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Gespräche mit dem Wolfsmann

eine Psychoanalyse und die Folgen
Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Obholzer, Karin
Verfasser*innenangabe: Karin Obholzer
Jahr: 1980
Verlag: Reinbek bei Hamburg, Rowohlt
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

"Den Verlauf der Therapie des 'Wolfsmannes' hielt Freud selbst in einer Nebenbemerkung für 'nicht besonders günstig'. Seine Schüler sahen es anders als der Meister. Dieser berühmte Patient war während seines langen Lebens in einer Reihe weiterer psychoanalytischer Behandlungen (Gardiner, Ed., 1972) und er blieb zeitlebens von Psychoanalytikern abhängig, am Ende auch finanziell. Als eine intelligente und respektlose Journalistin ihn im hohen Alter in Wien ausfindig machte und während zweier Jahre (1973/1974) lange tonbanddokumentierte Gespräche mit ihm führte (Obholzer, 1980), versuchten die Psychoanalytiker, die sich offensichtlich im Besitz der Rechte am Fall des Wolfsmannes wähnten, das energisch zu verhindern. Von M. Gardiner kam die telegraphische Anweisung, sofort alle Kontakte abzubrechen. Der so unter Kuratel Stehende war zu diesem Zeitpunkt 86 Jahre alt und, wie die Gesprächsprotokolle zeigen, in erstaunlichem Besitz seiner geistigen Kräfte bzw. im juristischen Sinne voll geschäftsfähig. Um das Material überhaupt publizieren [> 60] zu können, musste Obholzer natürlich einen Vertrag mit dem Wolfsmann schließen. Die Erlaubnis zu diesem Vertrag erkämpfte sie in zähen Verhandlungen mit Doz. Dr. S. aus Wien und Dr. E. aus New York. Ohne deren Zustimmung wollte der Wolfsmann nicht unterschreiben. Was auch immer die klassische Psychoanalyse bewirkt - und ich bin davon überzeugt, dass sie bei geeigneten Personen Gutes bewirken kann - das oft gehörte Therapieziel des autonomen, selbstverantwortlichen Menschen scheint sie nicht selten zu verfehlen. Im Falle des Wolfsmannes ging es wohl auch darum zu verheimlichen, dass eine Reihe der Beschwerden, unter denen der Wolfsmann gelitten hatte, auch im hohen Alter noch weiter vorhanden waren. Die Selbstdarstellung seiner Symptomatik am Ende seines Lebens unterscheidet sich deutlich von den optimistischen Beschreibungen durch seine Behandler in der Fachliteratur (zusammengefasst bei Gardiner 1972)." [Seite 59/ 60]
 
 
 
Die von Sigmund Freud entwickelte Psychoanalyse genießt heute immer noch
ein gewisses Ansehen, obwohl sie nicht wissenschaftlich fundiert ist. Auch ist
sie als Therapie weniger erfolgreich, als oft behauptet. Es werden auch
wahrheitswidrig Fälle als Beweis für die Wirksamkeit der Psychoanalyse zitiert,
bei denen es in Wirklichkeit nie zu einer Heilung kam, z. B. der Fall Anna O (s.
z. B. Israels, 2006) und der "Wolfsmann" (Obholzer, 1980).
 
"Nach vier Jahren (Psycho-)Analyse und einer Nachbehandlung von einem
halben Jahr von Freud als geheilt entlassen, fühlt sich der Wolfsmann im
Oktober 1926 neuerlich analysebedürftig" (Obholzer, 1980, S. 30). Angesichts
der Tatsache, dass Psychoanalytiker die lange Therapiezeit der Psychoanalyse
damit rechtfertigen, dass man viele Jahre benötige, um die frühkindlichen
Probleme "aufzuarbeiten", ist das therapeutische Versagen besonders
aufschlussreich. Immerhin wurde der Fall des Wolfsmannes von
Psychoanalytikern als "Paradepferd der Psychoanalyse" dargestellt, wie der
"Wolfsmann" selbst sagte (Obholzer, 1980, S. 310): "Die Psychoanalyse hat
ihm geholfen, und er hat alle Schicksalsschläge überstanden." In Wirklichkeit
hatten ihn auch spätere psychoanalytische Behandlungen nicht von seinen
quälenden Problemen, vor allem mit Frauen, nicht heilen können.
 
Zu der Deutung Freuds sagte der Wolfsmann (Obholzer, 1980, S. 52): "Das
Ganze ist unwahrscheinlich". Er hatte sich auch nie daran erinnern können, bei
den Eltern im Schlafzimmer geschlafen zu haben. "Er (Freud) behauptet, ich
hab's gesehen, aber wer garantiert Ihnen, daß es wahr ist? Daß es nicht eine
Phantasie von ihm ist? Nun, ich muß auch die Psychoanalyse kritisch
betrachten, ich kann doch nicht alles glauben, was der Freud gesagt hat. Ich
habe immer gedacht, daß die Erinnerung kommen wird. Aber sie ist nicht
gekommen." (S. 52).
Obholzer: "Man könnte sagen; Ihr Widerstand ist bis heute so stark, daß sie
sich nicht erinnern wollen."
"Naja, das wäre auch eine Vermutung, aber das ist kein Beweis" (S. 52). Er
sagte deshalb (S. 313): "den Psychoanalytikern glaub ich nicht. ..." "Die
Analytiker verstehen nicht" (S. 316).
Obwohl Obholzer keine therapeutischen Absichten hatte,
sondern lediglich als Journalistin über das Leben des Wolfsmannes berichten
wollte, entwickelte der Wolfsmann im Laufe der Zeit eine vertrauensvolle
Beziehung zu ihr. Sie formulierte auch (S. 313) als eigentliche Ursache seiner
Probleme: "Durch seine Erziehung hatte er bei intellektuellen Frauen
 
Schwierigkeiten mit der männlichen (aggressiven) Rolle. Dies sind also
erziehungsbedingte zwischenmenschliche Beziehungen, die keiner Analyse
eines mysteriösen Unterbewußtseins bedurften."
 

Details

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Obholzer, Karin
Verfasser*innenangabe: Karin Obholzer
Jahr: 1980
Verlag: Reinbek bei Hamburg, Rowohlt
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PI.HPE
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ISBN: 3-498-05005-2
Beschreibung: 1. Aufl., 335 S.
Schlagwörter: Pankejeff, Sergius, Psychoanalyse, Pankeev, Sergej K., Pankeev, Sergej Konstantinovic, Psychoanalytische Therapie, Wolf-Man [Pseud.], Wolfsmann [Pseud.]
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Sprache: Deutsch
Fußnote: Literaturverz. S. [339]
Mediengruppe: Buch