Die Autorin erweitert mit ihren Erkenntnissen und theoretischen Überlegungen die Freudsche Theorie über die menschliche Perversion. Sie beschreibt die Stellung der Perversion vor allem auch auf soziokulturellem Gebiet und öffnet damit den Lesern eine Pforten zur Ethik und Ästhetik des perversen Universums. Chasseguet-Smirgel zeigt Magie und Grausamkeit – eine Welt des Schauderns und Entzückens – und trägt somit zu einem tieferen Verständnis der Perversion als Form der Ich-Spaltung bei. Chasseguet-Smirgel bezieht Perversion nicht nur auf die individuelle Entwicklung und das Einzelschicksal, sondern auch auf politische und kulturelle Phänomene. Der Kern der perversen Dynamik liegt für sie in der Sehnsucht des Kindes nach der Rückkehr in den Mutterleib, die Chasseguet-Smirgel als inzestuösen Wunsch interpretiert. Nur die Verinnerlichung des männlichen Penis als Grenze und Gesetz könne das perverse Universum begrenzen. Aber selbst das Erreichen des Ödipuskomplexes bewahrt nicht vor der beständigen subversiven Bereitschaft zur Regression, die sich in einer Aufhebung der Grenzen und einer Rückkehr in anale Strukturlosigkeit und Destruktivität äußert.
Die Beiträge zur Anatomie der menschlichen Perversion entstanden 1982/83 als Vortragsreihe am Sigmund-Freud-Institut in London. In ihnen ist die Faszination an den Entgrenzungen der Perversion und den »luziferischen Charakteren« ebenso spürbar wie das Grauen vor den Abscheulichkeiten der perversen Handlungen und ihrer destruktiven Folgen, zu welchen Chasseguet-Smirgel auch den Nationalsozialismus zählt. Heute ist Chasseguet-Smirgels Theorie der Perversion nicht unumstritten. Die Auseinandersetzung mit den facettenreichen Überlegungen der durch ihre Theorie zur weiblichen Sexualität berühmt gewordenen und viel rezipierten Autorin bleibt dennoch lohnend.
Janine Chasseguet-Smirgel hat mit ihrem 1989 erstmals in Deutschland erschienenen Werk "Anatomie der menschlichen Perversion" einen elementaren Baustein zum Verständnis der Perversion und ihrer Weiterentwicklung in der Psychoanalyse geliefert. Das lange vergriffene Werk ist nun in dieser Neuauflage wieder erhältlich. In einem neuen Vorwort nimmt Chasseguet-Smirgel aus heutiger Sicht noch einmal Stellung zu ihrem Buch. Die Studie ist "Freuds Arbeiten über die Perversion" gewidmet und knüpft auch an dessen Werk an. Chasseguet-Smirgel nutzt die Arbeiten Freuds als Basis für ihre Sichtweisen über die menschliche Perversion. Weit über die Schranken des klassischen psychoanalytischen Schemas hinaus beschreibt sie mit viel Sachverstand und Menschenkenntnis die Perversion als immerwährende Versuchung des Geistes, die Grenzen der Realität zu überwinden und über sich selbst herauszuwachsen. Die perverse Tat sucht durch Vermessenheit die Schöpfung zu überlisten, sie neu zu gestalten un d das Unmögliche möglich zu machen. Ihre fundierten theoretischen sowie aus jahrelanger therapeutischer und klinischer Praxiserfahrung gewonnenen Kenntnisse untermauert die Autorin mit Beispielen aus Mythologie, Theologie und Literatur. So illustriert Chasseguet-Smirgel ihre Thesen mit Analysen des Werkes Oscar Wildes und des Marquis de Sade, ebenso unternimmt sie eine Analyse des größenwahnsinnigen römischen Kaisers Caligula oder wendet sich der Kunst Hans Bellmers zu.
AUS DEM INHALT
Vorwort zur deutschen Neuauflage I
Vorwort zur deutschen Ausgabe 9
Einleitung 13
Erstes Kapitel
Vorrede: Kritische Untersuchung des phallischen Monismus 23
Zweites Kapitel
Der Perverse und das Ichideal 53
Drittes Kapitel
Das verkleidete Ich 71
Viertes Kapitel
Idealisierung, Sublimierung 93
Fünftes Kapitel
Das analsadistische Universum und die Perversion 135
Sechstes Kapitel
Hybris, Gesetz, Perversion 169
Siebtes Kapitel
Drei lutziferische Charaktere 197
Achtes Kapitel
Überlegungen zum Fetischismus und zum
Realitätsverlust in der Perversion 221
Resümee 265
Anhang
Freuds Arbeiten über die Perversion:
Einige Anhaltspunkte 269
Anmerkungen 327
Bibliographie 339
Namensregister 346
Sachregister 348
Verfasser*innenangabe:
Janine Chasseguet-Smirgel. Aus dem Franz. übertr. von Elke vom Scheidt
Jahr:
2002
Verlag:
Gießen, Psychosozial-Verl.
Aufsätze:
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Systematik:
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PI.HPP
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ISBN:
3-89806-170-1
Beschreibung:
XII, 351 S.
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Sprache:
Deutsch
Originaltitel:
Ethique et esthétique de la perversion <dt.>
Abweichender Titel:
Die Anatomie der menschlichen Perversion
Fußnote:
Literaturverz. S. 337 - 345
Mediengruppe:
Buch