Kein anderer Heiliger ist über die Jahrhunderte hinweg so gleichbleibend populär geblieben und dabei zum Kristallisationspunkt einer solchen Fülle von Brauchformen geworden wie Sankt Nikolaus. Bis heute scheint seine Vitalität ungebrochen, wobei das Bekenntnis zu ihm für die Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile längst keine Glaubensfrage mehr darstellt, sondern einfach nur noch Ausdruck der Sehnsucht nach einem Stück Märchenland, nach ein bisschen Kinderglück und Geborgenheit ist. Dementsprechend hat sich auch das Spektrum der Nikolausfolklore im Lauf der Zeit vom religiösen Kult über den ständig profaner werdenden Brauch bis hin zum reinen Klamauk und Kommerz entwickelt, der durch eine übermächtige weihnachtliche Konsumindustrie Jahr für Jahr groteskere Form annimmt. (Verlagstext)
Inhaltsverzeichnis:
1. Sankt Nikolaus in Kult und Brauch als Forschungsproblem
1.1. Zwei historische Personen – eine legendäre Figur | 9
1.2. Nikolaus in der Hagiographie | 11
1.3. Kultentstehung und Kultausbreitung bis 1087 | 17
1.4. Translation der Reliquien nach Bari | 22
1.5. Lothringen als weiteres Kultzentrum | 26
1.6. Blüte der Verehrung im Hoch und Spätmittelalter | 29
1.7. Nikolauskult in jüngerer und jüngster Zeit | 35
1.8. Brauchspektrum als Untersuchungsfeld | 41
2. Bisherige Ansätze der Brauchinterpretation
2.1. Mythologischer Ansatz (Karl Weihold u. a.) | 43
2.2. Christlicher Ansatz (Karl Meisen) | 45
2.3. Psychoanalytischer Ansatz (Adriaan D. de Groot) | 48
2.4. Integrierender Ansatz (Colette Mechin) | 50
2.5. Literaturwissenschaftlicher Ansatz (Charles Williams Jones) | 52
2.6. Deutungsansatz aus der Sicht der Verhaltensforschung (Otto König) | 55
2.7. Bilanz und Ausblick | 56
3. Legenden als Anknüpfungspunkte für Patronate und Brauchbildungen
3.1. Stratelatenwunder | 59
3.2. Ausstattung der drei Jungfrauen | 62
3.3. Stillung des Seesturms | 67
3.4. Wunderbare Kornvermehrung | 70
3.5. Heimführung des verschleppten Kindes | 74
3.6. Wannen- und Säuglingswunder | 77
3.7. Wundertätiges Nikolausbild | 79
3.8. Vertreibung der Diana | 81
3.9. Vernichtung des Öls der Diana | 83
3.10. Rettung des ertrunkenen Sohnes | 86
3.11. Bestrafung und Begnadigung eines Betrügers | 87
3.12. Erweckung eines Knaben | 90
3.13. Sankt Nikolaus als Wohltäter | 92
4. Schülerlegende als zentraler Kristallisationskern des Brauchbestandes
4.1. Legende von der Auferweckung der getöteten Schüler | 95
4.2. Entwicklung der Schülerlegende als Sonderfall | 102
4.3. Schülerpatronat und die Perikopen des Nikolaustages | 110
5. Frühe Brauchentwicklung und erste Profanierung
5.1. Knabenbischofsfest in den spätmittelalterlichen Klosterschulen | 115
5.2. Ausartungen des Bischofsspiels | 118
5.3. Verkleidungen und Maskierungen | 119
5.4. Teufelsauftritte in der Vorweihnachtszeit | 124
5.5. Närrische Züge des Knabenbischofsfestes | 126
6. Brauchkorrekturen durch Reformation und Gegenreformation
6.1. Luther und die Nikolausbischöfe | 129
6.2. Bescherung im Einlegebrauch | 132
6.3. Nikolaus und / oder heiliger Christ als Gabenbringer | 138
6.4. Adventspädagogik im Dienst der Gegenreformation | 143
6.5. Unkontrollierte Brauchentwicklung als Heidenspaß | 146
6.6. Barocker Einkehrbrauch und Kinderexaminierung | 147
7. Standard-Brauchelement: die finsteren Begleiter des Nikolaus
7.1. Gefolge des Nikolaus beim Einkehrbrauch | 151
7.2. Himmelsbote und Höllenvertreter |153
7.3. Ikonographie als mögliche Wurzel der Figurenkonstellation | 156
7.4. Klassischer Begleiter: Knecht Ruprecht | 159
7.5. Tradition des Kinderschrecks | 163
7.6. Ruprecht als dominante Figur | 170
8. Eigendynamik der Brauchentwicklung
8.1. Intentionen der Brauchstifter – Motivationen der Brauchträger | 175
8.2. Der Fall des Adeligen Gremlich in der Nikolausrolle | 177
8.3. Dreistufigkeit der Brauchentwicklung | 178
8.4. Evolution der Nebenrollen | 185
9. Brauchverlagerungen: Nikolaus zwischen Advent, Fastnacht, Martini und Silvester
9.1. Fastnachtsnarren im Nikolausbrauch | 191
9.2. Nikoläuse im Fastnachtsbrauch | 194
9.3. Zwitter aus Klaus und Martin | 196
9.4. Silvesterkläuse in Appenzell | 202
10. Brauchanpassung: Säkularisierung und Verbürgerlichung
10.1. Aufklärerische Distanzierung – Lenkung des Einkehrbrauchs | 207
10.2. Bürgerliche Pädagogik | 210
10.3. Säkularisierung zum Weihnachtsmann | 219
10.4. Degenerierungserscheinungen | 222
10.5. Inflation der Geschenke | 227
10.6. Verkitschung bis zum Zwerg | 231
11. Jüngere Brauchorganisation: Pflege und Folklorisierung
11.1. Neubewertung und folkloristische Ausgestaltung | 237
11.2. Paradebeispiel: Klausjagen in Küßnacht am Rigi | 239
11.3. Parallelerscheinungen in Österreich | 245
11.4. Brauchableger von Küßnacht: Wollishofen, Wipkingen, Mukwonago | 247
11.5. Innovation der Superlative: St. Nikolaus-Gesellschaft Zürich | 249
11.6. Pittoreske Rekatechisierung: Fribourg und Luzern | 253
12. Moderne Brauchverwertung: Nikolausfolklore im profanen Interesse
12.1. Contra Katechese: Komik und Klamauk | 257
12.2. Nikolaus im technischen Zeitalter | 261
12.3. Weihnachtsmann als Werbeträger | 265
12.4. Vom Liebespatronat zur Erotikszene | 268
12.5. Süße Vermarktung der Beschergestalt | 271
12.6. Nikolausi – Osterhasi: Hektik der Schenktermine | 277
13. Perspektiven der Brauchanalyse
13.1. Multifunktionalität einer legendären Figur | 283
13.2. Nikolausbrauch im Kulturprozess | 287
Anmerkungen | 293
Literatur | 318
Sach-, Personen- und Ortsregister | 334