Dieses Buch hat in den 80er und 90er Jahren heftige Debatten ausgelöst und ist für die Entwicklung der Psychologie nicht ohne Folgen geblieben - ein Klassiker, der die theoretischen Grundlagen der Kritischen Psychologie zusammenfasst. Bis heute hat der Band nicht an Aktualität verloren. Klaus Holzkamp eröffnet hier neue Möglichkeiten zur Verständigung über die Situation des Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft und liefert zugleich begriffliche und methodische Instrumente für eine psychologische Forschung und Praxis, die nicht mehr am Thema der menschlichen (Inter-)Subjektivität vorbeigehen.
Es ist heute weitgehend zugestanden, dass die traditionelle Psychologie in der Zerstückeltheit, Trivialität, Gleichgültigkeit ihrer Ansätze und Befunde an den wesentlichen Fragen des menschlichen Lebens vorbeiforscht. Als Grund dafür wird häufig die Unvereinbarkeit der Klärung wesentlicher Lebensfragen mit den Prinzipien strenger wissenschaftlicher Methodik genannt. Dieses Buch führt den Nachweis, dass die Misere der Psychologie nicht aus einem Zuviel, sondern einem Zu-Wenig an Wissenschaftlichkeit herrührt, nämlich der Beliebigkeit der grundlegenden, das ganze Fach umgreifenden Begriffe und Methodenvorstellungen. Das Buch eröffnet neue Möglichkeiten zur Verständigung über die Situation des Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft und ist zugleich Grundlegung für eine psychologische Forschung und Praxis, die nicht mehr "am Thema" der menschlichen (Inter-) Subjektivität vorbeigeht und gerade darin wissenschaftliche Objektivität erreichen kann.
Klaus Holzkamp (* 30. November 1927 in Berlin; † 1. November 1995) war ein deutscher Psychologe am Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin. Sein Lebenswerk war die Begründung der Kritischen Psychologie , die er in Zusammenarbeit mit anderen Lehrenden, aber auch Studierenden seit Ende der 60er Jahre in Berlin entwickelte.
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© Stefan Meretz
Inhaltsverzeichnis
Übersicht
Vorwort 19
Kapitel 1
Fragestellung und Herangehensweise 23
Kapitel 2 , ,
Die genetische Grundform des Psychischen und
ihre evolutionäre Herausbildung; das methodische
Problem des Aufweises qualitativer Sprünge in der
Psychophylogenese 59
Kapitel 3
Die innere Ausgestaltung des Psychischen zu funktional
differenzierten Organismen im Sozialverband ' 83
Kapitel 4
Die neue Qualität artspezifischer Lern- und
Entwicklungsfähigkeit im Prozeß der Psychophylogenese 121
Kapitel 5
Wechsel der Analyseebene vom Psychischen auf den
Gesamtprozeß: Die neue Qualität der gesellschaftlich-
historischen gegenüber der bloß phylogenetischen Entwicklung 159
Kapitel 6
Inhaltliche Kategorialanalyse des Psychischen in
seiner menschlich-gesellschaftlichen Spezifik:
Bedeutungs-Bedürfnis-Dimensionen als Weltbezug
des handelnden Individuums 207
Kapitel 7
Funktionale Kategorialanalyse des Psychischen in
seiner menschlich-gesellschaftlichen Spezifik:
Erkenntnis/Wertung/Motivation als Funktionsaspekte
der Handlungsfähigkeit 249
Kapitel 8
Kategoriale Bestimmungen menschlicher Individualgeschichte 417
Kapitel 9
Methodologische Prinzipien aktualempirischer Forschung
auf der Grundlage des historischen Paradigmas psychologischer
Wissenschaft 509
Literaturverzeichnis 584
Sachverzeichnis 589
Kapitelgliederung
Kapitel 1: Fragestellung und Herangehensweise
1.1 Eigenart und Notwendigkeit einer kategorialen Grundlegung
der Psychologie 23
Was >ist< Kritische Psychologie? - Widersprüchliche Ebenen der Auseinandersetzung
23 o Explikation der philosophischen, gesellschaftstheoretischen, kategorialen
und einzeltheoretischen Bezugsebene 27 o Zum Verhältnis der Bezugsebenen zu-
einander 29 o These von der paradigmatisch-kategorialen Stoßrichtung des Beitrags der Kritischen Psychologie 31 o Bestimmung der gegenstandsbezogenen Kategorialanalyse in ihrem Verhältnis zur wissenschaftsgeschichtlichen 35 o Ansatz
der zu leistenden kategorialanalytischen Entwicklungsarbeit an vorliegenden
kritisch-psychologischen Arbeiten und deren Grenzen 38
1.2 Umrisse des durch die kategoriale Grundlegung zu entwickeln-
den historischen < Paradigmas psychologischer Wissenschaft 41
Ahistorische Gegenstandsverfehlung und Eliminierung des Psychischen in den Kategorien der traditionellen Psychologie 41 o A.N. Leontjews >historische Herangehensweise< sowie objektive Fassung und genetische Herleitung des Psychischen als
Wendepunkt in Richtung auf das historische Paradigma 46
1.3 Leitgesichtspunkte funktional-historischer Kategorialanalyse auf
der Basis materialistischer Dialektik 48
Genetische Rekonstruktion als Aufdeckung der gegenwärtigen Historizität des
Vorgefundenen;.Ansatz der Kategorialanalyse an psychologischen >Vorbegriffen<
48 o Bestimmung der Grundform des Psychischen und ihrer Ausdifferenzierung
in verschiedene Dimensionen und Funktionsaspekte 52 o Bestimmung des Verhältnisses verschiedener qualitativer Spezifitätsniveaus des Psychischen
54 o Grenzen der funktional-historischen Ursprungs- und Differenzierungsanalyse; Ausblick auf später zu vollziehende methodologische Erweiterungen des kategorialanalytischen Verfahrens 57
10 Inhalt
Kapitel 2: Die genetische Grundform des Psychischen und
ihre evolutionäre Herausbildung; das methodische Problem
des Aufweises qualitativer Sprünge in der Psychophylogenese
2.1 Grundbestimmungen des elementaren >vorpsychischen<
Lebensprozesses 59
>Leben< als selbstreproduktives System auf Populations- und Organismus-Ebene;
die funktionale Betrachtensweise 59 o Entwicklung: Erweiterte Reproduktion aus
Notwendigkeiten der Systemerhaltung; Mutation und Selektion 62
2.2 Der evolutionäre Entwicklungswiderspruch und die Herausbildung des Organismus-Umwelt-Zusammenhangs 63
>Innerer< und >äußerer< Widerspruch; Entwicklung, Stagnation, Verfall 63 o Der
Organismus-Umwelt-Zusammenhang als funktionales Widerspiegelungsverhältnis;
die funktional-historische Analyse 65 o Entwicklungsdimensionen im vorpsychischen Stadium-66
2.3 Die Ausgangsabstraktion zur Bestimmung der Grundform des
Psychischen: Leontjews Konzeption 67
2.4 Die Stufenfolge der Herausbildung des Psychischen als neuer
Qualität der phylogenetischen Gesamtentwicklung 70
Ungerichtete Ortsveränderung und Reizbarkeit durch neutrale Agentien als >vor-
psychische< Randbedingungen der Entstehung von >Sensibilität< 70 o Umweltpol
des Entwicklungswiderspruchs: Relativer Nahrungsmangel unter Bedingungen geformter Nahrungsquellen im konstanten Verhältnis zu neutralen Agentien
72 o Erster qualitativer Sprung: Herausbildung der Sensibilität durch Funktionswechsel der vorpsychischen Dimensionen 74 o Zweiter qualitativer Sprung: Dominanzwechsel zwischen unmittelbarer und signalvermittelter Nahrungsaufnahme
76 o Neue Entwicklungsrichtung durch Sensibilität als spezifischer und bestimmender Funktion der >psychischen< Gesamtstufe 77
2.5 >Methodische< Wendung der Stufenfolge der Entstehung des
Psychischen: Fünf Schritte der Analyse des Umschlags von
Quantität in Qualität im phylogenetischen Prozeß 78
Kapitel 3: Die innere Ausgestaltung des Psychischen zu
funktional differenzierten Organismen im Sozialverband
3.1 Vorbemerkung 83
Kapitelgliederung 11
3.2 Orientierung, Bedeutungsstrukturen 85
Funktionsebene der Gradientenorientierung 85 o Funktionsebene der Aussonderung/Identifizierung 87 o Funktionsebene der Diskrimination/Gliederung 89 o
Frühformen der >Analyse< und >SyntheseRealabstraktive< Herausgehobenheit
aktivitätsrelevanter Merkmalskombinationen 90 o Inhaltliche Ausdifferenzierung
von >Bedeutungstypen< innerhalb der Funktionskreise der >Fortpflanzung< und der
>Lebenssicherung< 93
3.3 Emotionalität, Bedarfsstrukturen 95
Grundbestimmung der Emotionalität: Zustandsabhängige >Wertung< von Umweltgegebenheiten, damit Vermittlungsinstanz zwischen Orientierungsaktivität und
Ausführungsaktivität 95 o Inhaltliche Differenzierung der Emotionalität als Herausbildung >aktionsspezifischer< Bedarfsdimensionen und Aktualisierungsbedingungen 99 o Das Verhältnis Kognition/Emotion und die orientierungsleitende
Funktion der Emotionalität 107
3.4 Kommunikation, Sozialstrukturen. 112
Genese und Funktion von Sozialbeziehungen und Kommunikativorientierung
112 o Sozialbeziehungen im Funktionskreis der Fortpflanzung (Sexualkontakt,
Familienbildung) und im Funktionskreis der Lebenssich'erung (Aggressionshemmung, Territorial verhalten etc.) 116 o Sozialbeziehungen als Aktualisierung art-
spezifischer Sozialstrukturen; kategoriale Differenzierung in die Ebenen der Population, der Sozialstrukturen und der Einzelorganismen 119
Kapitel 4: Die neue Qualität artspezifischer Lern- und Ent-
wicklungsfähigkeit im Prozeß der Psychophylogenese
4.1 Vorbemerkung 121
4.2 Evolutionäre Herausbildung der Fähigkeit zu individuellem
Lernen bis zum Funktionswechsel der Modifikabilität zur
neuen Qualität der Lernfähigkeit 123
Erster Analyseschritt: Heraushebung der Modifikabilität als relevanter unspezifischer Dimension 123 o Zweiter Analyseschritt: Aufweis des Entwicklungswiderspruchs in Richtung auf Lernfähigkeit durch systemgefährdenden Effekt aktueller
Umweltveränderungen 125 o Dritter Analyseschritt: Charakterisierung des Funktionswechsels der Modifikabilität als Veränderbarkeit der Funktionsgrundlage
durch aktuelle umweltbestimmte Aktivitätsresultate 127 o Zum Verhältnis >angeboren/gelernt< und >Festgelegtheit/Lernfähigkeit< 128
4.3 >Subsidiäre Lernfähigkeit < im Rahmen festgelegter Bedeutungs-
und Bedarfsdimensionen (vierter Analyseschritt I) 130
Zwischenbemerkung 130 o Differenzieruhgslernen als gelernte Individualisierung
artspezifischer Bedeutungsstrukturen 131 o Lernen aus Fehlern (>Versuch und
IrrtumBevorzugungsaktivität< 136 o Soziales Differenzierungslernen; Dominanzverhalten 138
4.4 Die Stufe der >autarken LernfähigkeitMotivierte<
Ausrichtung von Aktivitätssequenzen durch erkundendes
Signallernen (vierter Analyseschritt II) 139
Gelernte Veränderung von Aktivitätssequenzen 139 o Einheit des Lernens von
Aktivitätssequenzen und von Signalverbindungen: >autarkes Lernen< 142 o Das
Lernen, von Orientierungsbedeutungen als Reduzierung der Diskrepanz zwischen
>Gelerntem< und >Neuem< auf Grundlage eines globalen >Bedarfs nach Umweltkontrolle< 143 o >Motivation< als gelernte Wertungsantizipation: Emotionale Regulationsform der Aktivitätsausrichtung des >autarken Lernens< 147 o Organisation des Orientierungsfeldes auf der Stufe des >autarken Lernens artspezifischen< Gliederungsrahmens; Relationen-Erfassen und
Ereignis-Antizipation 148
4.5 Dominanzwechsel von der Festgelegtheit zur Lernfähigkeit:
Individuelle >Hineinentwicklung< in den Sozialverband als
Voraussetzung für die Realisierung der artspezifischen
Möglichkeiten höchster Tiere (vierter Analyseschritt III) 151
Absicherung durch Sozialverbände als Entstehungs- und Entwicklungsbedingung
>autarken Lernens< 151 o Herausbildung einer >JugendErziehungSpielverhalten< 152 o >Traditionsbildungen< als soziales Beobachtungslernen 154 o >Sozialisation< und >Soziabilität< 154 o >Sekundäre Automatisierungen < als Funktionsgrundlage der Individualentwicklung und der Übergang
zur Dominanz der Lernfähigkeit über die Festgelegtheit 156
Kapitel 5: Wechsel der Analyseebene vom Psychischen auf
den Gesamtprozeß: Die neue Qualität der gesellschaftlich-
historischen gegenüber der bloß phylogenetischen Entwicklung
5.1 Vorbemerkung 159
5.2 Die Hominidenentwicklung bis zum Funktionswechsel der
Mittelbenutzung zur Werkzeugherstellung als erstem
qualitativen Sprung der Anthropogenese 162
Entwicklung der Manipulationsfähigkeit mit >Mitteln< und des individualisierten Sozialkontaktes im Biotop des Regenwaldes vor der Abspaltung der Hominidenlinie:
Relevante Dimensionen auf der früheren Stufe (erster Analyseschritt) 162 o Entwicklungswidersprüche im Steppen-Biotop (zweiter Analyseschritt); Bipedie und Kapitelgliederung 13
entlasteter Handgebrauch; Entwicklung der Lernfähigkeit 163 o Entstehung komplexer Sozialverbände mit großer Mitgliederzahl >oberhalb< der Familiengruppen
167 o Herausbildung funktionsteilig'er Aktivitäts-Koordination: >Soziale Motivation < und soziale Verallgemeinerung der Vorsorge 168 o Der erste qualitative
Sprung zur Menschwerdung: >Zweck-Mittel-Verkehrung< bei sozialer Werkzeugherstellung durch Einbeziehung in funktionsteilige Aktivitäten verallgemeinerter Vor-
1 sorge (dritter Analyseschritt) 172
5.3 Die Entfaltung der sozialen Werkzeugherstellung zu gesell-
schaftlicher Arbeit bis zum Umschlag von der Dominanz
der Phylogenese zur Dominanz der gesellschaftlich-
historischen Entwicklung (vierter Analyseschritt) 174
Wechsel der Analyse-Ebene von der Entwicklung des Psychischen zum übergeordneten phylogenetischen bzw. gesellschaftlich-historischen Gesamtprozeß 174 ...