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Religion fällt nicht vom Himmel

die ersten Jahrhunderte des Islams
Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Goetze, Andreas
Verfasser*innenangabe: Andreas Goetze
Jahr: 2013
Verlag: Darmstadt, WBG
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

Im Großraum Syrien liegt die Wiege von Islam, Judentum und Christentum: eine Region voller spannender Begegnungen und wechselseitiger Beeinflussungen. Andreas Goetze nimmt den Leser mit auf eine interessante Reise zu den gemeinsamen Ursprüngen der drei monotheistischen Weltreligionen und zeichnet die Entstehungsgeschichte des Islams nach. Mit einem Begriffslexikon, einer Übersicht zum arabischen Alphabet, Karten und Abbildungen sowie einer vergleichenden Chronologie.
 
/ AUS DEM INHALT: / / /
Rezension von Andreas Goetze, "Religion fällt nicht vom Himmel - Die ersten Jahrhunderte des Islams", Darmstadt 2011, S. 496, mit zahlreichen Münzabbildungen, einem Begriffslexikon, einem Sach-, Personen und Ortsregister, einem Bibelstellen- und Surenverzeichnis sowie einer vergleichenden Chronologie, € 59,90 (für Mitglieder der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft € 39,90)Andreas Goetze ist ein glänzend und flüssig geschriebener Diskussionsbeitrag zu einem gleichermaßen aktuellen wie brisanten Thema gelungen, der auch für interessierte Laien gut nachvollziehbar ist. Die Arbeit besticht dadurch, dass sie keine gekünstelte Akademikersprache kennt und trotzdem eindeutig wissenschaftlich ist. Wie hängen Judentum, Christentum und Islam zusammen? Was trennt sie wirklich? Was lässt sich als gemeinsames Erbe festhalten? Goetze nimmt die Leser mit auf eine spannende "Zeitreise" in die Zeit des 4.- 9. Jahrhunderts im Großraum Syrien (dem Gebiet vom Mittelmeer bis nach Mesopotamien) und macht mit den gesellschaftlichen, kulturellen und religionspolitischen Entwicklungen jener Zeit vertraut. Dadurch werden die vielfältigen gemeinsamen Wurzeln von Judentum, Christentum und Islam sichtbar.Seine Darstellung unterscheidet sich von dem herkömmlichen islamischen Selbstverständnis der Anfänge des Islams: Muhammad, der von 570-632 lebte, hat die Offenbarungen Allahs verkündigt, die kurz nach seinem Tod unter dem dritten Kalifen Uthman zum heutigen Qur'ân zusammengestellt worden sind. Die darauf folgende kriegerische und religiöse Erfolgsgeschichte führte unter den vier "rechtgeleiteten Kalifen" (632-661), den Omayyaden-Herrschern mit ihrer Hauptstadt Damaskus (661-750) und schließlich den Abbasiden (ab 749) mit der Hauptstadt Bagdad zur Bildung islamischer Großreiche. Schon Rudi Paret schrieb in der Einleitung zu seiner Koranübersetzung: "Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass auch nur ein einziger Vers im ganzen Koran nicht von Muhammad stammen würde".Doch so klar, wie es die islamische Geschichtsschreibung und in deren Gefolge viele Islamwissenschaftler darstellen, liegen die Dinge nach Goetze nicht. Denn alle Informationen der klassischen Islamwissenschaft berufen sich auf schriftliche Zeugnisse aus dem 9. Jahrhundert, also auf eine Zeit rund 200 Jahre nach dem Tod Muhammads. In dieser Zeit hatten es die Abbasiden geschafft, ein mächtiges Großreich zu festigen, bei dem der Islam nicht nur eine Religion der städtischen und politischen Elite, sondern der Massen geworden war. Muhammad wurde - ähnlich wie im Deuteronomistischen Geschichtswerk Mose - als Identifikationsfigur im Rahmen der Machterhaltung gebraucht. Das Leben des arabischen Propheten selbst liegt im Dunkeln.Goetze nimmt die Leser mit auf eine interessante Spurensuche, in der archäologische, numismatische, religions- und sprachwissenschaftliche Untersuchungen mit quellen- und textkritischen Fragestellungen verbunden werden. Er entfaltet den aktuellen Diskussionsstand und die Geschichte der historisch-kritischen Untersuchungen im Rahmen der Islamgeschichte. Er knüpft dabei bewusst an die Forschungsergebnisse des 19. und 20. Jahrhunderts an und hebt damit die Bedeutung der arabischen Christen für die Entwicklung des Islams als "neuer arabischer Religion" hervor. Zahlreiche Arbeiten haben bereits die Einflüsse des Judentums auf den Islam ausführlich behandelt. Goetze legt seinen Schwerpunkt auf die Einflüsse der "Heiligen Apostolischen und Katholischen Assyrischen Kirche des Ostens", die ab dem 5. Jahrhundert insbesondere im östlichen Teil des großsyrischen Raumes nicht nur unter den Arabern, sondern bis hin nach Armenien, Indien und China gewirkt hat. Diese in der Arbeit so genannte "Kirche des Ostens" hat im westlichen Kontext in der christlichen Theologie bisher wenig Beachtung gefunden und damit auch keine Würdigung im Rahmen der frühen Islamgeschichte erfahren. Seit einigen Jahren ist aber die Diskussion wieder im vollen Gange (in der Debatte um Luxenberg, Puin, Crone und Neuwirth, Nagel, Hoyland u.a.) und wird zurzeit innerhalb akademischer Kreise im deutschen Kontext (oftmals) höchst polemisch geführt. Goetze legt dar, dass inzwischen auch die klassische Islamwissenschaft nicht um die Fragen herumkommt, die sich aus dem historisch gewachsenen gemeinsamen Erbe von Judentum, Christentum und Islam ergeben. Die in dieser Arbeit entwickelte These, dass sich der Islam als "neue arabische Religion" aus jüdischen, christlichen und persischen Wurzeln und insbesondere durch eine Aufnahme des ostsyrischen Christentums mit einer dann erfolgten akzentuierten Verschiebung des Deutungsrahmens entwickelt hat (vom eschatologischen Denken zu apokalyptischen Denkmustern) macht nicht nur viele "dunkle", d. h. unverständliche, Stellen im Qur`ân verständlich. Sie lenkt auch den Blick auf das aramäisch denkende und sprechende Christentum, das durch Konzilsbeschlüsse von der römisch-byzantinischen Kirche abgetrennt wurde und deshalb in Europa kaum Beachtung fand und findet, obwohl es in seiner Denkungsart der Welt Jesu näher steht als die hellenisierte westliche Kirche. Außerordentlich überzeugend sind seine Ausführungen zur Anwendung der historisch-kritischen Perspektive als einem wesentlichen Betrag zum Dialog der Religionen. Gerade durch die konsequente Anwendung eines historisch-kritischen Ansatzes lassen sich Judentum, Christentum und Islam, auch und gerade in ihren historischen und regional unterschiedlichen Variationen, in einem einheitlichen Kontext betrachten und aufeinander beziehen. Durch die Betrachtung der gemeinsamen Wurzeln wird das gegenseitige Verständnis wesentlich erleichtert und Unterschiede lassen sich ebenfalls besser zuordnen. Angesichts des unermesslichen Leids, das religiöse Streitigkeiten und Missverständnisse im Lauf der Geschichte immer wieder verursacht oder zumindest gefördert haben, ist es eine eminent wichtige Aufgabe, eine Verstehensbrücke zwischen den Kulturen bauen. Das historisch gemeinsam geteilte Erbe zu entdecken, eröffnet eine (neue) spirituelle Haltung im Dialog. Goetze macht deutlich, dass die historisch-kritische Perspektive andere Zugänge nicht ersetzen kann und will. Sie stellt lediglich Bezüge zur historischen Umgebung der Texte her und liefert ein Instrumentarium, mit dem Zusammenhänge, aber auch eventuelle Irrtümer und Fehlinterpretationen erkannt werden können. Naturgemäß werden dadurch die Texte "vom Himmel auf die Erde" geholt, damit aber auch nachvollziehbarer und verständlicher. Darin liegt eine ungeheure Chance auch gegenüber geschichtsvergessenen fundamentalistischen Zugängen. Denn Glaubensgeschichte, wie sie in den jeweils heiligen Schriften erzählt wird, ist nicht immer identisch mit der historischen Entwicklung. Konsequent wendet der Autor die historisch-kritische Methode in Bezug auf die islamische Geschichtsdarstellung und die Grundlagen des Islams als Religion (Qur'ân und Muhammad-Verständnis) an. Er eröffnet damit einen offenen Zugang zu den heiligen Schriften (Thora, Neues Testament und Qur'ân), bei dem Glauben und Denken eng zusammengehören. Dem Verfasser ist bewusst, dass viele Religionsvertreter im Judentum, Christentum und Islam diesen Schritt scheuen, weil sie einen Absturz in die Beliebigkeit fürchten und weil dann der Mensch und nicht mehr Gott das Maß aller Dinge sei. Diese Angst ist jedoch eigentlich nur dann berechtigt, wenn das eigene religiöse System und seine Praxis so wenig innere Stabilität aufweist, dass sie der künstlichen Untermauerung durch nicht mehr hinterfragbare Dogmen bedarf. Die historische Perspektive nimmt dem Glauben damit nichts an Weisheit und Kraft, sondern führt ihn vielmehr, theologisch gesprochen, durch den Geist Gottes in die Tiefe seines spirituellen Selbstverständnisses. Nur wer seiner selbst unsicher ist, entwickelt dabei Ängste. Nur wer seine Macht sichern will, wird solche kritischen Zugänge bekämpfen. Es bedarf der Gewissheit der eigenen Tradition, das Verwurzelt-Sein im Glauben: Dann kann eine Spiritualität reifen, mit der man sich nicht abgrenzen muss, sondern die Raum lassen kann für den anderen und seinen Glauben. Ein wichtiger Diskussionsbeitrag zur Genese der frühen Islamgeschichte und zur spirituellen Dimension des interreligiösen Dialogs.Prof. Dr. Dr. Paul Imhof, München
 
 

Details

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Goetze, Andreas
Verfasser*innenangabe: Andreas Goetze
Jahr: 2013
Verlag: Darmstadt, WBG
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PR.I
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ISBN: 978-3-534-25924-3
2. ISBN: 3-534-25924-6
Beschreibung: 3., unveränd. Aufl., 491 S. : Ill., graph. Darst.
Schlagwörter: Arabien, Geschichte 300-800, Religion, Syrien, Entstehung, Islam, Religionen, Syria, Bildung <Entstehung>, Genese, Islamische Völker, Islamische Welt, Ursprung <Entstehung>
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Fußnote: Literaturangaben
Mediengruppe: Buch