmen.
Erste S equenz: aus der Gaskammer des Krematoriums V heraus aufgenommen,
Bilder der Verbrennungsgräben. Z weite S equenz: unter
freiem Himmel, in den Wäldern von Birkenau, Bild eines "Konvois"
entkleideter F rauen. Der zusammengerollte F ilm, in einer Z ahnpastatube
versteckt, erreicht den polnischen Widerstand in Krakau,
um von dort "weitergesendet" zu werden.
Dem Unvorstellbaren zum Trotz 35
Die F otografien vom A ugust 1944 richten sich an das Unvorstellbare
und dementieren es zugleich. E rste O rdnung des Unvorstellbaren:
die "Endlösung" als M aschine der allgemeinen "Entbildlichung".
Die Psyche der O pfer, ihre S prache, ihr Wesen, ihre Überreste,
die Werkzeuge ihrer Vernichtung und selbst noch die A rchive,
das Gedächtnis dieser Vernichtung, werden zum Verschwinden
gebracht. Die "Vernunft in der Geschichte" und ihre prinzipielle
Infragestellung durch das S inguläre und die A usnahmen: A us solchen
A usnahmen sind die A rchive der S hoah zusammengesetzt. Die
besondere F ähigkeit der F otografie, trotz allem eine R eproduktion
zu erzeugen und in Umlauf zu bringen: absolutes F otografierverbot
in den L agern bei gleichzeitigem Betrieb zweier F otolabore in
Auschwitz. Z weite O rdnung des Unvorstellbaren: I st A uschwitz
undenkbar? E s geht darum, die Grundlagen unserer A nthropologie
zu überdenken (Hannah A rendt). I st A uschwitz unsagbar? E s geht
darum, die Grundlagen der Z eugenschaft zu überdenken (Primo
Levi). I st A uschwitz unvorstellbar? Dem Bild die gleiche A ufmerksamkeit
gewähren wie dem gesprochenen Wort. Die ästhetische Auffassung
des Unvorstellbaren verkennt die konkreten E inzelfälle der
Geschichte. Wie R obert A ntelme, M aurice Blanchot und Georges
Bataille es vermieden haben, den N ächsten und das M enschengeschlecht
der Ästhetik des Unvorstellbaren auszuliefern.
Im Auge der Geschichte 53
Um sich zu erinnern, muß man sich ein Bild machen. Bild und
Zeugnis bei F ilip M üller: Unmittelbarkeit der M onade und Komplexität
der M ontage. Dringlichkeit der "fotografischen" Gegenwart
und E rzeugung von Bildern in den Rollen von Auschwitz. Das Bild
als A ugenblick der Wahrheit (Arendt) und "Monade", die dort zum
Vorschein kommt, wo das Denken scheitert (Benjamin). Z weifache
Ordnung des Bildes: Wahrheit (die vier F otos im A uge des Z yklons)
und Verdunkelung (der R auch, die Unschärfe, die L ückenhaftigkeit
des Dokuments). Die historische A uffassung des Unvorstellbaren verkennt
diese zweifache O rdnung des Bildes, verlangt von ihm zu viel
oder zu wenig und kennt nur vollkommene E xaktheit oder reines
Simulakrum. Die F otografien vom A ugust 1944 als "präsentierfähige
" I konen des Horrors (mittels R etusche) oder als bloß "informative
" Dokumente (durch N eurahmung) unter M ißachtung ihrer
Phänomenologie. E lemente dieser Phänomenologie: Die "schwarze
Masse" und die überbelichteten Partien, auf denen nichts zu sehen
ist, bilden visuelle M arkierungen ihrer E ntstehungsbedingungen und
der Geste ihrer Hervorbringung selbst. Die Bilder sagen nicht die
Wahrheit, aber sie sind F etzen der Wahrheit, ihre lückenhafte S pur.
"Es war unmöglich. Ja. M an muß sich ein Bild davon machen".
Ähnlichkeit, Unähnlichkeit, Überleben 6 7
Für eine visuelle Kritik der Bilder der Geschichte: sich ihrer Perspektive
annähern (formal), ihren S tandpunkt erschließen (anthropologisch).
Die F otografien vom A ugust 1944 als Drama des
menschlichen Bildnisses überhaupt: F rage nach dem "Untrennbaren
" (Bataille) und dem Ähnlichen. Wenn der Henker das M enschliche
zur Unähnlichkeit verdammt ("Gliederpuppen", "Basaltsäulen"),
widersteht das O pfer, indem es trotz allem am Bild der Welt, seiner
selbst, der Träume und des M enschlichen überhaupt festhält
(Levi: "in gerader Haltung gehen"). S elbst die Bilder der Kunst
aufrechterhalten: Ungenauigkeit, aber Wahrheit des Danteschen
Bildes der Hölle (Lasciate ogni speranza…). Der R ückgriff auf das
Bild ist unvollständig und unerläßlich: M angel an I nformation und
Inhalt
Sichtbarkeit, N otwendigkeit der Geste und des E rscheinens. Die
Fotografien vom A ugust 1944 als Objekte des Nachlebens: Der Z euge
hat die Bilder, die er A uschwitz entrissen hat, nicht überlebt. Z eit
des Blitzes und Z eit der E rde, A ugenblick und S edimentation: N otwendigkeit
einer visuellen A rchäologie. Walter Benjamin über das
"wahre Bild der Vergangenheit".
II .
Trotzdem k ein Bild _des Ganzen
Das Bild als Fakt, das Bild als Fetisch 81
Die Kritik des Unvorstellbaren und ihre polemische E rwiderung.
Das Denken des Bildes als eine politische F rage. Die F otografien
vom A ugust 1944, historisches und theoretisches S ymptom. "Es
gibt keine Bilder der S hoah". Verabsolutierung der gesamten Realität,
um ihr das Bild des Ganzen gegenüberzustellen oder Historisierung
der R ealität, um deren lückenhafte Bilder zu analysieren?
Eine Kontroverse über das Verhältnis zwischen einzelnen F akten
und universellen S chlußfolgerungen, zwischen bedenkenswerten
und vorgedachten Bildern. Die E rfahrung des Unvorstellbaren führt
nicht zum Dogma des Unvorstellbaren. Daß das Bild nicht alle(s) ist.
Die Bilder der L ager: schlecht (an-)gesehen, schlecht beschrieben.
"Es gibt zu viele Bilder der S hoah". Die Z urückweisung der Bilder
ersetzt nicht ihre Kritik. These vom Bild als F etisch, E rfahrung des
Bildes als F akt. Der fotografische "Kontakt" zwischen Bild und R ealität.
Der F etisch: das Ganze, der S tillstand, die Verdeckung (écran).
Eine philosophische Debatte über die M acht des Bildes: S chleier
oder R iß? Die zweifache O rdnung des Bildes. Das I maginäre ist
nicht auf das Bild als einen S piegel zu reduzieren. Primat des Bildes
als S chleier, Primat des Bildes als R iß. S usan S ontag und die "negative
E piphanie", Ka-Tzetnik und die fotografische "Verzückung",
Jorge S emprun und der ethische A spekt des Blicks. "Plötzlich seiner
eigenen A bwesenheit beiwohnen".
Archiv-Bild oder Schein-Bild 133
Die historische "Lesbarkeit" der Bilder stellt sich nur im kritischen
M oment ein. Vom Bild als F etisch zum bildlichen Beweis
und zum A rchiv-Bild. Claude L anzmann und die A blehnung des
Archivs: "Bilder ohne E inbildungskraft". Der F ilmemacher und der
Dogmatiker. Die Verwechslung zwischen F alsifikation und Verifi-
Inhalt
kation des A rchivs. Die Hypothese vom "geheimen F ilm" und die
Polemik zwischen L anzmann und S emprun. Übersteigerte Gewißheit
und das Ungedachte des Bildes. Das A rchiv neu denken: eine
Schneise durch die bereits erfaßte Geschichte schlagen, das E reignis
als F unken. Gegen den radikalen S keptizismus in der Geschichte.
Den Beweis auf die Probe stellen und neu denken. Das Z eugnis
neu denken: weder als Widerstreit, noch als absolutes S chweigen
oder absolutes S prechen. Trotz allem berichten, was sich unmöglich
vollständig berichten läßt. Das Z eugnis der M itglieder des S onderkommandos
hat die Z eugen überlebt. Die Rollen von Auschwitz,
die Vervielfachung der Z eugenschaft und die fotografische "Rolle"
vom A ugust 1944. Die E inbildungskraft neu denken und dabei die
einfache Gegenüberstellung von S chein und Wahrheit überwinden.
Was ist ein "Bild ohne E inbildungskraft"? Jean-Paul S artre oder das
Bild als A kt. Die Quasi-Beobachtung. Tür oder F enster? Die "Randzone
des Bildes" und die R eihenfolge der beiden Bildsequenzen: die
Reihenfolge der A ufnahmen verkehren.
Das Bild als Montage, das Bild als Lüge 173
Vier Bilder, zwei S equenzen, eine M ontage. E inbildungskraft und
Erkenntnisgewinn der M ontage: Z ugang zu den singulären E lementen
der Z eit. Das Bild ist weder nichts, noch einzig, noch vollständig.
Claude L anzmann und Jean-Luc Godard: zentripetale und zentrifugale
F orm der M ontage. "Kein Bild" kann die S hoah aussprechen,
aber "alle Bilder" sprechen von nichts anderem. Von der Polarität
zur Polemik: die beiden Bedeutungen des A djektivs "mosaisch". E in
einziges Bild des Ganzen oder eine Vielfalt einzelner Bilder? Grundlegende
Konzepte: Gedächtnis und Gegenwart bei A lain R esnais,
Archiv und Z eugenschaft bei M arcel O phuls. "Was man nicht sehen
kann muß man zeigen". Der Bericht als M ontage bei L anzmann,
eine M ontage aus S ymptomen bei Godard. Was es bedeutet, die
Montage nicht als F alsifikation, sondern als Hervorbringung einer
"denkenden F orm" zu begreifen und eine "Dialektik" des Bildes zu
erzeugen. Der A rbeitsplatz des Cutters: das Kino zeigt Geschichte,
in dem es sie neu montiert. E ine M ontage aus Dachau und Goya,
Elisabeth Taylor und Giotto. E ngel der E rlösung im S inne des hl.
Paulus oder E ngel der Geschichte im S inne Walter Benjamins? E ine
unabschließbare Dialektik.
Das ähnliche Bild, das Bild als Schein 215
Zwei Perspektiven, die unter dem Blick einer dritten zusammentreffen.
E ine M ontage herzustellen, meint nicht, Dinge einander
anzugleichen, sondern Ähnlichkeiten aufblitzen zu lassen und jede
Inhalt
Inhalt
Gleichsetzung unmöglich zu machen. Ähnlich (semblable) zu sein,
meint weder scheinbar (semblant) zu sein noch identisch zu sein.
Doppelgänger und Gegensatzpaar: der Jude und der Diktator nach
Charlie Chaplin. Die überspitzten Theoreme des Undarstellbaren
und des Unvorstellbaren. "Um zu wissen, muß man sich ein Bild
machen". Das Bild im Z entrum der F rage nach der E thik. Hannah
Arendt und die E inbildungskraft als politische F ähigkeit. I nwieweit
kann ein Bild "die E hre" einer Geschichte "retten"? E rlösung meint
nicht Wiederauferstehung. Endlösung und Erlösung: von Kafka und
Rosenzweig bis S cholem und Benjamin. "Das wahre Bild der Vergangenheit
huscht vorbei. N ur als Bild, das auf N immerwiedersehen
im A ugenblick seiner E rkennbarkeit eben aufblitzt, ist die Vergangenheit
festzuhalten". Das M odell des Kinos: flüchtige und dennoch
fruchtbare Bilder. Die filmische E rlösung nach S iegried Kracauer.
Kritischer R ealismus: Das Bild demontiert und rekombiniert die
zeitlichen und räumlichen Kontinuitäten. Perseus im A ngesicht der
Medusa: die L ist des S childes, der M ut, trotz allem zu erkennen
und die S tirn zu bieten. Das Bild im Z eitalter der zerrissenen E inbildungskraft:
die Krise der Kultur. M it dem Bild des Vergangenen
die Gegenwart der Z eit erschließen.
Bibliographische Notiz 257
Abbildungsnachweis 259
 
 
 
 
 

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Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Didi-Huberman, Georges
Verfasser*innenangabe: Georges Didi-Huberman
Jahr: 2007
Verlag: Paderborn ; München, Fink
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ISBN: 978-3-7705-4020-4
2. ISBN: 3-7705-4020-4
Beschreibung: 260 S. : Ill.
Reihe: Bild und Text
Schlagwörter: Auschwitz, Konzentrationslager, Lager Birkenau, Photographie, Geschichte, Sonderkommando, Aufnahme <Fotografie>, Aufnahme <Fotographie>, Aufnahme <Photografie>, Aufnahme <Photographie>, Concentration Camp (eng), Fotoaufnahme, Fotografie, Fotografieren, Fotographie, Fotographieren, Fotokunst, Internierungslager <Konzentrationslager>, KZ, Photo, Photoaufnahme, Photografieren, Photographieren, Photokunst, Landesgeschichte, Ortsgeschichte, Regionalgeschichte, Zeitgeschichte
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Geimer, Peter [Übers.]
Originaltitel: Images malgré tour <dt.>
Mediengruppe: Buch