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Der Krieg der Geschlechter

Sex, Kunst und Medienkultur
Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Paglia, Camille
Verfasser*innenangabe: Camille Paglia. Aus d. Amerikan. von Margit Bergner ...
Jahr: 1993
Verlag: Berlin, Byblos-Verl.
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

Camille (Anna) Paglia (* 2. April 1947 in Endicott, New York) ist eine US-amerikanische Kunst- und Kulturhistorikerin und in der angelsächsischen Welt eine der prominentesten Autorinnen auf diesem Gebiet. Sie ist Professorin für Geisteswissenschaften und Medien (Humanities and Media Studies) an der University of the Arts in Philadelphia."Die Renegatin - Mit einem umstrittenen Buch wurde Camille Paglia weltberühmt. Jetzt kommt sie auf PR-Tour nach Deutschland. Proteste sind denkbarVon FOCUS-Redakteur Roger ThiedeAls das Mädchen 13 Jahre alt war, hatte es das erste Aha-Erlebnis seines Lebens. „Alle Probleme zwischen den Geschlechtern rühren von der Tatsache her, daß die Männer so abscheulich sind“, glaubte die kleine Camille. Schuldzuweisungen dieser Art lassen sich bekanntlich immer noch vernehmen. Die zitierte Schülerin jedoch hat ihre exemplarische Kinder-Formel widerrufen. Seither gilt sie als prominenteste Verräterin der Frauenbewegung.Mit zwei Büchern und Hunderten von Interviews wurde die US-Professorin Camille Paglia, inzwischen 47, zur meistgehaßten Renegatin des Feminismus. Denn dem Geschlechterthema als solchem ist die ungewöhnlich spitzzüngige Intellektuelle treu geblieben – auch der apodiktischen Art, es zu traktieren.Freilich sieht die temperamentvolle Exkatholikin aus italienischer Einwandererfamilie jetzt die Ursache aller Spannungen nicht mehr in männlicher Abscheulichkeit. Nach gut dreißigjähriger Lektüre der Weltliteratur weiß Frau Paglia: Die Herren haben sich bloß gewehrt.Und zwar gegen eine dämonische Kraft, die eindeutig weibliche Züge trägt. Gemeint ist die große Gebärerin und Zerstörerin Natur, die „chthonische“ Erdhaftigkeit der Magna Mater, kurz: das biologische Schicksal des Menschen schlechthin.Angst vor Sex. In der ewigen „Mutter“ sieht Camille Paglia jene überwältigende Macht, welche den Männern nicht nur lebenslang Angst vor der vaginalen Sexualität mache, sondern sie geradezu lähme und vernichte.Nur wenige Manöver blieben dem westlichen Sonderweg, um die blutige Archaik des Lebens doch zu ertragen: Das sind die grandiosen, wenn auch letztlich illusionären Techniken von Kunst und Wissenschaft.Mit ihnen nabelte sich der „westliche Blick“ vom Naturkreislauf ab und schuf die scharf umrissene Identität des Individuums. Seither richtet der phantasiebegabte Abendländer die bedrohlichen Natur-Phänomene behelfsmäßig nach eigenem Gusto her – vor allem in sexueller Hinsicht.Wer diese Entkreatürlichung mit dem Naturverniedlicher Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) als Vertreibung aus dem Paradies beklagt, dem verpaßt die kaltschnäuzige Amerikanerin sofort eine Dosis Marquis de Sade. Gegen dessen düstere Menschenfeindschaft hat die romantische Idylle keine Chance.In der Kunst führte der große Maskenzug der westlichen Sexualität von den schwellenden Naturalformen der steinzeitlichen „Venus von Willendorf“ zur apollinischen Schönheit griechischer Jünglingsskulpturen. Unterwegs erfand man auch gleich noch das Projekt „wahre Liebe“. Es läßt sich nur als utopischer Sieg über das Abstoßende des Körperlichen verstehen.Der Siegeszug der Homosexualität. Parallel dazu nimmt die Bedeutung der gleichgeschlechtlichen Lust unentwegt zu. Sie versteht die Bi-Frau Camille Paglia als den „möglicherweise beherztesten Versuch“, die Natur zu überwinden. Mit ihm entfernen sich die Subjekte maximal vom weiblichen Fortpflanzungssex.Die krassen und dementsprechend kontrovers diskutierten Thesen machen es überdeutlich: Die fröhliche Pessimistin Paglia deutet die 10 000 Jahre alte Geschichte des Abendlandes mit immer neuen Sprüchen als superheroischen Versuch, der Verfallenheit ans passiv-weibliche Prinzip zu entgehen.Daß der ganze Prozeß der Zivilisation – inklusive des triumphierenden Kapitalismus der Gegenwart – das Ergebnis einer männlichen Strategie ist, sollten Frauen nach den Wünschen Paglias besser akzeptieren: Schließlich profitierten auch sie von den Segnungen männlichen Forscherdrangs.Die Pagliasche Welterklärung aus einem Stück hilft immerhin, allerlei Sonderbarkeiten der Männer zu verstehen.Wenn es in den kanonischen Kunst-Texten des Abendlands von „widernatürlichen“ Szenen nur so wimmelt, dann sind für die belesene Freudianerin eben die erwähnten „Masken der Sexualität“ im Spiel. Erst mit ihnen verschafften wir uns nämlich die erotischen Chiffren, die den Fluch der Natur vergessen lassen.Als Goethe zum Beispiel in einem lange unterdrückten Vers seiner „Venetianischen Epigramme“ das italienische Akrobatenmädchen Bettine besang, imaginierte der Weimarer Geheimrat laut Paglia spielerisch eine Szene perfekten Glücks: die „Selbstfellatio“. „Was ich am meisten besorge: Bettine wird immer geschickter,/Immer beweglicher wird jegliches Gliedchen an ihr;/Endlich bringt sie das Züngelchen noch ins zierliche F . . .,/Spielt mit dem artigen Selbst, achtet die Männer nicht viel.“Auf solche und andere Sexualmotive großer Kunst konzentrierte sich die Autorin in ihrem Opus magnum. Es enthält 24 fußnotengespickte und glänzend formulierte Essays, die sich mit dem Panoptikum sexuell zweideutiger, zwittrig-androgyner Figuren der klassischen Literatur befassen.Denn, so die These, die anzüglichen Stellen der großen Schriftsteller seien von der Fachwissenschaft bisher allzu oft einfach vertuscht worden.Nun wohl: Bescheidenheit ist nicht die Sache dieser Autorin. Nach eigener Einschätzung hat sie mit ihrem – bis dato erst zur Hälfte veröffentlichten – Riesenwerk „Die Masken der Sexualität“ (deutsch 1992) das „längste je von einer Frau geschriebene“ Buch der Geschichte verfaßt.Die im virtuosen Stakkatostil geschriebene Fleißarbeit allein brachte noch nicht den Durchbruch zum publizistischen Star-Ruhm. Den erreichte Frau Paglia erst mit einem Kurz-Kommentar für die „New York Times“.Der Madonna-Effekt. Demonstrativ hatte sie da ein umstrittenes Video von Pop-Star Madonna in Schutz genommen („Justify my Love“), das von empörten Konservativen und Feministinnen zugleich unter Pornographie-Verdacht gestellt worden war.Paglias Argument gegen die ungewöhnliche Koalition von rechten Männern und linken Frauen ähnelte dem Ei des Kolumbus: Es nahm keine Rücksicht auf die frommen Wünsche nach der heilen Welt.Der Clip der blonden Sirene sei tatsächlich Pornographie, aber gerade deswegen wahre Avantgarde. Denn Pornographie interpretiert Paglia als notwendigen Versuch, „sich von der Ungeheuerlichkeit der Natur als Ganzer ein Bild zu machen“.Strafgesetzbuch. Daß sie an anderer Stelle ihrer neuen Aufsatzsammlung „Der Krieg der Geschlechter"(Byblos Verlag Berlin) reulos bekannt gibt, „für „Kinderpornographie“ optiert zu haben, könnte der Deutschlandreisenden bei ihrem PR-Besuch Anfang Juni durchaus Ärger bereiten. Das Plädoyer für „kiddie porn“ ist hierzulande unerwünscht – vielleicht auch strafbar.Wegen dieser und anderer Mutwilligkeiten gilt Frau Paglia vielen Kritikern geradezu als diabolisches Haupt des „Backlash“ (Susan Faludi), jenes Rückschlags, den nicht nur die einst so siegessichere Emanzenbewegung der USA, sondern alle „fortschrittlichen“ beziehungsweise antisexistischen Kräfte zu verzeichnen haben.Zugabe: Doch statt sich zu entschuldigen, sattelt die furchtlose Paglia unentwegt drauf.Hier wettert sie wortgewaltig gegen das „verlogene“ Establishment der Linksliberalen, dort bekennt sie sich biologistisch zu „hierarchischen“ Gesellschaftsstrukturen oder gesteht gar einen „unbeirrbar voraufklärerischen“ Hang zu Aberglauben und Astrologie.Nebenbei heizt sie die sogenannte „Vergewaltigungsdebatte“ an, mit der sich die USA nicht nur anläßlich der Prominenten-Fälle Anita Hill und Mike Tyson beschäftigen. Studentinnen, die sich zum Beispiel spät nachts betrunken und halbnackt in die Schlafzimmer ihrer männlichen Kommilitonen schleppen lassen, sollen sich anderntags nicht wie Unschuldslämmer über „Vergewaltigung“ beschweren, meint die gelegentlich auf den Common sense ihrer Leser spekulierende Provokateurin.Von wütenden Protesten abgesehen, hat der plötzliche Ruhm der bonmotverliebten Denkerin kaum Schattenseiten. Manche freilich vermuten in der Dame Paglia auf Grund ihrer sexuellen Rundumschläge auch privat eine Art Lulu der amerikanischen Geistesgeschichte.Als etwa ein deutscher Reporter das Gespräch gleich mit der indezenten Frage nach ihrem letzten Orgasmus eröffnen wollte, bekam er unvermittelt eine kräftige Abfuhr.Auf diesem Niveau mochte die kluge Camille ihre Thesen denn doch nicht diskutieren. Schließlich ist sie keine Sexbombe, sondern eine Essayistin, deren radikalliberale Anzüglichkeiten sich – wo sie gut sind – strikt auf die symbolische Sexualität der Kunst beziehen.Und dabei sollte sie es wohl auch belassen. Denn Kinderpornographie überschreitet bekanntlich diese Grenze.„Geschwollen und brodelnd: Die Venus von Willendorf ist so etwas wie der siedende Topf der Natur“ „Auf ganzer Linie für Pornographie, für Kinderpornographie genauso wie für Gewaltpornos“ "

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Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Paglia, Camille
Verfasser*innenangabe: Camille Paglia. Aus d. Amerikan. von Margit Bergner ...
Jahr: 1993
Verlag: Berlin, Byblos-Verl.
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Systematik: Suche nach dieser Systematik GS.OS
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ISBN: 3-929029-18-9
Beschreibung: Dt. Erstausg., 332 S. : Ill.
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Sprache: Deutsch
Originaltitel: Sex, art, and culture in America <dt.>
Fußnote: Literaturverz. S. [315] - 323 u. [331] -332
Mediengruppe: Buch