VERLAGSTEXT: / / Angetreten, Tabus zu durchbrechen, hat sich die Psychoanalyse selbst mit Tabus umgeben. Jürgen Kind zeigt ausgehend von einer Kritik am Konzept des Ödipuskomplexes, der einflussreichsten Theorie der Psychoanalyse, welche Folgen dies für die Theorieentwicklung, die Therapie, die Ausbildung künftiger Therapeuten und die Patienten hat. / Jürgen Kind beschäftigt sich mit dem Paradox, dass ausgerechnet die Psychoanalyse zu einem Hort von Tabuisierungen und Glaubens kämpfen geworden ist: Er arbeitet in seinem Buch folgende Tabus heraus, welche die Weiterentwicklung der Psychoanalyse behindern: / / / - das Dogma vom Vatermord als eine jedem Menschen innewohnende Intention, / - Grenzverletzungen in Therapien als einen von der Theorie mitgetragenen Vorgang, / - ein ans Religiöse grenzender Reinheits- und Wahrheitsbegriff. / / / Für den Wettstreit konkurrierender Disziplinen untereinander ist es nicht förderlich, sich auf Begri"e wie "Wahrheit" und "reine Lehre" zu berufen. Die Psychoanalyse wird sich, will sie weiter von Relevanz bleiben, daran gewöhnen müssen, dass sie lediglich eine unter vielen Arten ist, die Dinge zu betrachten.
REZENSION: "Der Autor ist ein bewundernswerter Kenner der Mythologie und der Geschichte der Psychoanalyse. Er kritisiert die Psychoanalyse von Grund auf, indem er den Ödipusmythos unter neuen Aspekten analysiert. Das Ergebnis ist beunruhigend, denn es geht um nichts weniger, als um eine radikale Auseinandersetzung mit dem mythologischem Fundament der gesamten Psychoanalyse. Vielleicht sollte man immer ergänzen, von einer Psychoanalyse die sich nach Meinung von Kind dogmatisch gebärdet und unentwegt die - vermeintlich - richtige Lehre vertreten will. Es ist bekannt, was Tabubrüche für Folgen haben, was Deutung und nachfolgende Widerstände auch bewirken können - im schlimmsten Fall - weitere Verdrängung und Totschweigen. Eine kleine Kritik muss ich anbringen: Ein solch umfangreiches, komplexes Buch braucht unbedingt ein Stichwortverzeichnis. Es ist ein Buch, das mich sehr bewegt hat. Ich wünsche ihm, dass es viele interessierte Leser finden möge und weiterführende Diskussionen bewirkt. Mir persönlich hat dieses sehr kritische Buch auch verdeutlicht, was ich der Psychoanalyse alles zu verdanken habe. Sie ist es wert, stetig weiterentwickelt zu werden." socialnet
AUS DEM INHALT: / Ödipus - Prokrustes 11 / Vorwort von Ulrich Streeck . 12 / Vorbemerkung 16 / Der Mythos von Ödipus 21 / / TEIL I DIE VERSÄUMTE FRAGE 27 / Plädoyer für einen Ödipus vor und nach dem Komplex / / 1 Theben 32 / 1.1 Der Beginn: Das Kind ohne Herkunft 33 / 1.2 Das Delphische Orakel 34 / 1.3 Laios - Erzeuger seiner eigenen Gefährdung 36 / 1.4 Warum Unsterblichkeit? . 39 / 1.5 Laios' Fehlinterpretation des Orakels 41 / / 2 Kithairon 46 / 3 Korinth 49 / 4 Tantalos und Poseidon, Laios und Polybos - Urbilder der gespaltenen Vaterimago . 54 / 5 Zur Umstrukturierung des negativen Vaterbildes 58 / 6 Delphi . 62 / 6.1 Delphi und die Wende zum Komplex 64 / 6.2 Zum Verlust der Kategorie "Generation" 72 / / 7 Schiste Hodos 74 / Ödipus' endgültige Wende zum Komplex / 8 Konfrontation im Hohlweg 77 / 9 Die Sphinx 84 / Hindernis oder Warnung? / 10 Zurück in Theben 87 / 11 Kolonos . 92 / Die zweite Verbannung und der Erwerb von Heiligkeit / / TEIL II SÖHNE, VÄTER, URVÄTER 103 / 1 Der Fall Orest 108 / 2 Ödipus - ein Brückenmythos 112 / 2.1 Vatermord oder Königsmord? 114 / 2.2 Typologie zur Geschichte des Vererbungsmodus 116 / / 3 Der Komplex aus der Sicht Freuds 119 / 4 Erweiterungen 122 / 5 Der Ödipusstoff in Mythen und Märchen anderer Kulturen 126 / 6 Prophezeiung, Verletzung/Wiedergeburt, Namensgebung 133 / 7 Ethnologische Befunde (Frazer) . 143 / 8 Freuds Projekt einer prähistorischen Verankerung des Ödipuskomplexes 147 / 8.1 Anmerkung zum Totemismus 149 / 8.2 Urhorde und Urvater - Freuds Theorie vom primären Patrizid 150 / 8.3 Weitere Kritik an der Theorie vom archaischen Erbe 154 / / TEIL III MISSBRAUCH UND GRENZVERLETZUNGEN IN PSYCHOANALYSEN 159 / 1 Verwirrungen um eine Theorie - das Jahr 1897 168 / 2 Der Wendepunkt 174 / Freuds Weg von Theben nach Delphi / / 3 Zum Schicksal des Subjekts in der frühen Psychoanalyse I . 181 / 4 Zum Schicksal des Subjekts in der frühen Psychoanalyse II 190 / 4.1 Der Dunkle Kontinent 190 / 4.2 Die eigene Idee - ein Tabu 195 / / 5 Zur Geschichte von Grenz verletzungen und Missbrauch in der Psychoanalyse 198 / 5.1 Emma Eckstein / Fließ / Freud . 199 / 5.2 Sabina Spielrein / Jung / Freud . 204 / 5.3 Freud / Frink / Bijur . 210 / 5.4 Zilboorg und das New Yorker Institut 211 / 5.5 Greenson / Monroe . 212 / 5.6 Godley / Khan / Winnicott und das Londoner Psychoanalytische / Institut . 213 / / 6 Psychoanalytische Weiterbildung/Lehranalyse . 219 / 6.1 Literaturrückblick . 221 / 6.2 Filiation 226 / 6.3 Realbeziehungen 229 / 6.4 Der Lohn für den Verzicht . 232 / / 7 Grenzübertretungen generierende Faktoren 237 / 7.1 Der Patient als Forschungsgegenstand . 237 / 7.2 "The Cause" - Im Dienste der Sache 238 / 7.3 Ödipuskomplex 240 / 7.4 Der eindringende Analytiker 241 / 7.5 Anmerkung zur Freqenzfrage - die klinische und die vereinspolitische Indikation 245 / / TEIL IV DER KOMPLEX UNTER DEM KOMPLEX 249 / 1 Eine Konkurrenz . 256 / 2 Dostojewski und die Vatertötung 262 / Zum Verbleib der negativen Vaterimago / 2.1 Dostojewskis moralische Verurteilung 266 / 2.2 Psychiatrisierung - Dostojewskis Epilepsie 267 / 2.3 Anmerkung zu Freuds Argumentationsstil 268 / 2.4 Dostojewski - Negativpol in Freuds Vaterimago 271 / 2.5 Die Brüder Karamasoff - eine Gefahr für den Ödipuskomplex? 273 / / 3 Zum Verbleib der negativen Mutterimago . 274 / 4 Der Komplex unter dem Komplex 279 / 5 Der verbotene Raum . 284 / 6 Die Phantasie vom leeren Raum 288 / 7 Die verführende Mutter und der überflüssige Vater . 293 / / TEIL V GLAUBE, HÄRESIE, SCHISMA 299 / Zur parthenogenetischen Illusion der Psychoanalyse / / 1 Von der Mittwoch-Gesellschaft zum Nürnberger Kongress . 308 / 1.1 Zürich - das psychoanalytische Tor zur Welt 313 / / 2 Der Nürnberger Kongress 317 / Zur machtpolitischen Grundstörung der Psychoanalyse / 2.1 Unvereinbarkeitsbeschlüsse 318 / 2.2 "Nürnberg 1910" - der erste Exodus von Wissenschaftlern / aus der Psychoanalytischen Gemeinde 326 / 2.3 Das Komitee 335 / / 3 Freuds kulturell-wissenschaftliches Umfeld 337 / / 4 Mosaische Unterscheidung und normative Inversion 342 / 5 Folgen der parthenogenetischen Illusion 351 / 5.1 Das Gold des Rumpelstilzchens 352 / / 6 Der Freud'sche Vater im Kontext der parthenogenetischen Illusion 356 / 6.1 Der Vatermord - Freuds archimedischer Punkt . 356 / 6.2 Der gezeugte und der nicht-gezeugte Vater 359 / 6.3 Zum "Ur" des Urvaters 363 / / 7 Schöpfungsprivilegien und Erstgeburt 368 / 7.1 Zur Besonderheit der Erstgeburt . 371 / 7.2 Maßnahmen zur Rettung des Schöpferstatus . 374 / / 8 Zum Dilemma psychoanalytischer Identität 376 / 8.1 Das Nachwuchsproblem . 379 / 8.2 Zum Prädikat "Wahrheit" 385 / 8.3 Die Eine Theorie und der Eine Schöpfer 387 / 8.4 Zum Briefwechsel Freud/Jung 389 / 8.5 Zur Bedeutung des Sündenbocks für die psychoanalytische / Community am Beispiel Jung und Ferenczi 391 / 8.6 Zum Verhältnis DPG / IPV 404 / 8.7 In gefährlicher Umgebung 408 / / 9 Warum Ödipus? 410 / / Literatur 414 / Danksagung 422 / Der Autor 423
Verfasser*innenangabe:
Jürgen Kind ; mit einem Vorwort von Ulrich Streeck
Jahr:
2017
Verlag:
Stuttgart, Klett-Cotta
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Systematik:
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PI.HPE
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ISBN:
3-608-96131-3
2. ISBN:
978-3-608-96131-7
Beschreibung:
421 Seiten : Diagramme
Sprache:
Deutsch
Fußnote:
Literatur: Seite 414 - 421
Mediengruppe:
Buch