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Das Dritte Reich des Traums

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Beradt, Charlotte
Verfasser*innenangabe: Charlotte Beradt. Mit einem Nachw. von Reinhart Koselleck
Jahr: 1994
Verlag: Frankfurt am Main, Suhrkamp
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

Charlotte Beradt wuchs in Berlin auf und war die Frau des berühmten Rechtsanwalts und Dichters Martin Beradt, mit dem sie während der Naziherrschaft ins Exil ging. Bevor sie Deutschland verließ arbeitete sie als Journalistin, erhielt aber nach 1933 Arbeitsverbot. Daraufhin zogen die beiden nach England und wanderten 1940 nach New York aus. Eines ihrer berühmtesten Werke ist "Das Dritte Reich des Traums," in dem sie Träume niederschrieb, die zwischen 1933 und 1939 geträumt wurden. Das Dritte Reich des Traums, 1962 erstmals in Deutschland erschienen, ist heute aktueller denn je. Charlotte Beradt hat Träume aufgezeichnet, Träume, die zwischen 1933 und 1939, in der Zeit des Nationalsozialismus, geträumt wurden. Fünfzig solcher "von der Diktatur diktierte Träume" hat sie in ihrem Buch notiert. Hat "Schneiderin, Nachbar, Tante, Milchmann, Freund" zu Wort kommen lassen. Hat aufgezeigt, wie nationalsozialistische Propaganda und Terror in die Nischen des scheinbar privaten Alltags eindringen und wie die Träumer auf den enormen Außendruck reagieren; wie scheinbar unbescholtene Bürger in ihrer Traumwelt zu Verfolgten werden, die unter dem Verfolgungsregime leiden. Ein beklemmendes, ein wichtiges Buch, das uns Zugang verschafft zu historischer Zeitgeschichte und nachdenklich stimmt in Anbetracht der aktuellen politischen Situation.
 
Charlotte Beradt wurde aber auch durch ihre Tätigkeit im Radio bekannt. Sie arbeitete für den Westdeutschen Rundfunk und machte dort Aufzeichnungen über Moritz Heimann und Oskar Loerke und eine Sendung über Paul Levi. Außerdem schrieb sie über Rosa Luxemburg und Paul Levi und arbeitete als Theaterkritikerin und Rezensentin. Ihr autobiographisches Werk "Diaries" wurde von 1962-1978 gesendet.
 
"Die in den 112 Seiten des Büchleins enthaltenen etwa hundertzwanzig Träume und Traumfragmente haben allerdings alle schon ein halbwegs ehrwürdiges Alter: alle stammen aus der Zeit von 1933 bis 1939. Charlotte Beradt kommt das große Verdienst zu, diese Träume bei allen möglichen Menschen gesammelt zu haben, bevor sie 1939 aus Deutschland emigrierte. Bis 1933 war sie Journalistin in Berlin, dann wurde sie nicht mehr beschäftigt und begann diese Sammlung als kleine private Dokumentation über das Innenleben der Menschen in einer Diktatur. 1940 zog sie nach New York und die kleine Traumsammlung geriet fast in Vergessenheit, bis ein Bekannter einen Radio-Redakteur beim WDR darauf aufmerksam machte.
 
Anstoß zu der Sammlung gab der Traum eines Bekannten von Charlotte Beradt ganz zu Beginn des Dritten Reichs, eines sozialdemokratischen Fabrikbesitzers. Dieser aufrechte, selbstbewusste und fast despotische Mann, dessen Lebensinhalt sein mittelgroßer Betrieb war, war als Sozialdemokrat natürlich ein ausgesprochener Feind der Nazis. Seine Furcht, dass er sich doch anpassen müsse, wolle er überleben, bezeugt deutlich dieser Traum, geträumt am 2. Februar 1933, drei Tage nach der Machtergreifung:
 
Goebbels kommt in meine Fabrik. Er läßt die Belegschaft in zwei Reihen, rechts und links, antreten. Dazwischen muß ich stehen und den Arm zum Hitlergruß heben. Es kostet mich eine halbe Stunde, den Arm, millimeterweise, hochzubekommen. Goebbels sieht meinen Anstrengungen wie einem Schauspiel zu, ohne Beifalls-, ohne Mißfallensäußerung. Aber als ich den Arm endlich oben habe, sagt er fünf Worte: "Ich wünsche Ihren Gruß nicht", dreht sich um und geht zur Tür. So stehe ich in meinem eigenen Betrieb, zwischen meinen eigenen Leuten, am Pranger, mit gehobenem Arm. Ich bin körperlich dazu nur imstande, indem ich meine Augen auf seinen Klumpfuß hefte, während er hinaushinkt. Bis ich aufwache, stehe ich so.
 
Nachdem die Autorin diesen Traum gehört hatte, beschloss sie, dass solche Träume nicht verloren gehen sollten und hörte sich bei Bekannten nach weiteren Träumen um, in denen das neue Regime eine Rolle spielte. Sie fragte "Schneiderin, Nachbar, Tante, Milchmann, Freund", ohne ihre Sammeltätigkeit zu verraten. Viele waren ängstlich zu erzählen, was sie sich träumen lassen hatten, oft aber öffnete jenen Zögernden Charlotte Beradts Modelltraum, der Traum des Fabrikbesitzers, den Mund. Die meisten Befragten waren eher Gegner des Regimes, aber auch viele Unpolitische waren dabei. Einige Freunde halfen bei dem Projekt, fragten und notierten. Ein befreundeter Arzt etwa befragte unauffällig seinen weiten Kreis von Patienten. So kamen schließlich Träume von über dreihundert Personen zusammen.
 
Charlotte Beradt schrieb die Träume codiert auf - aus Hitler wurde ‚Onkel Hans', Göring und Goebbels hießen ‚Gustav' und ‚Gerhard' - und schmuggelte sie als Briefe getarnt an Bekannte im Ausland. In New York angekommen, veröffentlichte sie eine kleine Auswahl der Träume unter dem Titel "Dreams under Dictatorship - Träume unter Diktatur" in einer zweisprachigen Exilzeitschrift.
 
Zu Beginn des Buches stehen Träume im Mittelpunkt, die die "Orwellsche Welt" der Nazidiktatur widerspiegeln. Besonders interessant sind die vielen Träume von verräterischen Gegenständen, die ganz verschiedene Leute geträumt hatten. So wird bei einer Hausfrau in mittleren Jahren der Kachelofen im Wohnzimmer zum Medium des Terrors: Ein SA-Mann steht vor dem großen altmodischen blauen Kachelofen in der Ecke unseres Wohnzimmers, vor dem wir abends immer im Gespräch sitzen, macht die Ofentür auf, und der Ofen fängt mit schnarrender, durchdringender Stimme zu an reden [hier ist wieder die durchdringende Stimme, die Remineszenz an die Lautsprecherstimme des Tages]: jeden Satz, den wir gegen die Regierung gesagt, jeden Witz, den wir erzählt haben. Gott, was wird da noch kommen, denke ich, all meine Sätzchen gegen Goebbels, aber im selben Moment wird mir klar, daß es auf einen Satz mehr oder weniger nicht ankommt, daß einfach alles, was wir je im vertrauten Kreise gedacht und gesagt haben, bekannt ist. ..." Aus einer Rezension von Michael Masters - traumzeit.twoday.net

Details

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Beradt, Charlotte
Verfasser*innenangabe: Charlotte Beradt. Mit einem Nachw. von Reinhart Koselleck
Jahr: 1994
Verlag: Frankfurt am Main, Suhrkamp
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PI.HPP
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ISBN: 3-518-38821-5
2. ISBN: 978-3-518-38821-1
Beschreibung: 1. Aufl., 131 S.
Schlagwörter: Nationalsozialismus, Traumarbeit, Deutschland / Faschismus, Deutschland / Nationalsozialismus, Faschismus / Deutschland, NS
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Koselleck, Reinhart
Sprache: Deutsch
Fußnote: Lizenz der Nymphenburger Verl.-Handlung, München.
Mediengruppe: Buch