Schwules Theater, Lesbentheater, weiblicher Punk, schiefe Kunst und Cabaret: Theater prägt die LGBTQI*-Kultur im Deutschland der 1970er und 1980er Jahre. Auf Frauenfesten und in der Tuntenkultur, in Protestperformances und Performancekunst, auf öffentlichen Toiletten und Hinterzimmer-Bühnen werden ganz unterschiedliche Formen der theatralen Darstellung eingesetzt, um Sexualitäten und Geschlechter jenseits der heteronormativen Matrix sichtbar und erfahrbar zu machen. Das Wirkungsspektrum reicht dabei von subversiver Parodie über politische Agitation bis zum Spiel mit der vollständigen Illusion.
Den Theaterbegriff versehen wir im Titel des Bandes mit dem Gender-Sternchen, um einerseits die Offenheit des Begriffs für unterschiedliche, teils widersprüchliche Vorstellungen von Theater zu unterstreichen und um andererseits die genuine Verbindung von Theater mit queerer Kultur und Theorie zu betonen.
Dieser Band möchte einen ersten Überblick über ein bisher wenig beschriebenes Feld geben. Die Beiträge dokumentieren die vielfältigen theatralen Auseinandersetzungen mit Sexualität und Geschlecht in den westdeutschen Emanzipationsbewegungen, die wesentlich zur Herausbildung der freien Theaterszene beitrugen und somit wichtige ästhetische und politische Referenzpunkte für zeitgenössische Theater-, Tanz- und Performancepraxis darstellen. Sie zeigen aber auch die Auseinandersetzungen mit Geschlecht und Sexualität im künstlerischen und gesellschaftlichen Underground der DDR. Und schließlich blicken sie auf Travestie- und Cabaret-Kultur, um die Bedeutung von Theater für trans*-Personen dieser Zeit zu verdeutlichen.
In wissenschaftlichen Beiträgen, Zeitzeug*innen-Interviews und durch den Abdruck bislang unveröffentlichten Quellenmaterials (u.¿a. zu Unterste Stufe und Hibaré) werden in diesem Band unterschiedliche Aspekte dieser Zeit schlaglichtartig beleuchtet und dabei queere Methoden und Perspektiven erprobt, die in der deutschsprachigen Theaterwissenschaft bisher ein Forschungsdesiderat bilden.
Mit Beiträgen von Sigrid Grajek, JohJac Kamermans, Renate Klett, Kata Krasznahorkai, Kirsten Maar, Markues, Peter Rausch, Jayrôme C. Robinet, Katharina Rost, Dorna Safaian, Lea-Sophie Schiel, Jenny Schrödl, Simon Schultz, Gabriele Stötzer, Elke Traeger und Eike Wittrock. (Verlagstext)
Inhalt
- Jenny SchrödI/EikeWittrock: Einleitung. Das Theater mit der Identität
- Elke Traeger: Unterste Stufe. Eine kurze Beschreibung
- Jenny SchrödI: „Zerren wir weiter an diesem Leichentuch des Patriarchats und entdecken wir Stück für Stück unsere wahre Geschichte“ Lesbentheater in der Bundesrepublik Ende der 1970erJahre
- Renate Klettim Gespräch mit Eike Wittrock: 1. Internationales Frauentheater-Festival, 1980
- Katharina Rost: Punk-Gar^onne und S/M-Butch. Malaria! zwischen Punk, Frauenbewegung und Lesbenkultur
- Gabriele Stötzer im Gespräch mit Kata Krasznahorkai: „Schiefe Kunst“. Queerness, Performance, Film und die Stasi in der Kunst
- Sigrid Grajek im Gespräch mitJenny SchrödI: „Die Unterseite der Dinge sichtbar machen“
- Markues: We’re in this together
- Jayröme C. Robinet: „lecken lecken...“ Queerer Spoken Word im West-Berlin der 1970er und 1980erJahre
- Lea-Sophie Schiel/JohJac Kamermans: Sexualitäten machen Leute. Die Kunst derJohanna Kamermans
- Dorna Safaian: Der Rosa Winkel in der Protestinszenierung der Homosexuellen Aktion Westberlin
- Simon Schultz: Paulines Hammer. Die Wirkung des schwulgewordenen Theaters in Hamburgum 1980
- Peter Rausch: II. Homo-Programm 1999. Hibare - das Kabarett der HIB
- Eike Wittrock: Das Coming-out des Theaters. Brühwarm und das schwule Theater der 1970erJahre
- Kirsten Maar: mann tanzt. Schwule Männlichkeit in der Tanzfabrik, West-Berlin, 1980erJahre
Abbildungsverzeichnis