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74.; Lüge

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Verfasser*innenangabe: herausgegeben von Angelika Ebrecht-Laermann, Elfriede Löchel, Bernd Nissen, Johannes Picht. Mit Beiträgen von Joachim F. Danckwardt, Angelika Ebrecht-Laermann, John Forrester, Gertrud Hardtmann, Helmwart Hierdeis, Helga Kremp-Ottenheym, Howard Levine und Peter Möhring
Jahr: 2017
Jahrbuch der Psychoanalyse
Bandangabe: 74.
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

VERLAGSTEXT: / / Anknüpfend an die Arbeiten von Eickhoff (1988) und O¿Shaughnessy (1998) widmet sich das ¿Jahrbuch der Psychoanalyse 74¿ mit dem Thema Lüge einer Beziehungsdimension, die in der psychoanalytischen Tradition vernachlässigt wurde, da sie lange eher als Kontraindikation für eine Behandlung galt. Doch die dem zugrunde liegende Auffassung, der Lügner sei jemand, von dem man annimmt, dass er weiß, was die Wahrheit ist (Philipps in Forrester 1997), lässt sich wohl kaum aufrecht halten. Denn wie mitunter jemand, der meint, die Wahrheit zu sagen, im Grunde doch lügt, kann es auch den Fall geben, dass jemand, der bewusst lügt, unbewusst die Wahrheit sagt. Wie also lässt sich das Lügen aus psychoanalytischer Sicht verstehen? Und welche Rolle spielt das Verhältnis von Wahrheit und Lüge in der psychoanalytischen Arbeit? / / /
 
AUS DEM INHALT: / / Themenschwerpunkt: / John Forrester: Auf der Couch liegen. Auf der Couch lügen / Ausblenden Abstract / Der Autor zeigt, dass das Neue an der Lösung, welche die Psychoanalyse gegen die Drohungen von Lüge und Täuschung vorbringt, darin liegt, dass sie die Dialektik von Glauben und Täuschung transzendiert. Das von Freud fallen gelassene Entweder/Oder von Konstitution versus Trauma und Phantasie versus Realität führte zu einer Wiederbelebung der Frage nach der Bedeutung lügenhafter bzw. wahrer Aussagen. Wenn Freud auch ein leidenschaftlicher Verteidiger der Ehrlichkeit war, so vertrat er doch die Auffassung, dass die Verdrängung eine Art Selbsttäuschung ist. Das Lügen ist der negative Ausgangspunkt, der beiseitegelassen werden musste, damit die Psychoanalyse existieren konnte. Daher ist die Sehnsucht nach der anderen Seite der Lügen, ein Heimweh nach der Wahrheit, konstitutiv für die Psychoanalyse. Doch zugleich arbeitet die Psychoanalyse Lacan zufolge immer in der Dimension der Lüge. Dem Analytiker sollte daher gestattet sein, einen Freiraum offen zu halten, in dem Drohungen, Phantasien und Lügen zur Sprache gelangen können, ohne automatisch einen Alarm bei jenen auszulösen, die als potentielle Opfer benannt werden. / Helmwart Hierdeis: Herr A. begegnet Jesus im Traum und lügt / Ausblenden Abstract / Der Beitrag beginnt mit einer Skizze der Entwicklung von Wahrheit und Lüge in der Menschheitsgeschichte von der Funktionalität zur Moralität. Unter psychoanalytischem Blick wird die Lüge den Abwehrformen zugeordnet. Zusammen mit der Scham soll sie verhindern, dass der Mensch die Wahrheit über sich erkennt. Als Beispiel dient eine Fallvignette: Einem Mann begegnet Jesus im Traum und fragt ihn: »Liebst du mich?« Der Träumer antwortet wider besseres Wissen mit »Ja« und weiß sich in diesem Augenblick verdammt. Der Analytiker sucht zunächst nach der Resonanz des fremden Traumerlebens in ihm selbst. Im Fokus der folgenden gemeinsamen Traumanalyse stehen die unterschiedlichen Repräsentanten des Ichs in der Traumszene. Sie deckt auf, dass die im Traum ausgesprochene Lüge einer Verleugnung im Leben des Träumers entspricht, die seine Beziehung zu einer nahestehenden Person verfälscht. / Gertrud Hardtmann: »Eine notwendige (?) Lüge wird zur Weltordnung«. Franz Kafka: Der Prozess ¿ Josef K. und die einleitende Schrift zum Gesetz / Ausblenden Abstract / Kafka zu lesen, ohne seine Tagebücher einzubeziehen, ist wie die Analyse eines Traumes ohne die Assoziationen des Träumers. Denn viele Eintragungen beziehen sich unmittelbar auf seine Arbeiten. ¿Der Prozess¿ handelt von einem, auch durch den Tod nicht aufgelösten archaischen, metaphysisch fundierten, depressiven Schamgefühl, das durch Lücken im Charakter (Lügen) weder verstanden noch konkretisiert wurde. Weil das Schamgefühl unverarbeitete Beta-Elemente (Bion 1963 [1992]) enthält, geschieht das teils bewusst, teils unbewusst. Ursache sind frühe unvermeidliche Traumatisierungen durch Desillusionierungen, die nicht empathisch von der Mutter aufgenommen und in verarbeitbarer Form unterstützt wurden und die deshalb zu einem fundamental falschen, weil illusionären Selbst- und Fremdbild geführt haben, das den verführerischen Charakter einer Droge bekommen hat. Die unbewusste Objektrepräsentanz eines früh verinnerlichten traumatisierenden, zu Empathie unfähigen, unbewusst in einer Selbstlüge befangenen Objekts, z.B. einer Mutter, die aufgrund fehlender kritischer Selbstwahrnehmung zu einer empathischen, offen Liebe und Hass einschließenden Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht fähig ist, vermittelt dem Kind ein Gefühl, sich in der Welt und in menschlichen Beziehungen nicht wirklich angenommen (contained) zu fühlen. Regressiv tritt eine religiöse Sehnsucht nach paradiesischem Einssein mit dem Anderen an die Stelle realer Objektbeziehungen. Wird dieser Prozess nicht verstanden, entsteht aus unverarbeiteter Enttäuschung und Festhalten an Illusionen ein Hass auf das Leben und die Menschenfamilie. Schuldgefühle aufgrund von unbewussten Rachephantasien verdecken die verborgene und unverstandene ohnmächtige Wut, die verleugnet wird und durch übermäßige Anpassung und Unterwürfigkeit zu unerträglichen Schamgefühlen führt (Lansky 2007). Die Sehnsucht richtet sich nicht mehr auf reale Objekte, sondern regressiv auf eine nur in der Phantasie existierende metaphysische, paradiesische Welt. Die wiederum macht süchtig nach verführerischen falschen, lügenhaften und illusionären Heilsversprechungen, die an die Stelle von realistischen und realisierbaren Idealen und Wertvorstellungen treten. Der Preis ist die Aufgabe der für das Selbstverständnis fundamentalen Frage: Was ist das Wichtigste in meinem Leben?, die in der kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Anderen, mit religiösen, ideologischen und kulturellen Traditionen und Vorbildern zu beantworten wäre. Der frühe depressive Rückzug aus Beziehungen verhindert lebendige Verständigungsprozesse (Meyer- Drawe 1990 [2000]), einen emotionalen und intellektuellen Austausch mit seinen unvermeidlichen, normalen menschlichen Verwicklungen und ein empathisches gegenseitiges Verstehen, das Ambivalenz einschließt. Folgen sind eine zunehmende Vereinsamung und bei frühen Störungen (aufgrund stummer, verlogener, uneinfühlsamer verinnerlichten Objektrepräsentanzen) auch ein Versiegen des inneren Dialogs, eine ¿Versteinerung¿ der Gefühle und Affekte sowie ein innerer, und oft auch äußerer, Tod. / Peter Möhring: Lügen haben lange Beine. Zur psychoanalytischen Sozialpsychologie des Betrugs / Ausblenden Abstract / Lügen haben oft keine kurzen Beine, nur diejenigen, die erkannt werden. Das merken wir schon als Kind. Unaufrichtigkeit ist Bestandteil des Alltags, sogar bei Primaten erkennen wir Täuschungsmanöver, durch die sich die Täuschenden Vorteile verschaffen. Das Lügen scheint nicht ausrottbar zu sein. Vielfach rufen geschickte Betrüger Bewunderung hervor, weil Lügen gegen das Realitätsprinzip die Befriedigung unbewusster phantasmatischer Größenvorstellungen verheißt. Betrug und Selbstbetrug, Täuschung und Selbsttäuschung liegen dicht beieinander. Doch darf das destruktive Potential der Lüge nicht verkannt werden. Es ist geeignet, Vertrauen in allen Formen sozialer Beziehungen zu beeinträchtigen, sowohl in Partnerschaften und Familien als auch in überfamiliären gesellschaftlichen Zusammenhängen, weil es sich zerstörerisch auf die für die psychische Entwicklung so nötige Zuverlässigkeit in den Bindungen auswirkt. Allerdings wird es niemandem gelingen, nicht zu lügen. Daher ist es wichtig, das nun mal vorhandene Potential zur Unaufrichtigkeit verantwortungsvoll zu handhaben. / Angelika Ebrecht-Laermann: »Ich lüge nie.« ¿ »Ich lüge immer.«. Paradoxales Lügen als psychotische Perversion des Denkens und der Objektbeziehungen / Ausblenden Abstract / Der Aufsatz thematisiert die paradoxalen Absolutheitsformeln des Lügens: »Ich lüge nie« und »Ich lüge immer«. Die paradoxe Struktur des Lügens wird besonders deutlich bei Patienten, die entweder der Überzeugung sind, nie zu lügen, oder die einem inneren Zwang folgen und sich wie andere stets belügen. Anhand einer kurzen Fallvignette wird dargestellt, wie diese Art des Lügens eine Beziehungsstruktur herstellt, durch die der Betroffene versucht, aus einer inneren Klemme, einer Beziehungsfalle herauszufinden und eine bedrohte Beziehung zu retten. Das gelingt jedoch nur um den Preis eines zerstörerischen Angriffs auf eben diese Beziehung. Wie die Ausrede versucht auch die paradoxale Lüge, sich aus einer emotionalen Bedrängnis herauszureden, nur dass der Lügner, da er sich bereits im Besitz der Wahrheit wähnt, nicht mehr in der Lage ist, sie im Sinne einer dritten Position zu entdecken und damit die Beziehung zum Einsturz bringt. Statt sich also durch das Lügen das erhoffte Mehr an Freiheit zu verschaffen, landet der Lügner in einer psychotischen Situation, die sich aufgrund der Omnipotenz ihres vorgestellten Wahrheitsbesitzes und der dadurch verursachten Spaltung und Trennung vom Objekt als Perversion des Denkens erweist. / Klinik der Psychoanalyse: / Helga Kremp-Ottenheym: »Ich mag die Menschen nicht« (Emma, 7 Jahre). Verneinung und Abwesenheit ¿ Über den Anfang einer Kinderbehandlung / Ausblenden Abstract / Die Auswirkung früher Beziehungsabbrüche und erfahrener Diskontinuität im Erleben und Verhalten eines bei Behandlungsbeginn 7-jährigen Mädchens wird im Hinblick auf die Beziehungsgestaltung zur Analytikerin dargestellt. Ihr Nein in der Beziehung zur Analytikerin wird auf dem Hintergrund der Konzeptionen von Freud (Die Verneinung) und René Spitz (Nein und Ja) als Abweisung und Schutz vor den emotionalen Katastrophen der frühen Erfahrungen verstanden: Die verlorenen Beziehungen bleiben gleichzeitig in der Negation als Abgewiesenes unbewusst erhalten. Es wird gezeigt, wie sich die Diskontinuität der frühen Beziehungsgeschichte in der Behandlung als Rückzugbewegung im Kontakt und in der Reinszenierung der Abbruchsdrohung abbilden. Die Möglichkeiten der Patientin zur Kommunikation auf symbolischer Ebene auf verschiedenen Entwicklungsniveaus wird beschrieben. Dabei spielen neben dem verbalen »Nein« der symbolischen Ebene die sensomotorischen Aspekte der »primären Symbolisierung« (Roussillon) eine besondere Rolle. Technische Überlegungen beschließen den Text. / Buchessay: / Joachim F. Danckwardt: »Er persönlich gibt alles Gesagte preis«. Zu ¿Freud bei der Arbeit¿ von Ulrike May / Ausblenden Abstract / Der Hauptzugangsweg zu psychoanalytischen Daten, die Assoziations-Aufmerksamkeits- Dialektik, ihre Herkunft und der Hintergrund des neuen Forschungs- und Wissenschaftsmodells mit seiner radikalen Neukonzeptualisierung von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Interesse und Begehren werden skizziert. Vor dem Hintergrund der Abkehr vom vorgängigen methodologischen Objektivismus wird darauf zentriert, dass Ulrike May das neue Verfahren auf die Entstehung der Ursprungstexte früher psychoanalytischer Forschung zwischen 1908 und 1920 und auf die frühe psychoanalytische Theoriegewinnung angewandt hat. Mit dem Verfahren hat sie die in dieser kurzen Zeitspanne möglich gewordene Struktur der wissenschaftlichen Revolution der Psychoanalyse entdeckt: die psychoanalytische Wissenschaft als kooperative Praxis und kollektives Interesse einerseits sowie die Subjekte der Forschung andererseits. Deutlich machen kann May die Abhängigkeit der Theoriebildung von der Art der Datenerhebung und Datengewinnung. Die damit erschlossenen neuen Erkenntnisse werden ausgeführt: die Anfänge des Narzissmus, der Theorien der Depression, der Entwicklungsgeschichte der Libido, die Kontexte der Theorien des Ichs, die psychoanalytischen Ätiologie- Formeln zur männlichen Homosexualität, die Anfänge der Gender-Forschung und die Anfänge der Erforschung aggressiv-destruktiver Reaktionsbereitschaft. / Karl-Abraham-Vorlesung: / Howard Levine: Die grundlegende epistemische Situation. Die psychische Realität und die Grenzen der klassischen Theorie. / Ausblenden Abstract / Während viele von Freuds Überlegungen durch die erkenntnistheoretischen Annahmen seiner Zeit limitiert wurden, ermöglichte ihm sein schöpferischer Geist, postmoderne Anschauungen vorauszuahnen, die für das heutige analytische Denken wegweisend sind. In dem Aufsatz wird versucht, die erkenntnistheoretischen Grundlagen zu untersuchen ¿ was meinen wir zu wissen und wie kommen wir dazu, es zu wissen? ¿ die dafür verantwortlich sind, dass die Analyse nicht mehr ausschließlich auf die Aufdeckung von Denkinhalten abzielt, sondern sich auch auf die Schaffung neuer Gedanken erstreckt, sowie auf die Stärkung des Denkapparates und seiner Kapazitäten. Eine knappe Fallstudie illustriert einige der klinischen Implikationen dieser Erweiterung.

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Verfasser*innenangabe: herausgegeben von Angelika Ebrecht-Laermann, Elfriede Löchel, Bernd Nissen, Johannes Picht. Mit Beiträgen von Joachim F. Danckwardt, Angelika Ebrecht-Laermann, John Forrester, Gertrud Hardtmann, Helmwart Hierdeis, Helga Kremp-Ottenheym, Howard Levine und Peter Möhring
Jahr: 2017
Übergeordnetes Werk: Jahrbuch der Psychoanalyse
Bandangabe: 74.
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PI.HPP
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ISBN: 3-7728-2074-3
2. ISBN: 978-3-7728-2074-8
Beschreibung: 240 Seiten : Illustrationen
Schlagwörter: Lüge, Psychoanalyse, Psychoanalytische Therapie
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Ebrecht-Laermann, Angelika; Löchel, Elfriede; Nissen, Bernd; Picht, Johannes
Sprache: Deutsch
Fußnote: Zusammenfassungen in deutscher und englischer Sprache. - Ethält: Literaturangaben
Mediengruppe: Buch