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Magersucht

von der Behandlung einzelner zur Familientherapie
Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Palazzoli, Mara Selvini
Verfasser*innenangabe: Mara Selvini Palazzoli. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Hilde Weller
Jahr: 2004
Verlag: Stuttgart, Klett-Cotta
Mediengruppe: Buch
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Inhalt

»Dies ist nicht einfach ein Buch über Magersucht – eine Krankheit, deren immer häufigeres Vorkommen die Autorin sehr einleuchtend mit gesellschaftlichen Gründen erklärt – und ihre Therapie. Es ist auch ein fast historisch zu nennender Bericht über die Entwicklung der Familientherapie – von der minuziösen Beobachtung komplexer intrapsychischer Vorgänge bis hin zu der interaktionellen Betrachtungsweise und ihren therapeutischen Möglichkeiten. Dies ist zweifellos der faszinierendste Aspekt von Selvini Palazzolis Buch: Der Leser wird fast unmerklich darauf hingeführt zu begreifen, daß die Hartnäckigkeit einer bestimmten Form menschlichen Leidens nicht notwendigerweise in der Natur des menschlichen Wesens liegt, sondern in der Natur der Theorie, mit deren Hilfe versucht wird, dieses Leiden zu verstehen.«Paul Watzlawick
 
 
REZENSION - Eva Corino, Berliner Zeitung
"Mara Selvini Palazzoli zieht in "Anorexie und Bulimie" die Summe aus 30 Jahren familientherapeutischer Arbeit: Der unerklärte Hungerstreik -
Mager ist schön!" Das ist die Botschaft, die junge Frauen erreicht, wenn sie durch die Straßen gehen, die Werbung sehen auf den Plakatwänden, in den Zeitschriften und im Fernsehen. In einer Zeit, wo die Tische zusammenbrechen unter der Last der Delikatessen, gilt als vornehm, wer auf das Essen verzichten kann. Magersucht ist eine Krankheit, die nur in den westlichen Überflussgesellschaften anzutreffen ist und sich dort in erschreckendem Maße ausbreitet. Die Diktatur der Mode begünstigt sie und die Schwierigkeit der Frauen, eine stimmige Identität zu finden: Sie sollen nämlich nicht nur den modernen, sondern auch den traditionellen Frauenbildern entsprechen, immer elegant und gepflegt sein, erfolgreich in Studium und Beruf, vernünftige Ehefrau, leidenschaftliche Geliebte, opferfreudige Mutter und geduldige Altenpflegerin. Und weil es ihnen unmöglich ist, diese sich widersprechenden Rollen im fliegenden Wechsel zu spielen, fühlen sie sich unzulänglich. Was dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Hysterie war, das ist dem ausgehenden 20. Jahrhundert die Anorexie. Beides sind psychische Krankheiten, die fast ausschließlich bei jungen Frauen diagnostiziert werden. Und zwar bei solchen, die besonders intelligent und sensibel sind. Sie protestieren gegen die gesellschaftlichen und familiären Zwänge mit einem unerklärten Hungerstreik, die Monatsblutungen setzen aus, sie magern ab bis auf die Knochen und leiden an einer völlig verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers. Hoch gewachsene Mädchen, die nicht einmal 40 kg wiegen, drehen sich vor dem Spiegel und klagen über ihre dicken Oberschenkel.Während die restriktiven Anorektikerinnen sehr wenig zu sich nehmen, wird die Fastenzeit bei den bulimischen Anorektikerinnen von Fressanfällen unterbrochen. Sie schlingen dann wahllos in sich hinein, was der Kühlschrank hergibt und bekämpfen ihr Schuldgefühl anschließend, indem sie Brech- und Abführmittel nehmen. Die Bulimie ist seit Anfang der neunziger Jahren die vorherrschende Form der Anorexie. Mädchen im Alter zwischen 10 und 20 Jahren sind besonders gefährdet. Die Heilung dauert mehrere Jahre, manche Anorektiker sind unheilbar und hungern sich zu Tode. Ende der vierziger Jahre gab es die ersten Fälle von Magersucht. Seit dieser Zeit beschäftigt sich Mara Selvini Palazzoli unablässig mit diesem rätselhaften Phänomen. Sie brach ihre internistische Karriere ab, ließ sich zur Psychoanalytikerin ausbilden, wandte sich der systemischen Familientherapie zu und gründete in Mailand das berühmte "Nuovo Centro per lo Studio della Famiglia". Mit wechselnden Teams entwickelte sie eine sehr erfolgreiche Methode der Behandlung, Ergebnis von jahrzehntelanger Erfahrung und einer selbstkritischen Haltung, die dem Leser einigen Respekt abverlangt. Die Sprache von Mara Selvini Palazzoli ist von großer Klarheit. Selbst dem Laien vermittelt sie ein genaues Bild von den Persönlichkeiten der Mädchen und den Familien, in denen die Krankheit eine Heimstatt findet. Oft sind es Familien, die als Idealfamilie gelten, obwohl es ein schweigendes Unbehagen gibt. Die Eltern sind unfähig, sich zu trennen, unfähig, sich die Bedürfnisse nach Zärtlichkeit, Rückenstärkung, Wertschätzung und Nähe im Gespräch gegenseitig zu erfüllen. Deshalb wird die Tochter von einem Elternteil benutzt und gegen den anderen Elternteil ausgespielt. Entweder entwickelt sich eine symbiotische Beziehung mit der Mutter, in der Nähe mit Zudringlichkeit und Vertrauen mit Kontrolle verwechselt wird. Oder die Mutter ist so beansprucht, dass sie sich um ihre Tochter nicht kümmern, sie im übertragenen Sinn nicht "ernähren" kann. Vielleicht kommt es zu einem verführerischen Spiel zwischen Vater und Tochter, das selten zum Inzest führt, aber oft zu inzestuöser Panik.Das Buch beschreibt verschiedene denkbare Konstellationen und denkbar verschiedene Individuen, die zu einer dependenten, zwanghaften, narzisstischen oder Borderline Persönlichkeitsstörung neigen, ohne in diesen Schemata aufzugehen. Mara Selvini Palazzoli definiert die Anorexie als einen Selbstdefekt, einen extremen Mangel an Selbstwertgefühl und ein depressives Erleben, das die ganze Existenz bestimmt. Um das zu bekämpfen, fängt die spätere Anorektikerin ihre Diät an. Die Ohnmächtige gewinnt Macht über ihren Körper und über ihre Familie, die von den Symptomen erschreckt ist. Und so wird aus dem Hungern ein Rausch und eine Sucht. Das Kind will nicht erwachsen werden, weil es keinen Erwachsenen vor sich hat, mit dem es sich identifizieren kann. Die unglückliche Ehe der Eltern lässt sich auf Verletzungen und Verwerfungen zurückführen, die sie in ihrer eigenen Kindheit erfahren haben. Die Tochter verkörpert unbewusst deren Leidensgeschichte und erzwingt durch die Anorexie ihre Aufarbeitung. Deshalb betrifft die Familientherapie nicht nur die Anorektikerin, sondern auch ihre Eltern und Geschwister, die zusammen und einzeln zu den Sitzungen bestellt werden. Sie überblickt drei Generationen, deckt das Zusammenspiel der Beziehungen in der Familie auf und die Opferrolle der Patientin. Sie drängt auf die Veränderung aller Beteiligten und setzt sogar bei Mädchen, die monatelang in der Klinik gewesen sind und jahrelang beim Psychoanalytiker gesessen haben, nach wenigen Treffen eine Heilung in Gang. Anders als in der Klinik werden in der Familientherapie weder Kalorien gezählt noch Essverträge geschlossen, so dass sich die Aufmerksamkeit von den Symptomen auf die Ursachen verschiebt. Anders als der Psychoanalytiker hört der Familientherapeut dieselbe Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Er kann die verzerrten Berichte mit seiner eigenen Wahrnehmung der Familie vergleichen und erreichen, dass jeder seine Mitschuld an der Krankheit eingesteht und sie wieder gutzumachen versucht. Mara Selvini Palazzoli hält die Triebtheorie Freuds und seine Vorstellung von einem ursprünglichen Autismus für überholt. Sie spricht von der ursprünglichen Entwicklung des Selbst durch Bindungen und legt ihrer Therapie ein Menschenbild zu Grunde, das sich nicht nur beim Entzug von Magersüchtigen bewährt."
 
Inhalt
 
Vorwort zur amerikanischen Ausgabe . . . 9
Vorwort zur englischen Ausgabe . . . 13
 
1. Teil
1 Geschichtlicher Überblick... 17
2 Klinische Aspekte . . . 27
3 Das allgemeine Bild der Anorexia nervosa . . . 33
4 Die Bezeichnung »Anorexia nervosa« . . . 37
5 Die Differentialdiagnose der Anorexia nervosa . . . 42
 
2. Teil
6 Anorexia nervosa und die widersprüchlichen Rollen der modernen Frau . . . 51
7 Die Eltern magersüchtiger Patientinnen... 54
8 Lernmodelle und Körperbewußtsein... 59
9 Die Entwicklung der Magersucht... 80
10 Magersucht und Sexualität... 97
11 Tod und Selbstmord als Probleme bei Magersucht... 101
12 Die Deutung der Magersucht anhand der Objektbeziehungstheorie... 105
 
3. Teil
13 Die organische Behandlung der Magersucht... 121
14 Einführung in die psychotherapeutische Behandlung der Magersucht... 128
15 Der Therapeut und die Eltern... 131
16 Schwierigkeiten bei der ersten Begegnung mit Patientinnen... 135
 
17 Einige Hinweise für das psychotherapeutische Verhalten... 143
18 Der daseinsanalytische Beitrag zur Behandlung der Magersucht... 159
19 Das Erleben von Raum und Zeit bei der Magersucht... 168
20 Verurteilung und Erlösung des Körpers . . . 173
21 Die Rekonstruktion des Körpergefühls . . . 182
22 Überlegungen zu meinen Fallstudien .. . 188
Anhang: Autobiographie einer Patientin... 196
 
4. Teil
23 Familienpsychotherapie als neue Richtlinie... 225
24 Die Familie Magersüchtiger: Ein Modellsystem... 235
25 Therapeutische Eingriffe . . . 251
26 Kybernetik der Magersucht... 266
27 Die Familie der Magersüchtigen in einer sich wandelnden Umwelt. . . 278
Bibliographie . . . 291
Personenregister... 324
Patientenregister... 327
Sachregister... 328

Details

Verfasser*in: Suche nach Verfasser*in Palazzoli, Mara Selvini
Verfasser*innenangabe: Mara Selvini Palazzoli. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Hilde Weller
Jahr: 2004
Verlag: Stuttgart, Klett-Cotta
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Systematik: Suche nach dieser Systematik PI.HKE
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ISBN: 3-608-95095-8
2. ISBN: 978-3-608-95095-3
Beschreibung: 8. Auflage, 331 Seiten
Schlagwörter: Anorexia nervosa, Therapie, Anorexia mentalis, Behandlung / Medizin, Endogene Magersucht, Krankenbehandlung, Magersucht, Psychogene Anorexie, Pubertätsmagersucht
Beteiligte Personen: Suche nach dieser Beteiligten Person Weller, Hilde
Sprache: Deutsch
Originaltitel: L' anoressia mentale <dt.>
Fußnote: Literaturverzeichnis: Seite 291 - 323
Mediengruppe: Buch