Herbert Silberer (* 28. Februar 1882 in Wien; † 12. Januar 1923) war ein österreichischer Psychoanalytiker. Er gehörte dem Kreis um Sigmund Freud an und war Ideengeber Carl Gustav Jungs.
Silberer war der Erste, der den Versuch unternahm, eine symbolische, psychologische und psychoanalytische Deutung eines alchemischen Textes vorzunehmen. Damit erweitert er die Deutung der Psychoanalyse und bildet ein Brückenglied zu der jungschen symbolischen, archetypischen Deutung der Träume und ihrer Symbolik hin zum Individuationsprozess.
In seinem Hauptwerk "Probleme der Mystik und ihrer Symbolik" (1914), das bis heute sowohl psychologisch wie alchemisch bedeutsam geblieben ist, arbeitet er den Prozesscharakter und die teleologische Bedeutsamkeit der Alchemie heraus und übersetzt dessen Sprache in einen psychologischen Diskurs. Silberer nahm sich eine längere Passage aus dem Buch "Die Geheimen Figuren der Rosenkreuzer" aus dem Jahre 1785 vor, Parabola genannt. In der Einleitung schreibt Silberer programmatisch: "In einem alten Buche fand ich eine seltsame Erzählung, "Parabola" benannt. Ich stelle sie an den Ausgangspunkt meiner Betrachtungen, weil sich aus ihr ein willkommener Leitfaden ergibt. In der Bemühung, die Parabola zu verstehen und psychologisch zu durchdringen, werden wir veranlasst, jene phantastischen Gebiete zu durchwandern, in welche ich den Leser führen möchte. Am Schlusse unserer Wanderung werden wir dann mit dem Verständnis des ersten Beispieles zugleich die Kenntnis gewisser psychischer Gesetzmäßigkeiten erworben haben." Nach der Einleitung und dem Abdruck der "Parabola" beginnt der analytische Teil. Zuerst versucht er eine psychoanalytische Deutung, um dann Alchemie, Hermetische Kunst, Rosenkreuzerei und Freimaurerei zur Interpretation heranzuziehen. Das besondere ist der Versuch einer "mehrfachen Deutung" des Textes, der auf unterschiedliche Lesarten gelesen wird - und diese zulässt - und nicht (!) auf eine psychoanalytische Deutung allein reduziert wird bzw. werden kann. Im dritten Teil vertieft er seine Vorgehensweise.
Silberers Interesse galt der Entwicklung der Symbole, ihrer Sprache und Bedeutung. Er fühlte sich als Transformator, als Übersetzer der "alten" Symbolsprache in eine "psychologische" Sprache und damit in eine wieder zugängliche Wirklichkeit. Hier leistete er C. G. Jung Vorarbeit. Man kann ihn als Wegbereiter einer archetypischen Tiefenpsychologie ansehen. Sein Werk ist heute immer noch aktuell.
Silberer sprach in einem Vortrag am 1. November 1922 zum Thema "Beobachtungen an Träumen" die Übertragung an und betonte den Unterschied zwischen materialer (inhaltlicher) und funktionaler Symbolisierung. Wenige Monate nach diesem Vortrag nahm sich Silberer das Leben. Zuvor erhielt er einen ablehnende Brief Freuds, was mit seinem Freitod in Verbindung gebracht wurde. Über die Hintergründe und die Umstände des Todes hieß es in der "Neuen Freien Presse", Wien, vom 12. Januar 1923: "Auf tragische Weise hat heute Nacht der Schriftsteller Herbert Silberer geendet. Er hatte sich in seiner Wohnung (...) im Zustande geistiger Überreiztheit erhängt und wurde tot aufgefunden. Herr Silberer (...) hatte in der letzten Zeit Spuren nervöser Erkrankung gezeigt… Silberer war ein bekannter Schriftsteller. Er fungierte als Redakteur der Zeitung des Österreichischen Aeroklubs und hat sich auch viel mit Problemen der Metaphysik und der Telepathie usw. befaßt, die er wissenschaftlich behandelte."
Silberer erhängte sich - ein in seiner Tragödie möglicherweise durchaus bewusst gewählter symbolisch aufzufassender Akt der Selbsttötung - am Fensterkreuz.
Verfasser*innenangabe:
Herbert Silberer. Hrsg. und mit einem Nachw. vers. von Michael Turnheim
Jahr:
1988
Verlag:
Wien, Hora-Verl.
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Systematik:
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ISBN:
3-213-00011-6
Beschreibung:
1. Aufl., 194 S. : graph. Darst.
Sprache:
Deutsch
Fußnote:
Literaturangaben
Mediengruppe:
Buch