Ebbinghaus wollte Gustav Theodor Fechners psychophysikalische Methoden auch auf höhere mentale Prozesse anwenden und untersuchte im ersten Berliner Laboratorium für experimentelle Psychologie die Funktionen und Prozesse des Gedächtnises. Die Gedächtnisinhalte sah er dabei als Vorstellungsinhalte, wie z.B. Gedichte an. Schnell kam er jedoch dahinter, daß Gedichte nicht das ideale Material darstellten um die Gedächtnisleitung und die Funktion des Gedächtnisses zu untersuchen und verwendete daraufhin sinnlose Silbenreihen (Konsonant-Vokal-Konsonant Reihen) wie löm chin jös noit sit mök häm leit. Diese Silbenreihen von 8, 12 oder mehr Silben wurden gelernt, bis sie fehlerfrei reproduziert werden konnten, danach folgte die Beschäftigung mit anderen Dingen (über Minuten, Stunden, Tage, Wochen) um danach die Wiedergabeleistung und die Anzahl der Durchgänge festzuhalten, die benötigt wurden bis die Listen wieder fehlerfrei reproduziert werden konnten. Diese Ersparnismethode ist dabei ein sehr empfindliches Maß um auch dann Lernvorgänge zu belegen, wenn eine Vp sich beim Beginn der zweiten Lernperiode an kein Item mehr erinnern kann.Bei diesen Versuchen mit denen er Hinweise auf die Funktion des Gedächtnisses erhielt war Ebbinghaus selbst Versuchsleiter, Protokolland und Versuchsperson. Er achtete dabei auf eine gleichmäßige Lebensweise über Monate hinweg um so die Gedächtnisleistung ohne störende Einflüsse erforschen zu können. Auch wenn er nur auf die Daten einer einzigen Versuchsperson zurückgreifen konnte, hat Ebbinghaus doch zahlreiche Ergebnisse erhalten, die auch heute noch ihre Gültigkeit besitzen. So konnte er aufzeigen, daß die Schnelligkeit mit der Silbenreihen gelernt werden abhängig von deren Länge ist (Abb. 1), daß bedeutungsvolles Material schneller gelernt werden kann als sinnloses Material und er ermittlete als erster Forscher die nichtlineare Vergessenskurve. Die Versuche, die Ebbinghaus noch mit Schreibheft und Stoppuhr durchführte wurden von Georg Elias Müller (1850-1934) mit größerer experimenteller Strenge weitergeführt. Er trennte die Rolle der Versuchsleiter und Versuchsperson und kontrollierte auch die Darbietungszeiten der Silben mit einer Apparatur, die es den Versuchspersonen gestattete die einzelnen Silben nur für eine bestimmte Zeit wahrzunehmen.Der Psychologe Hermann Ebbinghaus (1850-1909) war ein Pionier der Gedächtnisforschung und hat mit seiner 1885 erschienenen Schrift Über das Gedächtnis einen wichtigen Beitrag für die experimentelle Psychologie geleistet.Ebbinghaus war Professor in Breslau und Halle neben eingehenden Selbst-Studien testete er auch das Gedächtnis anderer Menschen. So führte er im Jahre 1896 einen Test mit Schulkindern durch, um die Wirkung von Ermüdung auf die Leistungsfähigkeit zu erforschen. Dies war auch der erste verbale Gruppen-Intelligenztest. Nach Ebbinghaus haben wir zwanzig Minuten nach der Informationsaufnahme bereits fast die Hälfte des Erlernten wieder vergessen. Er machte dies in der von ihm entdeckten Lernkurve und Vergessenskurve deutlich.
INHA LT
Vorwort VII
I. Unser Wissen über das Gedächtnis 1
§ 1. Das Gedächtnis in seinen Wirkungen 1
§ 2. Das Gedächtnis in seiner Abhängigkeit 2
§ 3. Mangelhaftigkeit unseres Wissens über das Gedächtnis 3
II. Möglichkeit der Erweiterung unseres Wissens über das Gedächtnis . . . . 6
§ 4. Die naturwissenschaftliche Methode 6
§ 5. Einführung numerischer Bestimmungen für das im Gedächtnis Auf-
bewahrte 7
§ 6. Möglichkeit der Herstellung konstanter Versuchsbedingungen . . . 9
§ 7. Konstante Durchschnittszahlen 11
§ 8. Das Fehlergesetz 13
§ 9. Resümee 16
§ 10. Der wahrscheinliche Fehler 17
III. Methode der Untersuchung 19
§ 11. Sinnlose Silbenreihen 19
§ 12. Vorzüge des Materials 20
§ 13. Herstellung möglichst konstanter Versuchsumstände 21
§ 14. Fehlerquellen 22
§ 15. Messung der gebrauchten Arbeit 25
§ 16. Perioden der Versuche 28
IV. Die Brauchbarkeit der Durchschnittszahlen 29
§ 17. Gruppierung der Versuchsresultate 29
§ 18. Gruppierung der Resultate für die einzelnen Reihen 35
V. Die Schnelligkeit des Lernens von Silbenreihen als Funktion der Länge
derselben 39
§ 19. Versuche der späteren Periode 39
§ 20. Versuche der früheren Periode 41
§ 21. Steigerung der Schnelligkeit des Lernens bei sinnvollem Material . 43
VI. Das Behalten als Funktion der Anzahl der Wiederholungen 44
§ 22. Stellung der Frage 44
§ 23. Die Versuche und ihre Resultate 46
§ 24. Einfluß der Erinnerung 50
§ 25. Erhebliche Vermehrung der Anzahl der Wiederholungen . . . . 51
VII. Das Behalten und Vergessen als Funktion der Zeit 53
§ 26. Erklärungen des Behaltens und Vergessens 53
§ 27. Untersuchung des tatsächlichen Verhaltens 55
§ 28. Resultate 57
§ 29. Diskussion der Resultate 66
§ 30. Kontrollversuche 68
VIII. Das Behalten als Funktion wiederholten Erlernens 70
§ 31. Fragestellung und Untersuchung 70
§ 32. Einfluß der Länge der Reihen 72
§ 33. Einfluß des wiederholten Erlernens 74
§ 34. Einfluß der einzelnen Wiederholungen 75
IX. Das Behalten als Funktion der Aufeinanderfolge der Reihenglieder . . . 79
§ 35. Die Assoziation nach der zeitlichen Folge und ihre Erklärung . . . 79
§ 36. Methode der Untersuchung des tatsächlichen Verhaltens 83
§ 37. Resultate. Assoziation der mittelbaren Folge 87
§ 38. Versuche mit Ausschluß des Wissens 89
§ 39. Diskussion der Resultate 94
§ 40. Rückläufige Assoziationen 97
§ 41. Die Assoziationen der mittelbaren Folge in ihrer Abhängigkeit von
der Anzahl der Wiederholungen 100
§ 42. Indirekte Verstärkung von Assoziationen 104