Wie viel Gefühl verträgt eine Gesellschaft, die nach Gerechtigkeit strebt? Nicht viel, könnte man meinen und etwa auf die Gefahren verweisen, die mit der politischen Instrumentalisierung von Ängsten und Ressentiments verbunden sind. Emotionen, so eine weitverbreitete Ansicht, setzen das Denken außer Kraft und sind daher im politischen Kontext generell schädlich.
Dem widerspricht Martha C. Nussbaum in ihrem neuen Buch. Um der Gerechtigkeit politisch zur Geltung zu verhelfen, so ihre These, bedarf es nicht nur eines klaren Verstandes, sondern auch einer positiv-emotionalen Bindung der Bürgerinnen und Bürger an diese gemeinsame Sache. Manche sprechen in diesem Zusammenhang von Hingabe. Nussbaum nennt es Liebe. Persönlichkeiten wie Lincoln, Gandhi und Martin Luther King haben davon ebenso gewusst wie die Vordenker einer "Zivilreligion", Jean-Jacques Rousseau zum Beispiel oder Rabindranath Tagore.
In beeindruckender Weise erforscht Nussbaum diese Art Liebe und damit verwandte politische Gefühle. Sie zeigt, welche Ausdrucksformen - auch in der Musik oder der Dichtung - sie annehmen können und wie sie sich kultivieren lassen. Dabei erweist sie sich einmal mehr als eine der vielseitigsten Denkerinnen unserer Zeit: als bedeutende Theoretikerin der Emotionen, als herausragende politische Philosophin und nicht zuletzt als große Kennerin und Interpretin der Künste.
/ AUS DEM INHALT: / / /
1. Ein Problem in der Geschichte des Liberalismus . . . . 11
I. Geschichte
2. Gleichheit und Liebe: Rousseau, Herder, Mozart . . . 47
3. Religionen der Menschlichkeit I:
Auguste Comte, John Stuart Mill . . . . . . . . . . . . . . . 90
4. Religionen der Menschlichkeit II:
Rabindranath Tagore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
II. Ziele, Mittel, Probleme
Einleitung zu Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
5. Eine Gesellschaft mit hohen Zielen:
Gleichheit, Inklusion, Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . 177
6. Mitgefühl: Bei Menschen und bei Tieren . . . . . . . . . 210
7. "Das radikale Böse":
Hilflosigkeit, Narzißmus, Beschmutzung . . . . . . . . . 246
III. Öffentliche Emotionen
Einleitung zu Teil III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
8. Patriotismus lehren: Liebe und kritische Freiheit . . . 310
9. Tragische und komische Feste:
Mitgefühl wecken, Ekel überwinden . . . . . . . . . . . . 388
10. Die Feinde des Mitgefühls: Angst, Neid und Scham . 471
11. Wie Liebe für Gerechtigkeit wichtig ist . . . . . . . . . . 567
Anhang: Theorie der Emotionen,
Emotionen in der Musik: Upheavals of Thought . . . . 595
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605
Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621