Filme sind Formen von Erfahrung. In ihrer Vielfalt vermitteln sie uns einen Sinn für die Veränderlichkeit von Lebensweisen: für Geschichte. Sie projizieren Vorstellungen von Freiheit und Festgelegtem, spüren dem Faszinierenden und Fremdgewordenen im Urbanen nach – der Strahlkraft der Stadt.
Ein ebenso liebevolles wie theoriefreudiges Verständnis von Kino inspiriert die Film-Schriften von Siegfried Mattl (1954–2015); sie waren ein wesentlicher Teil der Arbeit dieses herausragenden Wiener Historikers. Vom „Historienkino“ eines Stanley Kubrick, Ridley Scott oder Todd Haynes zu Körperbildern bei David Cronenberg oder in Hollywoods Koreakriegsfilm; von Auftragsfilmen über Stadtplanung und Wäschewaschen bis zu Amateurfilmen mit „Führerkonvoi“ und „Bubenwallfahrt"; vom „Bewegungskino“ rasender Slapstick-Performer und marschierender Proletarier bis zu Wien-Ansichten von Ernst Schmidt jr. und den Gebrüdern Lumière: Mattls Essays und Studien (von denen einige hier erstmals publiziert werden) sind reich an Deutung, Material und Kontext, an Witz und Kritik, oft im Dialog mit dem Film- und Geschichtsdenken bei Siegfried Kracauer, Michel Foucault und Jacques Rancière.
Quer durchs Rote Wien, Hanekes Weiß und Dylans Blues lädt uns Mattl ein, zurück und voraus zu schauen – auf Ephemeres, das zu Geschichte wird. (Verlagstext)
Inhalt
EINLEITUNG
Alles einsetzen. Spiel, Stadt, Sammlung: Siegi Mattls filmischer Geschichts-Sinn
Drehli Robnik
ROTES UND ANDERES WIEN
A Sense of Place
Wien im Film – Tramway, Millionen, Maskerade
Kontrast der Bewegungsformen
Die filmische Begleitung von Revolution und Restauration 1918/19
Pausenfüller
Das Notizbuch des Mr. Pim und Die vom 17er Haus
In der fluiden Stadt
Sonnenstrahl und die Produktion anderer Räume im »Roten Wien«
Österreich im Kopf und in den Beinen: Opernball
Die ephemere Stadt
Urbane Sequenzen in Wiener Amateur- und Gebrauchsfilmen
Haftraum Wien: Die Haut des Anderen
Filmgeschichte als Sozialgeschichte: Die Stadt Wien nach 1945
WIE VERFAHREN? FORSCHUNGSFRAGEN
Foto, Film, Geschichte
Das Bild der Vergangenheit bei Siegfried Kracauer, Georges Duby und Marc Bloch
Missratene Figuren
Der »Anschluss« 1938 im ephemeren Film
(gemeinsam mit Michael Loebenstein)
»Eine andere Realität, die zur Kamera spricht«
Film. Stadt. Wien. Ein transdisziplinäres Forschungsprojekt
(gemeinsam mit Vrääth Öhner)
Fiktion und Revolte
Kreuzungslinien von Politik, Geschichte und Cinephilie bei Jacques Rancière
Populare Erinnerung
Zur Nahbeziehung von Film und Geschichte
KÄMPFE / GEDÄCHTNISSE
Film versus Museum
Transgression und grotesker Körper
David Cronenbergs Dead Ringers
Cold War, Cool Warriors
Hollywoods Koreakriegsfilme um 1960
»No-one else is gonna die!«
Urban Warriors und andere Ausnahmefälle in neuen Kriegen und Blockbustern
(gemeinsam mit Drehli Robnik)
Arbeit in Bewegung
Un-Verhältnisse
Der neue österreichische Dokumentarfilm und die österreichische Zeitgeschichte
Heimat/Filme
Viermal Niederösterreich
Epochenbild
Über Michael Hanekes Das weiße Band
Journalist aus Leidenschaft
Über Claude Lanzmanns Memoiren Der patagonische Hase
Gladiator
Tod und Auferstehung des Erzählkinos in der Arena
Die Masken der Authentizität
Von D.A. Pennebakers Don’t Look Back zu Todd Haynes’ I’m Not There
Film/Historiografie
Anthropologie, Repräsentation, Gedächtnis and beyond
(mit den Lumières, Dreyer, Kubrick und Todd Haynes)
Filmregister
Quellennachweise