Verlagstext:
Epochenwechsel in Lateinamerika ist eine profunde Analyse der politischen Transformationen in Lateinamerika seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Die argentinische Professorin für Soziologie Maristella Svampa beschreibt anschaulich, wie die progressiven Regierungen ihr Wirtschaftsmodell und ihre soziale Umverteilung auf dem Neo-Extraktivismus aufbauten. Der Neo-Extraktivismus, eine Entwicklungsstrategie, die auf höchstmögliche Ausbeutung von Rohstoffen und Agrarland für den Export ausgerichtet ist, prägt die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der meisten Länder des Subkontinents bis heute. Die Folgen sind überwiegend negativ: Extraktive Industrien wie Berg-bau, Erdöl oder Agrobusiness sind verantwortlich für massive Menschenrechtsverletzungen, weisen eine verheerende soziale und Umweltbilanz auf und bieten kaum Impulse für die lokale Ökonomie.
Svampa beschreibt, wie sich der Kapitalismus unter den angeblich linksgerichteten Regierungen entwickelte und mit welcher Härte in Lateinamerika gegen sozioökologische Basisbewegungen vorgegangen wurde und wird. Gleichzeitig stellt sie heraus, wie sich durch feministische Forderungen, indigene Bewegungen und Widerstandskämpfe gegen Monokulturen und offenen Bergbau Widerstand ¿von unten¿ formierte, der durchaus Niederschlag in politischen Transformationen fand: vom »buen vivir« in den Verfassungen Ecuadors und Boliviens über die Ausweitung indigener Autonomie bis hin zum Sozialprogramm »bolsa familia« in Brasilien, das Millionen Brasilianer*innen von der Armut befreite. Svampa macht aber auch deutlich, dass das grundsätzliche Manko ¿ das Privateigentum an gemeinschaftlichen Ressourcen ¿ von linkspopulistischen Parteien nicht angegangen wurde, was die brutale Repression der Widerstandsbewegungen ebenso erforderte wie die Regierungswechsel herbeiführte.
Ihre Kritik und ihre Konzeptualisierungen ermöglichen ein Verständnis der jüngsten Geschichte Lateinamerikas, in der entscheidende Impulse ¿von unten¿ kommen, während die Ursachen des Niedergangs im politischen Ansatz des Neo-Extraktivismus liegen. Svampa analysiert diese jüngsten politischen Prozesse, ohne die mittel- und langfristige Perspektive aus den Augen zu verlieren.
Aus dem Inhalt:
Vorwort der Herausgeberin zur deutschen Ausgabe: Vom Ende eines progressiven Zyklus, dem Aufstieg rechter Regierungen und Möglichkeiten solidarischen Widerstands >von unten<.......9
Einleitung........................9
Das post-progressive Szenario in Lateinamerika..........10
Das Versagen der progressiven Regierungen und der Mythos ihrer linken Gesinnung...................14
Das koloniale Erbe des Rohstoffkonsenses und der Mythos von >ElDorado<....................16
Gewalt und Intersektionalität in Lateinamerika.........19
Widerstand und kollektives Handeln...............21
Fazit: Epochenwechsel - Lektionen für ein >bewegte Gesellschaft...25
Einleitung. Ende eines Zyklus.................29
Der Aufbau des Buchs...................37
ERSTER TEIL
Progressivismus, neuer Zyklus kollektiven Handelns und die Expansion des Extraktivismus
Soziale Bewegungen, politische Traditionen und Dimensionen des kollektiven Handelns in Lateinamerika...........44
Vom Protest zu den sozialen Bewegungen...........45
Eine Annäherung an die politisch-ideologischen Matrices.....53
Drei Dimensionen des kollektiven Handelns..........60
Rohstoffkonsens und Entwicklung. Koordinaten für eine lateinamerikanische Debatte..................72
Das lateinamerikanische Szenario...............72
Der Rohstoffkonsens und die Wiederbelebung der
populistischen Matrix...................75
Die Idee von >Entwicklung< infrage stellen.............81
Natur und Entwicklung...................84
Die Konsolidierung des (Fehl-)Entwicklungsmodells..........87
Phasen des Rohstoffkonsenses und Konflikte............91
Sozio-ökologische Konflikte, öko-territoriale Wende und lateinamerikanische Alternativen................99
Die Ausweitung des sozio-ökologischen Konflikts........99
Die öko-territoriale Wende der sozialen Kämpfe........ 111
Gibt es eine Alternative?................ 117
Üher gang und Öffentliche Politik............. 121
Feminismos Populäres, Extraktivismus und Patriarchat im Rohstoffkonsens......................130
Einleitung...................... 130
Frauen in der Führungsrolle: Doppeldeutigkeit und Fortschritte... 131
Feminismos Populäres aus dem Globalen Süden....... 136
Das andere Gesicht des Patriarchats: Extraktivismus und Ketten der Gewalt...................... 146
Die Neugestaltung des Nord-Süd-Gefälles - Ein Blick aus der
Extraktionsgeografie................. 156
Der Aufstieg Chinas und der Globale Süden........... 156
China und Lateinamerika................ 159
Die Ausweitung der Extraktionsgeografie............ 165
ZWEITER TEIL
Progressivismus und das Ende eines Zyklus
Ende eines Zyklus und real existierende Progressivismen....... 170
Zwischen Armutsreduktion und Konsolidierung der Ungleichheiten .... 171
Die Kritik am Extraktivismus.............. 174
Die politische Kritik: Varianten der passiven Revolution........ 179
Post-Progressivismus und emanzipatorische Horizonte in Lateinamerika................... 190
Der Durchbruch der sozialen Bewegungen und ihre Wendepunkte... 191
Das Abdriften der real existierenden Realismen.......... 194
Soziale Kämpfe und emanzipatorische Horizonte....... 198
DRITTER TEIL
Argentinien: Von der Parole »Weg mit ihnen!« hin zur Ära der Kirchners
Einleitung: 2001 bis 2015.................204
Auf den Spuren vom Dezember 2001.............208
Grundlegende Überlegungen.................209
Drei mögliche Interpretationsformen.............211
Die Spuren des Dezembers.................218
Das Erwachsen einer neuen Generation des Aktivismus.......219
Die Politik der Straße: Mobilisierungssprache und der öffentliche
Raum im Argentinien der Gegenwart............222
Für eine neue Mobilisierungssprache (1989-2001)..........222
Die Grammatik der Proteste und die Besetzung des öffentlichen
Raums (2001).....................227
Zwischen dem Spielerischen und dem Ereignis: Asambleas und kulturelle Kollektive....................229
Grenzen, Rituale und die plebejische Dimension: die Piqueter*s.....233
Konflikte und soziopolitische Umstrukturierungen während des
Kirchner-Zyklus. Die Phasen des Kirchnerismus als Populismus..243
Soziale und ökonomische Struktur. Vom Wiedererlangen der
Positionen und der Rückkehr zur >Normalität<...........246
Die Transformation der Agrarstruktur.............253
Die Dynamik der Konflikte: Von Zentren und Peripherien....259
Die Mittelschicht gegen die Mittelschicht. Die Verteidigung des >Popularen< versus die Verteidigung der >Republik<.......262
Ende des Zyklus und Bilder eines Untergangs...........269