Im Jahrhundert der Flüchtlinge setzte sich erst weit nach 1945 eine internationale Flüchtlingspolitik mit globalem Ausmaß durch.
Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Flüchtlinge, in dem Millionen Menschen aufgrund von Krieg, Gewalt und Verfolgung ihre Heimat verlassen mussten. Mit den Fluchtbewegungen entstand das System der internationalen Flüchtlingshilfe. Es setzte sich die Vorstellung durch, dass es die Aufgabe der Staatengemeinschaft sei, Geflüchtete zu unterstützen und dafür leistungsfähige Strukturen aufzubauen. Bis in die späten 1950er-Jahre glaubte die Staatengemeinschaft jedoch, das massive Fluchtgeschehen sei ein vorübergehendes Problem, das nur Europa betreffe. Das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) war daher zunächst eine kleine Behörde mit wenig Einfluss.
Jakob Schönhagen schildert eingehend, wie seit den 1960er-Jahren schrittweise und gegen viele Widerstände eine internationale Flüchtlingspolitik entstand, die weltweit ausgerichtet war – mit den Flüchtlingskrisen in Algerien und Bangladesch als den entscheidenden Stationen. Der Autor rekonstruiert ebenso, welche Folgen dieser späte Entstehungsprozess bis heute hat.
Inhalt
Einleitung. Flüchtlingspolitik im 20. Jahrhundert........................... 9
I. Die Ursprünge eines neuen Politikfeldes
nach dem Ersten Weltkrieg
1. Flucht in der Zwischenkriegszeit.......................................................... 23
2. Vorgeschichten....................................................................................... 27
Vor dem 19. Jahrhundert. Begriffsgeschichten und die unendliche
Geschichte des Asyls 27 — Das 19. Jahrhundert. Politisches Asyl
und die dunkle Seite der Nationalstaaten 29
3. Ein internationaler Politikbereich entsteht.
DieZwischenkriegszeit................................................................ 33
Ein Kriegsproblem beenden. Die 1920er Jahre 33 — Die Katastrophe
und verhaltene Aufbrüche. Die 1930er Jahre 38
II. Politik ohne Zukunft und Zentrum.
Weichenstellungen um 1950
1. Eine Welt voller Flüchtlinge................................................................ 45
Ethnische Säuberungen und Bürgerkriege 48 — Dekolonisation und
Nationenbildung 49 — Kalter und heißer Krieg 50
2. Welt ohne Flüchtlinge. Die DP-Politik der Alliierten....................... 51
Die kurze Hochphase der internationalen Zusammenarbeit 51 — Die
UNRRA und die Repatriierung der Displaced Persons 54 — Die IRO
und das Resettlement der europäischen DPs 56
3. Die Entstehung des UNHCR............................................................. 62
Die Vision einer großen Lösung für das Flüchtlingsproblem 62 — Die
Gegner einer großen Lösung 68 — Die Re-Nationalisierung der inter nationalen Flüchtlingspolitik 71 — Die kleine Lösung: Das UN Flüchtlingskommissariat 80
4. Die Begrenzung der Genfer Flüchtlingskonvention.......................... 83
Die Juridifizierung der internationalen Beziehungen 83 — Die Flücht lingskonvention als Abschluss der DP-Politik 87 — Der kleinste ge meinsame Nenner 93
5. Die Flüchtlingspolitiken der frühen 1950er Jahre................................ 97
Die Flüchtlingshilfe der Regionalorganisationen 97 — Binnenflücht linge und staatliche Hilfsprogramme 100 — Die vielfältigen Ansätze
nichtstaatlicher Akteure 1 o 5
6. Das amerikanische Jahrzehnt............................................................. ....
Flüchtlingshilfe im Kalten Krieg 115 — Die Sorge vor der Überbe völkerung und die Entstehung der ICEM 116 — Die Entstehung des
flüchtlingspolitischen Apparats der USA 122 — Die Gründung des
US Escapee Program 124 — Der Kalte Krieg und das Refugee
Relief Program 127 — Modernisierungsprojekte und Flücht linge 133 — Weichenstellungen um 1950: Flüchtlingspolitiken
ohne Zentrum und Zukunft 148
III. Die Verstetigung der internationalen
Flüchtlingspolitik nach 1960
1. Flucht, Dekolonisation und Kalter Krieg............................................. .....
Der Westen in Bewegung: Blockkonflikt, Dekolonisation und Arbeits migration 154 — Flucht in Asien in den 1950er und 1960er Jah ren 156 — Fluchtbewegungen in Afrika 158 — Verkehrte Welt?
Die Revolutionierung der internationalen Politik durch die Dekolonisa tion 162
2. Algerien......................................................................................................
Der Algerienkrieg 165 — Die algerischen Flüchtlinge in Marokko
und Tunesien 168 — Der UNHCR in Nordafrika 171 — Algerische
Flüchtlinge in der internationalen Politik 180 — Herausforderungen
der Flüchtlingshilfe vor Ort 183 — Die Selbstverständlichkeit der
Repatriierung 187
3. Die Diskussion um das Weltflüchtlingsproblem.................................... 190
Das Weltflüchtlingsjahr 190 — Ein Weltproblem 193 — Die
Entpolitisierung und Entkonkretisierung der Sprache über
Flüchtlinge 197 — Neue Kernpfeiler der Flüchtlingspolitik:
Öffentlichkeitsarbeit und Forschung 199
4. Dauerhafte Strukturen für ein dauerhaftes Problem..............................202
Die Umwandlung des UNHCR in eine »unpolitische« Notfallein heit 202 — Ausweitung wider Willen 208 — Die Verstetigung
der Flüchtlingshilfe auf nationaler Ebene 211
5. Der lange Weg zum New York Protocol.................................................216
Der kurze Moment des Globalen Südens in Flüchtlingsfragen 216 —
Ein Dokument des Nachgebens: Das New York Protocol 221
6. Universalisierung mit Lücken.................................................................228
Das Scheitern der Asylkonvention 228 — ICEM und die verspätete
Globalisierung 233 — Die Verstetigung der UNRWA 237 — Flücht lingshilfe um 1960: Krise als Modus 243
IV. Flüchtlingshilfe am Beginn der 1970er Jahre
1. Weltpolitik und Migration im Wandel....................................................246
Flucht zwischen Detente und globalem Kalten Krieg 247 — Flucht in
der postkolonialen Welt 249 — Wirtschaftliche Rezession und huma nitäre Aufbrüche: Die ambivalenten 1970er Jahre 250
2. Bengalen 1971 255
Der Sezessionskrieg und die Flucht der Bengalen 255
3. Fahren auf Sicht.
Wie das größte UN-Hilfsprogramm seit 1945 entstand.......................... 260
Der Aufnahmestaat zwischen Modernisierung und Bevölkerungswachs tum 260 — Flüchtlinge als Randaspekt des Machtkonflikts 262 —
Kleine Schritte: Ein nationales Hilfsprogramm entsteht 268 — Die
Internationalisierung des Konflikts 272 — Die Involvierung der
Vereinten Nationen 276 — Die USA auf dem Subkontinent 279
4. 1971 als globales humanitäres Ereignis....................................................283
Sinkende Bedeutung der Flüchtlingsfrage in den USA 284 — Die
Innenpolitisierung der Flüchtlingshilfe 287 — Die Erzeugung von
Mitgefühl: Neue Strategien der Öffentlichkeitsarbeit 291 — 1971 als
Höhepunkt der neuen Kampagnentätigkeit 295 — »Die Reporter
sind Missionare«: Die Folgen der Aufmerksamkeit 298
5. Flüchtlingshilfe in der Praxis.................................................................... 306
Das humanitäre Selbstverständnis des UNHCR 306 — Die Konjunk turen der Hilfe 311 — Der UNHCR in Indien 314
Facetten der Hilfe 317 — Indien als Hauptakteur, Westbengalen als Zentrum der
Flüchtlingsaufnahme 321
6. Das Ende und die Folgen des Hilfsprogramms....................................... 327
Krieg im Dezember 326 — Die Rückkehr der Flücht linge 332 — Nachspiel 1973 334 — Flüchtlingshilfe am Beginn
der 1970er Jahre: Der UNHCR als Clearingstelle 337
V. Ausblick
Flucht seit den 1970er Jahren.................................................................... 342
Die Expansion und Überforderung des UNHCR seit 1970....................346
VI. Schluss. Geschichte der internationalen Flüchtlingspolitik
seit dem Zweiten Weltkrieg...................................................... 363
Dank.......................................................................................................... 371
Abkürzungsverzeichnis............................................................................ 373
Abbildungsverzeichnis............................................................................ 374
Quellen und Literatur............................................................................ 375
Quellen.......................................................................................................... .....
Archivalische Quellen 375 — Editierte Quellen 379 — Online Archive 380 — Filme 380 — Systematisch ausgewertete Zeitschrif ten und Zeitungen 381 — Congressional Records 381 — Gedruckte
Quellen /zeitgenössische Veröffentlichungen /graue Literatur 384
Literatur...........................................................................................................393