Immer wieder wird die Bedeutung digitaler Medien als zeitgemäße Repräsentationen sich verändernder kultureller jugendlicher Alltagspraxis in ein nicht zulässiges, wissenschaftlich nicht begründetes, kausales Verhältnis zu Veränderungen intra- und interpsychischer Entwicklung in der Adoleszenz gesetzt. Gätjen zieht empirisch-klinisches Material als Herzstück ihrer Studie hinzu, in der es darum geht, den adoleszenten Entwicklungsprozess ins Verhältnis zu setzen zum Umgang mit digitalen Medien innerhalbdes psychotherapeutischen Behandlungsverlaufes. Darüber hinaus
werden Rückschlüsse auf Entwicklungsphänomene einer Generation, die mit diesem Medium aufgewachsen ist, diskutiert.
Die Potenzialität eines »Immer-online-Seins« wirft Fragen auf, die die Notwendigkeit des adoleszenten Ringens um Ablösung und Autonomie in den Mittelpunkt rückt. Gleichzeitig verdeutlicht sich eine neue behandlungspraktische Herausforderung: Sollte die ungestörte Situation innerhalb der analytischen Stunde, eine conditio sine qua non des psychoanalytischen Rahmens, verteidigt werden? Oder war der Gebrauch des Smartphones, welches diesen konstitutiven Rahmen mit seiner klaren Raum- und Zeitstruktur porös werden ließ, selbst als eine Art »Symptom« zu verstehen und ganz individuell aufzugreifen? Weiterhin wird der Blick auf die Frage geschärft, inwieweit die mittels digitaler Medien sich rasant vermehrenden Beziehungsoptionen einen Verlust oder eine Bereicherung oder einfach nur eine differenzierte Erweiterung
zwischenmenschlicher Beziehungsgestaltung in der adoleszenten Entwicklung darstellen und wie sich diese Frage in der klinischen Praxis ausloten lässt.
Inhalt
1. Einleitung 8
1.1 Die Fragestellung 9
1.2 Aufbau der Arbeit 13
2. Adoleszenz und Digitale Medien 14
2.1 Psychoanalytische Betrachtungen zur Adoleszenz 15
2.1.1 Ablösung von den Eltern heißt auch Ablösung der Eltern 18
2.1.2 Ein neuer Körper im Netz? 22
2.2 Digitale interaktive Kommunikation 24
3. Ein theoretischer Verständnisrahmen für die Beziehung zum Smartphone 27
3.1 Theoretischer Verständnisrahmen für die Beziehung zum Smartphone
aus psychoanalytischer Sicht 28
3.2 Die psychoanalytische Objektbeziehungstheorie 29
3.3 Der Begriff des Objekts in der Psychoanalyse 30
3.3.1 Partialobjekt von Melanie Klein 32
3.3.2 Primäres Objekt von Michael Balint 33
3.3.3 Übergangsobjekt von Donald W. Winnicott 33
3.3.4 Selbstobjekt von Heinz Kohut 35
3.3.5 Trianguläres Obj ekt von Emst Abelin 35
3.4 Das Smartphone als evokatives Objekt nach Sherry Turkle 36
4. Die Beziehung zum Smartphone aus interdisziplinärer Sicht 39
4.1 Smartphone - das Ein-Personen-Minipanoptikum 39
4.1.2 Statistische Daten zur Nutzung des Smartphones 40
4.1.3 Neue Kommunikationsformen unter den Peers
»Ich kann nicht ohne mein Smartphone« 43
4.2 Auf der Suche nach neuen Konzepten für neue Phänomene -
Nomophobie, FeMO, POPC. Sozialpsychologische Studien zum
Umgang mit dem Smartphone 45
4.3 Psychoanalytisch-kulturwissenschaftliche Diskurse zum Thema
neue Medien 52
4.3.1 Positiv getönte Forschungshaltungen 53
4.3.2 Kritische und kulturpessimistische Haltungen 59
4.4 Klinisch-psychoanalytische Fallberichte 63
4.5 Schlussfolgerungen aus dem klinischen Forschungsstand 71
5. Forschungsdesign 73
5.1 Einführung und Überblick 73
5.2 Die angewandten Forschungsmethoden im Einzelnen 75
5.2.1 Die empirische Einzelfallstudie im Hermeneutischen Feld 175
5.2.2 Die tiefenhermeneutische Textinterpretation im
Hermeneutischen Feld 2 78
5.3 Das forschungspraktische Vorgehen 81
5.3.1 Psychoanalytische Methoden 81
5.3.1.1 Das szenische Verstehen / das szenische Erstinterview 82
5.3.1.2 Übertragung - Gegenübertragung 87
5.3.1.3 Das teilnehmende Verstehen und Beobachten 89
5.3.1.4 Das Gedächtnisprotokoll 90
5.3.2 Die tiefenhermeneutische Textinterpretation 92
5.4 Das Untersuchungsverfahren vertikale und horizontale Analyse
in der Gruppe 93
5.4.1 Die Arbeitsschritte der Textinterpretation in dieser Studie 93
5.4.2 Modifizierter Leitfaden 94
5.4.3 Die horizontale Analyse im fallübergreifenden Vergleich 95
6. Präsentation der Ergebnisse 96
6.1 Einzelfallstudie 1: Marei 97
6.1.1 Hermeneutisches Feld 1:Darstellung des Prozessverlaufs 97
6.1.2 Hermeneutisches Feld 2: Tiefenhermeneutische Interpretation
der Gedächtnisprotokolle 102
6.1.2.1: Das szenische Erstinterview 102
6.1.2.2: Die mittlere Phase 110
6.1.2.3: Die Endphase 113
6.1.2.4: Zusammenfassende Betrachtungen 117
Zwei Zugänge zur Forschungsfrage 117
(1) Die sinnlich-symbolischen Interaktionsformen und deren Verlauf 117
Das Erklingen eines Signaltons - Exkurs 1 zum Smartphone
als evokativem Obj ekt 119
(2) Sprachlich-symbolische Interaktionen und deren Verlauf 119
6.1.2.5: Zusammenfassung der Beziehungsdynamiken
und Bedeutungen 124
6.2 Einzelfallstudie 2: Herr A. 124
6.2.1 Hermeneutisches Feld 1: Darstellung des Prozessverlaufs 124
6.2.2 Hermeneutisches Feld 2: Tiefenhermeneutische Interpretation
der Gedächtnisprotokolle 128
6.2.2.1: Das szenische Erstinterview 128
6.2.2.2: Die mittlere Phase 132
Exkurs: Enactement 133
6.2.2.3: Die Endphase 139
6.2.2.4: Zusammenfassende Betrachtungen 141
6.2.2.5: Zusammenfassung der Beziehungsdynamiken
und Bedeutungen 144
6.3 Einzelfallstudie 3: Fritz 145
6.3.1 Hermeneutisches Feld 1: Darstellung des Prozessverlaufs 145
6.3.2 Hermeneutisches Feld 2: Tiefenhermeneutische Interpretation
der Gedächtnisprotokolle 152
6.3.2.1: Das szenische Erstinterview 152
6.3.2.2: Die mittlere Phase 157
6.3.2.3: Die Endphase 163
6.3.2.4: Zusammenfassende Betrachtungen 167
Exkurs: Rückzüge 171
6.3.2.5: Zusammenfassung der Beziehungsdynamiken 172
6.4 Einzelfallstudie 4: Sabine 173
6.4.1 Hermeneutisches Feld 1: Darstellung des Prozessverlaufs 173
6.4.2 Hermeneutisches Feld 2: Tiefenhermeneutische Interpretation
der Gedächtnisprotokolle 179
6.4.2.1: Das szenische Erstinterview 179
6.4.2.2: Die mittlere Phase 185
6.4.2.3: Die Endphase 190
6.4.2.4: Zusammenfassende Betrachtungen 191
6.4.2.5: Zusammenfassung der Beziehungsdynamiken 195
7. Diskussion der Befunde 196
7.1 Die horizontale Analyse im fallübergreifenden Vergleich 196
7.2 Der Körper - die Affekte und das Smartphone 197
7.2.1 Affektregulation und das Smartphone als Drittes 197
7.2.2 Hand und Haut 198
7.2.3 Auf der Grenze von innen und außen - Subjekt oder Objekt? 202
7.2.4 Das Smartphone als digitale Nahkörper-Technologie 204
7.3 Nicht da, Nicht fort... Teilanwesenheit in Abwesenheit 205
7.4 Kontaktwunsch versus Rückzug 209
7.5 Die Spiegelungsfunktion des Smartphones und spiegelnde Selbstobjekte 212
7.5.1 Von der Hand in die Tasche 215
7.5.2 Ein Beziehungsgeflecht: Smartphone - Analytikerin - Patient 215
8. Abschließende Betrachtungen und Ausblick 220
Literatur 224