Vom 24.-27. September 1990 traf sich der Dogmenhistorische Ausschuß im Verein für Socialpolitik in Frankfurt zu seiner 11. Tagung. Zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Ausschusses war der Hauptteil der Tagung dem Thema Die Darstellung der Wirtschaft und der Wirtschaftswissenschaft in der Belletristik gewidmet. Die ökonomische Dogmengeschichte ist ein wissenschaftliches Fach, das Quellenkenntnis und historisches Wissen ebenso voraussetzt wie die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in andere Mentalitäten, Denksysteme, politische und ethische Wertungen hineinzuversetzen. Sie will zugleich wie eine Liebhaberei gepflegt sein, wenn die in ihrer Eigenart dem Charme fremder Länder zu vergleichenden Zeugnisse der Vergangenheit anschaulich zur Geltung kommen und nicht rein auf die Übersetzung in die Ausdrucksweisen der modernen Analyse reduziert werden sollen - so interessant es sein mag, durch die Formalisierung eine Aktualisierung älterer Theorien zu erreichen. Um die historische Relativität ökonomischen Denkens zu erfassen und, soweit möglich, vom Fortschritt gesicherter Wissenschaft zu trennen, ist eine gewisse Allgemeinbildung erforderlich, die unter anderem durch die Beschäftigung mit der schönen Literatur gefördert werden kann. Sich auf diese Weise zu informieren, war ein erstes Motiv für das Tagungsthema. Aber wie sich die wirtschaftliche Mentalität entwickelt und in der Literatur ihren Ausdruck findet, ist selbst ein Problem, das nicht nur von Literaturwissenschaftlern und Historikern, sondern auch von Ökonomen betrachtet werden sollte, da aus dem Blickwinkel jeder dieser Disziplinen besondere Aspekte deutlich werden.
Aus dem Inhalt:
Erster Teil
Die Darstellung der Wirtschaft und der
Wirtschaftswissenschaften in der Belletristik
Spiegelungen des antiken Wirtschaftsdenkens in der griechischen Dichtung
Von Bertram Schefold, Frankfurt/M 13
Wucher und Wucherklischees am Übergang zur Neuzeit
Von Klaus Reichert, Frankfurt/M 91
Goethe als Ökonom. Chancen und Gefahren der modernen Wirtschaft im
Spiegel von Goethes Dichtung
Von Hans Christoph Binswanger, St. Gallen 109
Wirtschaft und Gesellschaft im klassischen französischen Roman
Von Gottfried Eisermann, Bonn 133
Alfred Marshall und die viktorianische Kunst
Von Heinz Rieter, Hamburg 191
Lampedusas "II Gattopardo": Literarisches Pendant zum "Trattato di sociologia
generale" Paretos
Von Norbert Kloten, Stuttgart 239
Die Rolle der Wirtschaft im deutschen Roman des 20. Jahrhunderts
Von Harald Scherf, Hamburg 257
Zweiter Teil
Die Nationalökonomie zwischen formalistischer
und substantivistischer Auffassung
Das historische Element in der ökonomischen Theorie. Ein Thema der
deutschsprachigen Nationalökonomie von Schmoller bis Eucken
Von Kurt Dopfer, St. Gallen 281
Was heißt 'subjektive Schätzung' in der Österreichischen Schule?
Von Peter Rosner, Wien 301