Privilegienkritik hat Hochkonjunktur. Der vehemente Gebrauch des Privileg-Begriffs erhitzt im Umfeld identitätspolitischer Debatten die Gemüter. Als Verdacht steht im Raum: Privilegienkritik blockiert nicht nur die notwendige Weiterentwicklung der akademischen Streitkultur. Sie ebnet auch einer hypersensiblen Kultur der Achtsamkeit den Weg, die Gerechtigkeitsfragen aus dem Blick zu verlieren droht.
Dieser Essay plädiert dafür, identitätspolitische Anliegen mit einer universalistischen Perspektive auf fruchtbare Weise zu verknüpfen. Der Privileg-Begriff kann dabei wertvolle Dienste leisten. Denn es wird leicht übersehen: Immer wenn Privilegiertheit reflektiert oder skandalisiert wird, geschieht dies vor dem Horizont der imaginierten Menschheit. Jedem identitätspolitischen Engagement ist somit eine universalistische Perspektive eingeschrieben. Mit einem vergleichenden und offenen Blick, der sich von der Vereinzelung löst, lassen sich Missstände erfolgreicher diskutieren, als dies in der Vergangenheit geschehen ist, und schließlich auch überwinden.
Inhalt
Warum gibt es dieses Buch? 9
1 Worum wird gestritten? 13
Brisante Kippeffekte 16
Verschiebung der Kräfteverhältnisse 19
Hegemoniale Kämpfe 21
Zwei unterschiedliche Lesarten 23
Zum Programm 27
2 Wie kam das Privileg in die Welt? 29
Probleme der Begriffsbestimmung 32
Das Alte Reich 33
Eine praktische Allzweckwaffe 37
Gesellschaftliche Ausdifferenzierung, steigende
Komplexität 39
Der Charme der Geometrie 42
Die Französische Revolution und der Dritte Stand 46
Der Bürger blickt nach vorn 51
Reformbedarf in Preußen 54
Revolutionäre wider Willen 57
3 Wie funktioniert das Bildungsprivileg? 60
Prozesse sozialer Schließung 61
Helmut Schelsky ist besorgt 65
Ralf Dahrendorf meldet Zweifel an 67
Bringschuld und Holschuld 72
György Szell wirbt für Präzision 75
Eine Streitschrift aus Frankreich 79
Pierre Bourdieu besucht Internate 82
Krise der Reproduktionsstrategien 85
Dirigierungsfunktion und Eliminierungsfunktion 88
Fatale Selbstentwertung 90
Cooling out 93
Die USA und ihr Gründungsmythos 96
Talking Back 98
Permanente Wachsamkeit 101
4 Warum sprechen wir heute von Privilegien
im Plural? 103
Doppelter Verrat 106
Das Combahee River Collective veröffentlicht
ein Manifest 108
Schockwellen in der weißen feministischen
Community in
Peggy McIntosh blickt in den Spiegel 114
White Privilege 117
Ein unsichtbarer Rucksack 120
Die Gründungsurkunde 123
Ein vergiftetes Geschenk 127
Weißsein als Forschungsgegenstand 133
Doppeltes Bewusstsein 136
Mitgliedschaft im »weißen Club« 139
5 Was tun mit Privilegien? 144
Variante 1: Privilegien in Anspruch nehmen 149
Variante 2: Privilegien checken 152
Variante 3: Privilegien umverteilen 155
Variante 4: Privilegien verlernen 157
Variante 5: Privilegien bekämpfen 159
Einwände unterschiedlicher Art 161
Kritik am Privilegiencheck 162
Kritik an der Rede von Umverteilung 164
Kritik am Verlernen von Privilegien 166
Eklatanter Mangel an Theorie 167
Privileg als Erkenntnisinstrument 170
Horizontwahrnehmung 172
Anmerkungen 175
Dank 192
Inhalt 7