Menschen, die infolge von Gewaltkonflikten oder Naturkatastrophen in eine humanitäre Notlage geraten sind, benötigen Hilfe. Diese ethische Selbstverständlichkeit hat mit der Gründung des Roten Kreuzes vor mehr als 150 Jahren einen institutionellen Rahmen bekommen.
Seitdem ist die humanitäre Hilfe, also das organisierte und professionelle Helfen in humanitären Krisen und Katastrophen, stark gewachsen. Humanitäre Organisationen sind fast weltweit aktiv.
In der Praxis erweist sich die humanitäre Hilfe als eine große Herausforderung. Hilfsorganisationen stehen unter einem hohen Erwartungs- und Zeitdruck: Sie sollen schnell, effektiv und reibungslos Hilfe zum Überleben leisten. Die Hilfe soll unparteiisch, neutral und nachhaltig sein und sich allein an den Bedürfnissen der betroffenen Menschen orientieren. Staatliche Geber, private Spender und auch die Hilfeempfänger verlangen Rechenschaft über den sinnvollen Einsatz der Hilfsgelder.
Seit Jahren nehmen Naturkatastrophen in Zahl und Umfang zu. Gewaltkonflikte entwickeln sich zu chronischen Krisen mit einer Kriegswirtschaft, die es schwieriger macht, die Betroffenen zu unterstützen. Die Helferinnen und Helfer sehen sich konfrontiert mit zunehmend komplexeren Notlagen, divergierenden Geberinteressen, politischer Einflussnahme und konkurrierenden Hilfsangeboten. Sie geraten zwischen die Fronten und werden Opfer von gewaltsamen Übergriffen. Auch Missbrauch und politische Instrumentalisierung kommen vor.
Dieses Buch trägt zu einem besseren Verständnis von humanitären Krisen und ihren Folgen bei. Es zeigt, wie sich die humanitäre Hilfe in einem internationalen System entwickelt hat und wie die verschiedenen Akteure ihre Rolle definieren und ausfüllen. Es zeigt auch, wie schwierig es ist, dem hohen ethischen Anspruch an unparteiische und von politischen Interessen unabhängige Hilfe gerecht zu werden.
Die Autorinnen und Autoren - Vertreter von Hilfsorganisationen und Wissenschaft - zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven auf, wie humanitäre Hilfe zwischen Anspruch und Wirklichkeit versucht, dem weltweit wachsenden Hilfebedarf gerecht zu werden.
/ AUS DEM INHALT: / / /
1. Einführung 1
Jürgen Lieser und Dennis Dijkzeul
Teil I Theorie und Grundlagen 7
2. Was ist humanitäre Hilfe? 9
Jürgen Lieser
3. Alles Brüder? Eine kurze Geschichte der humanitären Hilfe 29
Ulrike von Pilar
4. Das Mandat der humanitären Hilfe:
Rechtsgrundlagen und Prinzipien 55
Heike Spieker
Teil H Das humanitäre System 75
5. Das internationale humanitäre System und seine Akteure 77
Dennis Dijkzeul und Dieter Reinhardt
6. Alte und neue staatliche Geber: Auf dem Weg zu einem
universellen humanitären System? 105
Andrea Binder, Alexander Gaus und Claudia Meier
7. Die deutsche humanitäre Hilfe 127
Lioba Weingärtner und Ralf Otto
8. Almosenempfänger oder selbstbewusste Akteure?
Die Rolle der lokalen Partner 147
Oliver Müller
9. Humanitäre Hilfe - für wen? 157
Katharina Behmer
10. Humanitäre Hilfe und Medien 171
Markus Moke und Maria Rüther
Teil III Humanitäre Hilfe in der Praxis 183
11. Naturkatastrophen und ihre Ursachen 185
Thorsten Klose
12. Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität in Gewaltkonflikten . 211
Hans-Joachim Heintze
13. Katastrophenmanagement 223
Peter Schmitz
14. Katastrophenvorsorge: Sind Katastrophen vermeidbar?
Von der Reaktion zur Prävention 253
Karl-Otto Zentel
Teil IV Qualität in der humanitären Hilfe 271
15. Qualitätsstandards in der humanitären Hilfe 273
Manuela Roßbach
16. Humanitäres Personal: Anforderungen an die Professionalität 295
Jürgen Lieser
17. Rechenschaft und Transparenz 305
Ralf Otto
18. Korruption und Korruptionskontrolle 319
Georg Cremer
Teil V Herausforderungen der humanitären Hilfe 331
19. Humanitäre Dilemmata: Anspruch und Wirklichkeit der
humanitären Prinzipien 333
Beat Schweizer
20. Do No Harm - Humanitäre Hilfe in Konfliktsituationen 351
Wolfgang Jamann
21. Militärinterventionen im Namen der Humanität? 363
Jochen Hippler
22. Zwischen Distanz und Kooperation: Das schwierige Verhältnis
von Streitkräften und humanitären Helfern 389
Peter Runge und Bodo von Borries
23. Bilanz, Perspektiven, Herausforderungen 409
Jürgen Lieser und Dennis Dijkzeul
Glossar 423