Warum denken Menschen ökonomisch? Wann entdecken sie diese Denkform? Auf welche individuellen und gesellschaftlichen Probleme ist das Ökonomische eine Antwort? Was ist das überhaupt, das Ökonomische? Die vorliegende Arbeit versucht, die hier aufgeworfenen Fragen an ihrem Ursprungsort zu klären, im Moment ihres Entstehens. Der aber liegt nicht im England des 18. Jahrhunderts, sondern ist identisch mit dem Ursprungsort europäischer Kultur überhaupt: dem antiken Griechenland. Gegenstand der Analyse ist der Prozess der konstituierenden Entdeckung des ökonomischen Raumes als spezifischer Handlungssphäre durch das griechische Denken vom Homer bis Aristoteles. Anhand eines Durchgangs durch einen großen Teil der erhaltenen Primärquellen und in Auseinandersetzung mit anderen Theorieansätzen (Weber, Polanyi, Finley, Schumpeter u.a.) versucht Wieland den Nachweis zu führen, dass das Griechische nicht nur über eine Vorstellung von der Wirtschaft als menschlicher Handlungssphäre verfügte, sondern diesen Rahmen bewusst konstituierte in dem Versuch, den Zerfall der griechischen Polisgemeinschaft zu verhindern. Dabei werden die Primärquellen besonders unter den Gesichtspunkten des Zusammenhangs von gesellschaftlicher Institutionenentwicklung und Entwicklung ökonomischer Analytik, der Ausdifferenzierung verschiedener Rationalitätstypen und Gegenstandsbereiche der Ökonomie, der koevolutiven Entwicklung von Ethik (Philosophie) und Ökonomie sowie der Ausdifferenzierung distinkter ökonomischer Kategorien (Denkformengeschichte) analysiert.
'Josef Wielands "Entdeckung der Ökonomie" ist auch heute noch, nach 20 Jahren, eine Entdeckung; es gibt kein vergleichliches Buch, das die Entstehung des ökonomischen Denkens aus dem Geist der Antike so fundiert wie überzeugend rekonstruiert. Das ökonomische Denken erweist sich als ein originär europäisches Konzept und weitaus breiter angelegt, als uns die modern economics heute vorkommt.' (Birger P. Priddat)
Aus dem Inhalt:
Einleitung
I. Das Ökonomische und die Evolution seiner Kategorien 23
II. Epistemologische und methodische Voraussetzungen
einer Theorie des Ökonomischen und ökonomischer Kategorien 38
Erster Teil
Das Wirtschaften im Erfahrungshorizont der homerischen
und archaischen Lebenswelt 55
Erstes Kapitel
Der Schild des Achilleus 57
I. Soziale Institutionen: Oikos, Gabentausch, Beutewirtschaft 58
II. Epos und mythische Reflexion 66
Zweites Kapitel
Die Grundtatsachen des Wirtschaftens in der Welt des Mythos 75
I. Der Mangel 77
II. Der Erwerb: Arbeiten, Herstellen, Tauschen, Beute 83
III. Der Reichtum 96
IV. Die erste Ordnungskonzeption des Wirtschaftens: Hesiod 100
Drittes Kapitel
Der institutionelle Zerfall der archaischen Welt: Ursachen und
Antworten 113
I. Der Zerfall von Oikoswirtschaft und Gabentausch: Interferenz
von Gabentausch und Warentausch 115
II. Die Triebkräfte gesellschaftlicher Rationalisierung und das
Aufscheinen differenter Bezugsmuster 121
20 Gliederung
III. Das Aufscheinen der Ökonomie am Horizont der archaischen Welt. 141
Zweiter Teil
Die Entstehung der Ökonomie 147
Viertes Kapitel
Denken bringt Wohlstand 149
I. Personen und Orte 152
II. Dauer: Prognosen 159
III. Gemeinschaft: Utilitaristisches Wissen 174
IV. Form: Ordnungen und Relationen 180
V. Nostalgisches Zwischenspiel.. 190
Fünftes Kapitel
Der ordnende Geist 193
I. Die Denker: Heraklit, Parmenides, Anaxagoras.................................. 196
II. Der Mann der Praxis: Perikles 206
Sechstes Kapitel
Bruch und Kontinuität:
Die Transformation des Wirtschaftens in die Ökonomie 217
I. Marktintegration 219
II. Der Nutzen der Natur und der Nutzen der Arbeit 226
III. Geld als ethisch guter Reichtum 235
IV. Nutzen und Gerechtigkeit.. 241
V. Begehrungsvermögen und Hedonismus 251
Siebtes Kapitel
Die Wissenschaft von der Ökonomie 259
I. Die sophistische techne 262
II. Sokrates' Frage nach dem Was 269
III. Oikonomikos, Oikonomos, Oikonomike, Oikonomia 273
IV. Kataskeuazesthai 283
Gliederung 21
Dritter Teil
Kategorien, Gegenstandsbereiche und Rationalitätstypen
der Ökonomie an ihrem Ursprung 293
Achtes Kapitel
Die Kategorien der Ökonomie 295
I. Kategorien der Produktion:
Natur (physis), Arbeit und Herstellen (ponos, er gon) 298
II. Kategorien der Zirkulation:
Markt (agora), Tausch (metabletikos) und
Wettbewerb iphiloneikeos 302
III. Fundamentalkategorien: Geld (nomisma), Wert (axial),
Nutzen (aphelia, chresimos), Mangel (chreia),
Begehren (epithyma) 308
Neuntes Kapitel
Gegenstandsbereiche und Rationalitätstypen der Ökonomie 323
I. Repräsentation von Dauer, Gemeinschaft und Form 324
II. Die Gegenstandsbereiche der Ökonomie 327
III. Rationalitätstypen im ökonomischen Raum 332
IV. Die Semantik des Begriffs oikonomia 337
Vierter Teil
Platon: Das Ökonomische als eine Form des Wissens 351
Zehntes Kapitel
Platons Analyse und Konsequenzen aus der Existenz
des Ökonomischen 353
I. Die Lehren aus der Geschichte und die aktuellen Probleme der
athenischen Polis 356
II. Die anthropologische Bestimmtheit des Menschen
und die Ambivalenz des Ökonomischen 378
22 Gliederung
Elftes Kapitel
Das Ökonomische als eine Form des Wissens 395
I. Die ökonomische techne zwischen Meinen (doxa)
und diskursivem Denken (dianoia) 396
II. Das Einrücken der Ökonomie in ihre Ordnung 407