Die nachträgliche Kolorierung des schwarzweißen Materials war in der Stummfilmepoche eine verbreitete Praxis. Die Filme wurden hand- oder schablonenkoloriert, viragiert und getont. Die häufig ostentativ ausgestellte Materialität der aufgetragenen Farbe stand in einem Spannungsverhältnis zum fotografischen Bild und bewirkte eine spezifische Dynamik zwischen dem Eindruck von Flächigkeit und Plastizität. Kolorierungen kamen in Serpentinentanzfilmen, den ornamentalen Motiven der Féerien, in Trickfilmen oder Moderevuen besonders zur Geltung. In dieser Hinsicht weisen die applikativen Farbtechniken des Films viele Parallelen zu anderen farbigen Bildmedien der Epoche auf (wie Gebrauchsgrafik oder Modeillustration). Zudem zeigt der kolorierte Film seine Nähe zur industrialisierten Ästhetik, vornehmlich zur visuellen Form kommerzieller Farbpaletten.
In dieser Studie wird die farbige Fläche des kolorierten Films im Kontext einer intermedialen Geschichte des Ästhetischen untersucht. Farbe als Attraktion, ostentative Materialität und Element medialer Selbstreflexion der Kunst tritt aus dieser Perspektive als eine Sinnfigur der chromatischen Moderne und der populären visuellen Kultur des frühen 20. Jahrhunderts hervor.
Inhalt
Dank
Einleitung
Ostentative Oberfläche
Zur Gliederung der Studie
Stand der Forschung
Methodisches
Das farbige Bild im filmtheoretischen Kontext der Stummfilmzeit
Kulturelle und kunstsoziologische Kontexte des farbigen Filmbildes um 1900
I. Serpentinentanzfilme - Farbe, Fläche, Materialität
- Farbe und Stofflichkeitseindruck
- Die Bildspannung und der doppelte Charakter des Bildes - einige Konzepte aus - Kunstphilosophie und Bildwissenschaft
- Materialität des filmischen Bildträgers
- Farbspannung als ein "Aufeinander" und "Ineinander" der Bildschichten in Serpentinentanzfilmen
- Kolorit als Inkarnat
- Die Frau als Fläche für die Farbe - Das Kostüm als Double der Leinwand
- Farbe und unbeständige Körper in La Danse du feu und Loïe Fuller
- Farbe und Materialität in der Moderne
II. Trickfilme und Féerien - Schichtungen und Transparenzen des kolorierten Bildes im frühen Kino
- Schichtung als Grundprinzip des Filmbildes
- Ästhetik der Schichtung als Attraktion der Bildmaterialität
- Mehrfachbelichtungen im kolorierten Bild und die selbstreflexiven Tendenzen des frühen Kinos
- Manipulation des Bildes als Gegenstand der Fotografie- und Filmhandbücher um 1900
- Kolorierter Trickfilm, transparente Motive und die Bildschichtung durch Mehrfachbelichtung
- L'Hallucination de l'alchimiste (1897)
- Le Chaudron infernal (1903)
- Dekor in der Mise en Scène als Bildschicht
- La Légende de Rip Van Winkle (1905)
- Le Palais des mille et une nuits (1905)
- Geflechte der Bildebenen: Dekor, Einbelichtung und Kolorierung
- Le Royaume des fées (1903)
- Schichtungen im monochromen Bild
- Farbe als Teil des Tricks
- Le Spectre rouge (1907)
- Transparenz und die applizierte Farbe im historischen und theoretischen Kontext
III. Farbe, Intermedialität, Produktionskontexte - Schablonenkolorierung in Kunstgewerbe, Grafik und Film
- Ästhetische Diskurse am Übergang von kunstgewerblicher zu industrieller Produktion
- Pochoir im Produktionskontext der Industrialisierung
- Anleitungen für die Schablonenkolorierung um 1900 im Vergleich zum Film
- Plastizität und Flächigkeit in den Diskursen um 1900
- Figur-Grund-Wechselbeziehung und Pochoir-Technik
- Rahmungen in den Figur-Ornament-Kompositionen
- Räumliche Spannung: Das Verhältnis der Bildbewegung zur Bildrahmung
- Weiblichkeit, Massenkultur und das Dekorative: Intermedialität der visuellen Ideen im kolorierten Film vom Art nouveau zum Art déco
- Synergie von Film, Mode und Interieur-Design
- Schablonenkolorierung und Handschiegl-Verfahren: Die Farbe als formgebende Instanz
- Schablonenkolorierung und Warenfetisch in der Konsumgesellschaft
IV. Farbpaletten - Die Attraktion der Farbe und die Industrialisierung der Ästhetik
- Farbindustrie und Farbmusterbücher um 1900
- Die Farbpalette im kolorierten Film
- Virage und Tonung als Manifestationen von zeitlichen Farbpaletten
- Virage und Tonung im Kontext der Industrialisierung und Standardisierung des Films
- Aufmerksamkeit als diskursive und ästhetische Kategorie der industriellen Moderne
- Der populäre Farbgeschmack und die ästhetische Farberziehung in den Diskursen um 1900
- Der kolorierte Film und das kunsthistorische Denken über die farbige Bildfläche in der Moderne
Schlussgedanken
Anhang
Glossar zu den Farbverfahren
Literaturverzeichnis
Bildnachweise
Filmverzeichnis
Personenverzeichnis