Eine minutiöse Darstellung der neunjährigen Auseinandersetzung zwischen Sigmund Freud und Alfred Adler, deren emotional aufgeheizte inhaltliche Kontroverse 1911 zum Bruch führte. Dieses Buch beschreibt ein Stück Geschichte der sich institutionalisierenden Psychoanalyse und ihres ersten bedeutenden Dissidenten.
Alfred Adler gehörte im Herbst 1902 zu den Gründungsmitgliedern des ersten Schülerkreises um Sigmund Freud, der sogenannten "Mittwochs-Gesellschaft". 1910 wurde er zum Obmann der daraus hervorgegangenen "Wiener Psychoanalytischen Vereinigung" gewählt. Ein Jahr später kam es zum Bruch mit Freud. Im Oktober 1911 verließen Adlers letzte Anhänger die WPV.
Neun Jahre lang dauerten die intensive Zusammenarbeit und die sich zuspitzenden Auseinandersetzungen zwischen Freud, Adler und anderen Mitgliedern der Gruppe. Minutiös wird diese wechselvolle Kontroverse anhand von Protokollen, Briefen und Augenzeugenberichten nachgezeichnet.
Dabei entsteht ein lebendiges Bild der frühen "Mittwochs-Gesellschaft", ihrer Arbeitsweise, Zusammensetzung, vor allem aber der vielfältigen inhaltlichen Beiträge Adlers und ihrer Rezeption durch Freud und die anderen Gruppenmitglieder. Die Darstellung dieser Diskussionen ist jenseits des engen Bewusstseins psychologischer Schulenstreitigkeiten angesiedelt und versucht, den zahlreichen Legenden und Simplifizierungen gegenzusteuern, die über die Ereignisse von den jeweiligen Schülergenerationen tradiert werden.
"Gegenüber älteren Untersuchungen, die sich mit der Adler-Freud-Kontroverse beschäftigen, hat die Handlbauers zwei entscheidende Vorzüge. Zum einen zeichnet sie, vor allem anhand der noch wenig ausgewerteten Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, die Entstehung des Konflikts nach, statt nur auf das manifeste Resultat zu starren. Zum anderen wahrt sie wohltuende Äquidistanz zu beiden Positionen, ohne auf engagiertes Urteil zu verzichten. Handlbauer entgeht der naheliegenden, aber das Denken hemmenden Versuchung, eine der beiden Vaterfiguren zum Überich-Inhalt werden zu lassen. Das macht sein Buch in ausgezeichneter Weise lesbar." (Hans-Martin Lohmann in der FAZ)
"Der Sonderfall Adler/ Freud bestand darin, daß er in bösartige Feindschaft und gegenseitige Beschimpfungen ausartete. Minderwertigkeitsgefühl, männlicher Protest und andere Elemente, die Adler abweichend der Libido-Theorie Freuds entgegenstellte, waren zwar wissenschaftlich gravierend, aber kein ausreichender Anlaß für die Erbitterung und den Haß, in die der Konflikt überging. Die vorliegende Darstellung, perfekt erarbeitet, dokumentiert das eingängig und überzeugend." (Edwin Hartl in den Salzburger Nachrichten)
/ AUS DEM INHALT: / / /
Vorwort zur 2. Auflage I
Einleitung 9
0. Von "schlampigen Konflikten" und "großen
Neurosen" - ein neuer Blick
auf die Freud-Adler-Kontroverse i
1. Gründung und erste Jahre der Psychologischen
Mittwoch-Gesellschaft (1902-1906) 15
Zur ersten Begegnung von Alfred Adler
und Sigmund Freud 15
Die Psychologische Mittwoch-Gesellschaft 18
Freudum 1902 18
Die Gründungsmitglieder 22
Die ersten Sitzungen 25
"Gespräch über das Rauchen" - das erste "Protokoll"
der "Mittwoch-Gesellschaft" (1902) 27
"Lehranalysen" 30
Das "Ambiente" der Sitzungen 33
Rivalitäten 34
Neue Mitglieder 37
Der gesellschaftliche Standort der Mitglieder 39
Adler in der "Mittwoch-Gesellschaft" (1902-1906) 41
Die Protokolle 43
II. Organminderwertigkeit, Kompensation,
Aggressionstrieb:
Die Phase der tolerierten Dissidenz Adlers
(1906-1908) 47
Zusammensetzung der Gruppe - Neue Mitglieder 47
Die inhaltliche Auseinandersetzung 49
Die Organminderwertigkeitslehre 50
Sadismus und Aggressionstrieb 62
Organisatorische Diskussionen als Ausdruck
gruppeninterner Spannungen 71
III. Exkurse 79
Sozialpsychologische Beiträge Adlers (1908 - 1910) 79
"Zur Psychologie des Marxismus" (10. März 1909) 82
IV. Zwischen Organminderwertigkeitslehre
und männlichem Protest:
Die theoretischen Differenzen nehmen zu
(1908-1910) 89
"Ein Fall von Zwangserröten" (3.Februar 1909) 89
"Über die Einheit der Neurosen" (2.Juni 1909) 92
Neue Mitglieder 96
"Psychischer Hermaphroditismus" (23. Februar 1910) 102
Der Nürnberger Kongreß und seine Folgen 107
Neue Mitglieder 119
V. Höhepunkt der inhaltlichen Auseinandersetzung
und Bruch zwischen Adler und Freud (1911) 121
Neue Mitglieder 121
Die entscheidenden Diskussionen um Adlers Theorien
(Januar/Februar 1911) 123
Die Vorgeschichte (Herbst 1910) 123
Erster Abend (4. Januar 1911) 130
Zweiter Abend (1. Februar 1911) 135
Dritter Abend (8. Februar 1911) 140
Vierter Abend (22.Februar 1911) 145
Die Ereignisse bis zum endgültigen Austritt Adlers
und seiner Anhänger (März-Oktober 1911) 150
VI. Ursachen für die Differenzen und den Bruch
zwischen Adler und Freud 161
Unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen 161
Die unterschiedliche soziale Herkunft der Patienten 164
Der Bruch als Folge der Institutionalisierung
der psychoanalytischen Bewegung 167
... weil sie "eifrige Sozialisten" waren? 173
Freud als Initiator des Bruches. Unterschiede im Erleben
des Konfliktes bei Adler und Freud 174
Inhaltliche Gründe 178
War Adler ein Schüler Freuds? 184
Anhang 191
Bemerkungen zur Literatur und zu den Quellen 191
Adlers Anhänger in der Mittwoch-Gesellschaft 195
Literaturverzeichnis 200
Namenregister 211