Keller Heinrich, Arzt und Schriftsteller. * Jaroslau (Jaroslaw, Galizien), 5. 12. 1866; † Theresienstadt (Terezín, Böhmen), 14. 4. 1943. Stud. an der Univ. Wien, 1891 Dr. med., später Facharzt für Kinderheilkde., Vorstandsmitgl. der Wr. Ärztekammer und (ab 1905) Redakteur der „Österreichischen Ärztezeitung“. Außer ärztlichen und pädagog. Fachschriften verfaßte K. mehrere Romane, die fast alle soziale Themen zum Vorwurf haben.Als Pädagoge zeigte K. in seiner „Kindergeschichte für Eltern“ Erzähltalent, wenn auch die Probleme in der Welt des Kindes fallweise theoret. gestellt scheinen; doch der intellektuellen Schärfe verbindet sich mildernd die Wertung des persönlich-natürlichen Lebensanspruches. In den sozialkrit. Romanen sind die gebrachten Übel vielfach real erfaßt: so die polit. und gesellschaftlichen Intrigen und die meinungsbeherrschende Rolle einer jeweiligen sozialen Übermacht. Allerdings bleibt K. selbst nicht frei von der Anwendung tendenziöser Machtmittel, wie dem des herrschenden Standesvorurteiles oder des unlauteren Gebrauches der Sprache im gängigen Schlagwort. Doch schon die Kennzeichnung des für den Aufstieg nominierten Menschenwesens mit Fähigkeit, Idealismus und gutem Willen ist beachtlich.
In seinem Werk "Vernünftige und unvernünftige Mütter" von 1917 beschreibt Dr. Heinrich Keller (1866¿1943), was Mütter seiner Meinung nach so alles falsch machen. In vier Kapiteln beschäftigt er sich mit den verschiedenen Altersstufen: dem Säugling, dem vorschulpflichtigen Kind, dem Schulkind und dem heranreifenden Kind.
Gleich zu Beginn lässt Keller uns wissen, dass der Mensch sich zu etwas höherem entwickelt hätte und somit nun über den Tieren und der Natur stünde. Instinkt habe in der Kinderstube nichts zu suchen. Er habe der Wissenschaft zu weichen, meint Keller. Unvernünftige Menschen gehören seiner Meinung nach zu denen, die nicht wissen, was sie tun. Und so macht Keller es sich zur Aufgabe, Müttern vorzuhalten, was sie alles nicht wissen.
Es handelt sich hier nicht um ein Aufklärungsbuch oder einen Erziehungsratgeber. Es ist eine Hetzschrift gegen Mütter.
Dinge, die Keller in der Säuglingszeit unvernünftig findet:
Instinkt
Beschränkung der Kinderzahl in einer Familie
Lebensumstände, die eine Beschränkung der Kinderzahl notwendig machen
Einzelkinder
Frauen, die keine Kinder wollen
Nichtstillen
restriktive Diäten für Stillende
aus Unwissenheit frühzeitig abzustillen oder zuzufüttern
vor Ablauf von 4 Stunden wieder zu stillen
Kinder nachts zu beachten
Kinder zu fördern
anderen stolz zu zeigen, was das Kind schon kann
Kinder zu warm einzupacken und "vor jedem Lufthauch bewahren"
Windeln nicht richtig auszukochen
Nabelbinden, die mehr als eine dünne Gazebinde sind
Mützchen, die die Ohren bedecken
Kinder im Winter nicht nach draußen zu bringen
Schnuller und Flaschensauger in den eigenen Mund nehmen
ewige Angst vor Verkühlung
Keine Angst vor Bakterien und Ansteckung zu haben
Angst vor Bakterien und Ansteckung zu haben
Zahnen mit Fieber in Verbindung zu bringen
dem zahnenden Kind ständig in den Mund zu fassen
Ausschläge nicht zu behandeln, weil der Aberglaube sagt, dass der Ausschlag sonst "nach innen schlägt" und Hirnhautentzündungen verursache
Schnuller, wobei der mehrfach täglich ausgekochte Schnuller dem Fingerlutschen vorzuziehen sei
Beschneidungen, wobei er sich nicht näher dazu äußert, "da religiöse Vorurteile nicht einman von der Hygiene bekämpft werden können"
Ohrlöcher stechen lassen
Nichtimpfen
Was dieses Buch wertvoll für die Erforschung der Geschichte der Säuglingspflege macht, sind die Fülle an Aberglauben und verbreiteten Praxen, die darin geschildert werden. Es schafft so einen Einblick in die realen Lebensumstände der damaligen Zeit. Ebenso kann man dem Buch klar entnehmen, wie sich die Sicht auf die Erziehung und Pflege durch den Fortschritt in der Medizin gewandelt hat und mit welcher Hochnäsigkeit sich die Gelehrten über die Erfahrungen von Müttern gesetzt haben.