Das muslimische Kopftuch kann als „kultureller Code" verstanden werden, der je nach sozialen, politischen und individuellen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen erhält. So ist das Kopftuch keineswegs nur als Symbol für patriarchale Unterdrückung und/oder islamischen Fundamentalismus zu bewerten, sondern kann auch Ausdruck einer bewussten Selbstverortung sein und emanzipatorische Elemente beinhalten. Diese Aspekte werden in vorherrschenden Diskursen aber kaum zur Sprache gebracht. Es dominiert eine Sichtweise, welche die emanzipierte, unverschleierte Frau als Vertreterin des „fortschrittlichen Westens" der unterdrückten Kopftuchträgerin als Repräsentantin der „rückschrittlichen islamischen Welt" gegenüberstellt.
Tendenzen zur Polarisierung und Vereindeutigung finden sich aber nicht nur in dominanten Diskursen, sondern auch in Gegen-Diskursen, in denen in einer Art Perspektivenumkehr die befreite Kopftuchträgerin als Gegenpol der unbefreiten Nicht-Kopftuchträgerin entworfen wird.
Im vorliegenden Band werden verschiedene vereindeutigende Perspektiven auf ihre kontextspezifische Genese, ihr Aufeinanderbezogensein und ihre Wirkmechanismen hin befragt.
Im Zentrum stehen „Gespräche über das Kopftuch", die mit in Österreich lebenden muslimischen Frauen – großteils Kopftuchträgerinnen – geführt wurden. Was bedeutet es für Frauen, in einer von Differenz- und Hierarchieverhältnissen durchdrungenen Gesellschaft Kopftuch zu tragen? – lautet die zentrale Fragestellung der qualitativen Studie.
/ AUS DEM INHALT: / / /
Inhaltsverzeichnis
Dank 11
, Einleitung 13
Zum Aufbau des Buches 14
Islam - Muslime - Kopftuch ... 15
Islam, Muslime und Kopftuch in Österreich 17
Persönliche Reflexionen
1 Eigenes und Fremdes 21
Aus- und eingegrenzt 25
Unterdrückt und selbstbewusst? 27
Weit weg 29
Das "Türkenhäusl" 30
Ver-rückt und er-innert 31
Theoretische Einblicke
2 Dominante Blicke 37
Bilder vom Islam und vom Orient 39
Ismailiten und Sarazenen 39
"Türkengefahr" 41
Orientschwärmerei 43
Orientalismus 44
Exotismus und Xenophobie 46
Exotischer Orient - gefährlicher Islam 48
Befreiende Entschleierung? 51
Legitimierende Zuschreibungen 51
Die Macht des Blickes 52
Sehen und Gesehenwerden 53
Unsichtbare Schleier 55
Verschleiernde Frauenblicke 57
Selbst- und Fremdbilder reisender Frauen 57
Entlastende Bilder von Kopftuchträgerinnen 59
Zwischenreflexionen: Alternative Wahrheiten 62
3 Gegen-Blicke
Die Stimmen "der" Männer und der Kampf um "die" Frauen
Patriarchale Emanzipationsprojekte
Islamismus als Lösung für die Belastungen der Modernisierung?
Die Stimmen "der" Frauen und der Kampf um Selbstbestimmung
Vielstimmige Frauenbewegungen
Neo-Musliminnen in der Migrationsgesellschaft
4 Forschende Blicke
Defizitäre Festschreibungen
Die These vom Kulturkonflikt 83
Kultur als "Natur" 86
Rassismus - Klassismus - Nationalismus - Sexismus 88
Rassismus - ein gesellschaftliches Verhältnis 90
Ver-Rückungen 92
Un-eindeutige Kultur(en) und ent-grenzte Identität(en) 92
Identität, Differenz und Anerkennung 93
Widerständige Subjekte 96
Zwischenräume 99
Schlussfolgerungen für den empirischen Teil 102
Empirische Annäherungen
5 Auf Spurensuche 105
Erkenntnisinteressen 106
Reflexion des Forschungsprozesses 107
Workshop "Kopftuch im Islam" 107
Interviewanfrage 109
Interviewdurchführung 111
Auswertungsschritte 113
Gespräche über das Kopftuch 114
Die Transkripte 114
Interviewpartnerinnen - biografische Eckpfeiler 115
Das Interviewkonzept 118
Das Auswertungsverfahren GABEK® 120
Theoretische Hintergründe zur "sprachlichen Gestalt" 120
Die Entstehung eines Gestaltenbaums 121
Der Gestaltenbaum 122
Aussagekraft und Grenzen des Gestaltenbaums 122
Eine tiefenhermeneutische Suchbewegung 124
Verstehensschritte 124
Die szenische Arbeit an den Interviews 126