Trauerarbeit. Der Versuch, Licht in die Geschehnisse einer fernen Vergangenheit zu bringen. Mit der Erinnerung an die Geburt und den frühen Tod eines fremdartigen Kindes verknüpfen sich Fragen nach Erbe und Gedächtnis, nach Eugenik und Euthanasie, Schuld und Verdrängung und nach der Rolle der Schrift. Ankunft, Erscheinen und Verschwinden ihres Kindes, das Jahrzehnte nach seinem Tod in die Erinnerung zurückkehrt, werden zum umstürzenden Ereignis im Denken und Schreiben der Erzählerin. Das ungewöhnliche Kind gehört einem mythischen Geschlecht an: „Heutzutage sagt man nicht mehr Mongole […] Trisomie 21, so der empfohlene medizinische Terminus.“ Mit der Ankunft des Kindes kehrt sich plötzlich alles um. „An der Stelle der Schrift: mein Sohn, gespenstischer Kommandant der Schrift.“ Diesen „schlichten Heiligen“ gibt die Erzählerin in die Obhut ihrer Mutter in Algerien. Dort, in der Klinik von Oran, wo die Kinder zur Welt kommen, stirbt er, „am Tag, an dem ich nicht da war“. Doch wie kam es zu seinem Tod? Und wer hat ihn beerdigt? Hélène Cixous, geboren 1937 in Algerien, lebt als Schriftstellerin und Professorin in Paris. Ihre Werke umfassen Romane, Theaterstücke und Dichtungen. Zentrale Themen ihrer sich an der Sprache abarbeitenden und mit der Sprache spielenden Schriften gestaltet sie in der Arbeit mit Psychoanalyse, Traum, Mythologie, wo sie Begriffe wie Identität, Liebe, Tod, Männlichkeit, Weiblichkeit, die Schrift, das Schreiben, den Körper schreibend berührt und nahezu 'umrührt', 'aufrührt'.Diese Thematiken wurden in ihren Forschungsgruppen an der Universität weiterverfolgt, wo es unter anderem auch um Themen wie: das Imaginäre, den weiblichen Körper, Ausdrucksweise und Verbindungsweise von Trieb-Ökonomie und politischer Ökonomie geht, um Analyse und Praxis des Schreibens, um weibliche Schrift.„Der Tag an dem ich nicht da war ist ein autobiografisches Buch, das existentielle Themen angreift: die Frage der Geburt und des Todes, des Verlassen und Verlassen Werdens, der Geschlechter und die der eigenen Vergangenheit. [...] In den Gesprächen mit ihrer Mutter, die keineswegs als Dialog gehalten sind, sondern als Monologe der betreffenden Person gleichsam eingeworfen werden, steigt Cixous wie sie schreibt, „in die Hölle ihres eigenen Gerichtshofes hinab“ […] Helene Cixous ist eine Autorin, die sich selbst und ihr Schreiben bis auf die Knochen hinterfragt und analysiert. Sie bearbeitet die Sprache und arbeitet sich an ihr ab. Sie vergräbt sich in einem assoziativen Stil, in einem stream of consciousness, der bei doppelter Lektüre ausgefeilt und genau durchdacht wirkt. Sie vermag es mit Worten und Satzzeichen zu spielen, sie aufeinander zu beziehen oder die Beistriche schlicht wegzulassen – was die Gefühlswelt der Autorin bestens zur Geltung bringt. Das Schreiben und die Sprache thematisiert Cixous auch in diesem Roman. [...] Leicht ist diese Lektüre keinesfalls. Es ist ein anspruchsvoller, komplexer Roman, der die Hintertore des Gedächtnisses sprengt, in ein Prosawerk psychoanalytische und philosophische Theoriegedanken einfließen lässt – Cixous wurde von den französischen Denkern Jacques Lacan und Jacques Derrida beeinflusst – und der in einem atemlosen Stakkatostil gehalten ist." Ö1-Büchersendung Ex libris (Elisabeth Putz)
Verfasser*innenangabe:
Hélène Cixous. Aus d. Franz. von Esther von der Osten u. Elisabeth Güde. Hrsg. von Peter Engelmann
Jahr:
2009
Verlag:
Wien, Passagen-Verl.
Aufsätze:
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Systematik:
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ISBN:
978-3-85165-878-1
2. ISBN:
3-85165-878-7
Beschreibung:
Dt. Erstausg., 163 S.
Schlagwörter:
Autobiografie, Cixous, Hélène, Autobiografik, Autobiografisches Erzählen, Autobiographik, Autobiographisches Erzählen, Erinnerungen <Formschlagwort>, Lebenserinnerungen, Memoiren, Selbstbiografie, Selbstbiographie
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Sprache:
Deutsch
Originaltitel:
Le jour où je n'étais pas là
Mediengruppe:
Buch