An Bahnhöfen, vor Fußballstadien, in Stadtgärten und Fußgängerzonen, überall kann man sie antreffen: die Pfandsammler. Es sind Männer und Frauen, alte und junge und sie gehören spätestens seit der Einführung des Pfandes auf Einweggetränkeverpackungen im Jahre 2006 zum Bild einer jeden deutschen Großstadt. Verdienen kann man mit dem Aufklauben von Dosen und Flaschen kaum etwas, diese nur vordergründig rein ökonomische Aktivität erlaubt es noch nicht einmal, die eigene Existenz auf minimale Weise selbstständig zu sichern. Zudem werden diese Menschen, die mit ihren Händen tief in die Abfalltonnen der Innenstädte greifen, die öffentliche Plätze vom Unrat der anderen reinigen und dann mit dem signifikanten Klappern der Flaschen in ihren Tüten weiterziehen, zumeist nur toleriert oder gar vor aller Augen erniedrigt. Ihnen haftet das Etikett des »Drecksarbeiters«, Penners und Schmarotzers an. Die vermeintlich einfache Frage, warum Menschen trotz all dieser widrigen Umstände tagtäglich aufs Neue durch die Straßen der Großstädte ziehen, was die Betrachtung dieser Sozialfigur in Bezug auf Prekarität und Marginalität, auf Armut und Einsamkeit in unserer modernen Gesellschaft zum Ausdruck bringt, erkundet die vorliegende Studie.
"Das Buch von Sebastian J. Moser kann unter verschiedenen Gesichtspunkten sehr zur Lektüre empfohlen werden. Es liefert zunächst einen breiten Einblick in die Lebenswelt der Pfandsammler. Der Autor stellt sich in die Tradition von Norbert Elias, der die Soziologie in der Rolle des Mythenjägers sah. Er erweitert das zu kurz gegriffene Bild des Pfandsammelns als rein ökonomische Tätigkeit und materielles Armutsphänomen und beschreibt die heterogene Gruppe der Pfandsammler und ihre Motive. Vielfach handelt es sich um Menschen, die aus dem Arbeitsleben geworfen wurden und von sozialer Teilhabe ausgeschlossen sind. Das Pfandsammeln wird für sie zu einer Strategie der Lebensbewältigung, mit der sie ihren Alltag strukturieren, das Selbstwertgefühl stärken und sich ihrer Leistungsfähigkeit versichern. Dennoch ist ihre Situation ambivalent und prekär. Das Sammeln im Müll hält sie in einer Außenseiterposition und ermöglicht ihnen keinen Aufbau sozialer Kontakte. Vielmehr sind sie in den Augen der neoliberalen Stadtpolitik unerwünscht im Stadtbild und deshalb Verdrängungsversuchen ausgesetzt. Ihr Anblick ist ein Zeichen für gesellschaftliche Risiken und gefährdeten Wohlstand, weshalb sie häufig der Missachtung, Beleidigung und Gewalt ausgesetzt sind.
Für methodisch interessierte Leserinnen und Leser aus den Gebieten der Sozialen Arbeit bietet das Buch gleichzeitig ein gutes Beispiel für Forschungszugänge im Bereich schwer erreichbarer Randgruppen. Dabei nimmt Moser die Pfandsammler ernst und stellt sie als Subjekte in den Mittelpunkt seiner Erkundungen. So gelingt es ihm spannende und lesenswerte Antworten auf seine offenen Fragen zu bekommen: "Was, wie und warum machen die das eigentlich?". Nicht nur die flüssige und sehr gut lesbare Darstellung, sondern auch der enge Bezug auf soziologische Theorien, macht die Lektüre zu einem Gewinn."
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/ AUS DEM INHALT: / / /
Vorbemerkung 9
Einleitung 11
Erster Teil
Zur Phänomenologie des Pfandsammelns 41
Ein-(Sammeln) 42
Zwischenlagern 54
Wegbringen S6
Sammeln: Objektive Bedingungsstrukturen 63
Eine kleine Pfandgeschichte .64
Pfand als Sicherung vorübergehender Tauschbeziehungen 66
Folgerungen: Die Janusköpfigkeit des Pfandgesetzes 68
Die Tätigkeit des Sammeins - Was tun wir, wenn wir sammeln 69
Folgerungen: Sammeln als Handlungsmuster 81
Pfandsammeln als Krisenlösung 83
Elisabeth: "Ich muss sowieso laufen" 83
Thomas: "Hängt man nicht in der Wohnung rum" 89
Dieter: "Freizeitausgleichsbeschäftigung" 103
Zwischenlager 115
Zweiter Teil
Ökonomische Wohltat oder: Wohltätige Ökonomie? 125
Die Gabe oder: Eine unmögliche Möglichkeit 125
Zwischen Selbstständigkeit und Selbstüberwindung 130
Informelle Dienstboten 13 5
Eine Form der Institutionalisierung: "pfandgeben.de" 145
Pfandspuckende Mülleimer ? 151
Erster Exkurs: Verordnete Wohltätigkeit - Ährensammler 157
Die Ambivalenz von "Drecksarbeit" 164
Einer muss den Dreck wegmachen 164
Wertvoller Müll 169
"Drecksarbeiter" unter sich 173
Von Saubermännern und Müllwühlern 180
Zweiter Exkurs: Die ersten Müllmänner - Lumpensammler-
Die Aufteilung des öffentlichen Raums 194
Neoliberale Stadtästhetik 194
Der Mülleimer als öffentlicher Raum 199
Sicherheit als attraktives Potenzial 20S
Dritter Exkurs: Vom Staatsbürger zum Dieb -
Raffholzsammler 211
Grenzen sozialer Anerkennung 217
Zur Schau gestellte Leistungsfähigkeit 217
Gewaltsame Worte ' 2 2 0
Ungebetene Gäste 242
Endlager 248
Bibliografie 257
Danksagung 269