Differenzierter ging es auf der zweiten Platte zu, so trashig wie das Debüt über weite Strecken geklungen hatte, klang der Zweitling nicht. An Power hatten die Drei aber nichts verloren. Die Eröffnungsnummer "Feathers From Your Tree" zeigte schon einmal, dass Dickie Petersons Bemühungen, gesanglich so melodiös als möglich zu klingen, nicht umsonst waren, was durch die Verdopplung seiner Stimme und durch eine entsprechende Studiotechnik gelang, wie überhaupt die Möglichkeiten des Tonstudios gut und häufig genutzt wurden bei der Produktion dieses Albums: Hatte "Vincebus Eruptum" über weite Strecken wie ein Live-Album geklungen, so war "Outsideinside" tatsächlich eine Studioplatte, wo sich die Band beispielsweise auch des damals modern gewordenen Phasing Jet-Effekts bediente. Nicht nur die Eröffnungsnummer, sondern auch Tracks wie "Sun Cycle", "Just A Little Bit" und "Gypsy Ball" klangen differenzierter, ließen in Refrains und schnellen Teilen aber erkennen, dass das Trio an Härte und Tempo nicht nachgelassen hatte. In straighten Rockern wie "The Hunter" und "Come And Get It" ließen sie dann ohnehin total die Rock-Sau heraus, simpel hingeknallter Powerrock, der 1968 in dieser Form noch sehr selten war.
7 der 9 Tracks waren Eigenkompositionen und nur mehr 2 Covers, wobei jenes von "Satisfaction" wohl nie unumstritten war: Welchen Sinn es haben sollte, einen der absoluten Stones-Klassiker zu covern, und dazu noch in der Länge von 5 Minuten, war wohl damals schon fragwürdig, man muss Blue Cheer hier aber immerhin zugestehen, dass ihnen damit ein originelles und hartes Stück gelungen war, das sich vom Original auch ausreichend losgelöst hatte (was gerade in vokaler Hinsicht notwendig war – Peterson war nicht Jagger). Eine wohl zu allen Zeiten unumstrittene Coverversion war hingegen "The Hunter", was für ein Kracher!
Dass Led Zeppelin und Deep Purple dieses Albums gekannt haben dürften, wird für mich deutlich, wenn ich mir Led Zeppelins "How Many More Times" (wo "The Hunter" zitiert wird) und Deep Purples "Into The Fire" (das Riff einmal mit dem von "Gypsy Ball" vergleichen, bitte schön) in Erinnerung rufe. Aber das hat man in den späten Sechzigern nicht so genau genommen, so wie es Blue Cheer mit der Erwähnung von "I See Nothing" von Elmore James bei der Schlussnummer "Babylon" nicht so genau nahmen. Heute haben wir das andere Extrem: Jeder Ton, jede Textzeile, jedes Riff, alles, was man von wo zitiert oder gesampelt hat, muss am CD-Booklet entsprechend erwähnt und der zuständigen Behörde gemeldet werden, aber das nur nebenbei.
"Outsideinside" hatte eines der schönsten Albumcovers von 1968, und verkaufte sich längst nicht mehr so gut wie das Debüt, in den Billboard-Charts reichte es nur auf Platz 90. Gitarrist Leigh Stephens verließ nach diesem Album die Band, in den Folgejahren gab es mehrere Besetzungswechsel (bei der ersten Auflösung 1972 war von der Originalbesetzung nur noch Peterson übrig), und auch mehrere stilistische Kapriolen, was dazu führte, dass sich Kritiker und die breite Masse der Plattenkäufer und Konzertbesucher immer weniger für die Gruppe interessierten. Kein Wunder, dass so ihre Pionierrolle in Bezug auf Metal in Vergessenheit geriet. Was aber an der Tatsache, dass Blue Cheer diese Pionierrolle zusteht, nichts ändert. Wer dieses Album nicht kennen sollte, oder nur als zerkratzte Vinyl-Scheibe oder schlecht überspielte CD besitzt, ergattert mit dem Kauf dieser vorliegenden Sundazed-Edition aus 2012 jedenfalls eine exzellent klingende, sehr gut remasterte Platte (wo Bob Irwin drauf steht, weiß man auch, was dann auf einer CD zu erwarten ist), wie "Vincebus Eruptum" auch mit einem ganz hervorragenden CD-Cover, und die Scheibe selber mit dem Philips-Logo von 1968.
M. Robert Ganser
Jahr:
2012 (1968)
Verlag:
Sundazed Records
Enthaltene Werke:
Feathers From Your Tree, Sun Cycle, Just A Little Bit, Gypsy Ball, Come And Get It, (I Can't Get No) Satisfaction, The Hunter, Magnolia Caboose Babyfinger, Babylon
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