Was macht eine psychische Erkrankung aus, und wo beginnt sie? In ihren Bestimmungsversuchen greifen die medizinischen und gesellschaftswissenschaftlichen Fachdisziplinen auf Praktiken der Klassifizierung, Standardisierung und Fremdbeschreibung zurück, die Krankheit als Mangel, Abweichung oder zu verbessernden Zustand charakterisieren. Filme können derartige Praktiken durch ihre ästhetische Perspektive hinterfragen und Facetten psychischen Krankseins auf differenziertere Weise erfahrbar machen. Film und Kino tragen so zu einer kritischen Reflexion der Normalitäts- und Krankheitsdiskurse bei und ermöglichen gleichzeitig eine Binnenperspektive von Krankheitserfahrungen.
Anhand von dokumentarischen, fiktionalen, essayistischen und autobiografischen Beispielen der Filmgeschichte, darunter TARNATION, DIALOGUES WITH MADWOMEN, VANILLA SKY, A SCANNER DARKLY, LITTLE JOE, POSTCARDS FROM LONDON, NAKED LUNCH, FIRST COUSIN ONCE REMOVED oder PSYCHOSIS IN STOCKHOLM, präsentiert dieser Band aktuelle Positionen zu dem Themenfeld. Die Beiträge diskutieren unter anderem, wie ein klinisches und soziales Verständnis von Krankheit filmisch verhandelt wird und wie das Kino Prozesse von Erkrankung und Genesung dokumentieren und ästhetisch beschreiben kann.
Mit Beiträgen von Petra Anders, Christian Bonah, Robin Curtis, Joël Danet, Tobias Dietrich, Florian Flömer, Sabrina Gärtner, Insa Härtel, Britta Hartmann, Silke Hilgers, Markus Kügle, W.J.T. Mitchell, Lars Nowak, Winfried Pauleit, Janin Tscheschel. (Verlagstext)
Vorwort
von Tobias Dietrich, Florian Flömer und Winfried Pauleit
Kopf/Kino
Berührungspunkte zwischen psychischer Erkrankung und Filmästhetik
von Tobias Dietrich
Diskurse
Cinemanie
Wahnsinn und das bewegte Bild
von WJ.T. Mitchell
Die Wiederkehr des Verworfenen
Zur filmischen Ästhetik der Paranoia in David Cronenbergs NAKED LUNCH und EXISTENZ
von Lars Nowak
Heillose Heilsversprechen
LOVE&OTHER DRUGS
von Insa Härtel
Inszenierungen
Kassandra auf Psychopharmaka?
Zur Inszenierung einer psychisch Erkrankten in Jessica Hausners LITTLE JOE
von Sabrina Gärtner
TARNATION und REQUIEM revisited
Filmische Darstellungen von psychischer Gesundheit aus Sicht der Disability Studies
von Petra Anders
Rotoskopierte Psychosen?
Lacan'sche Sichtweisen auf die Animation von A SCANNER DARKLY
von Markus Kügle
Praktiken
Gespräche mit verrückten Frauen
Selbsterkundung und Selbstermächtigung im autobiografischen Dokumentarfilm
von Janin Tscheschel und Britta Hartmann
Film in der Kunsttherapie
Psychoanalytische Zugänge nach der intersubjektiven Wende
von Silke Hilgers
»Reglose Ödnis, erstickende Ödnis, betäubende Ödnis«
Persönliche Geografien von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung im medizinischen Gebrauchsfilm der 1970er Jahre
von Christian Bonah undJoel Danet
Das fließende Selbst
von Robin Curtis
Über die Autorinnen
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