Krieg hat seinen Charakter in den vergangenen Jahrhunderten dramatisch geändert. Der Friedensforscher Jochen Hippler zeichnet die Wandelbarkeit von Krieg und Gewalt historisch nach und zeigt, dass in der "neuen" asymmetrischen Kriegsführung des 21. Jahrhunderts Politik und Medien wesentliche Faktoren sind, die über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Mit der Französischen Revolution betrat das Volk als politisches Subjekt die Weltbühne. Damit änderte sich auch die Kriegsführung, die nun die ganze Gesellschaft umfasste. Kabinettskriege der Monarchen wurden von Massenkriegen abgelöst, die im 20. Jahrhundert industriell ausarteten. In diesem klassischen Krieg der Moderne war die Überlegenheit der militärischen Feuerkraft für den Sieg entscheidend, der im Idealfall per Friedensvertrag anerkannt wurde.
Die neuen Kriegsformen finden immer weniger zwischen Ländern, sondern innerhalb von Gesellschaften statt. Gewalttätige Auseinandersetzungen im Kontext sogenannter "gescheiterter Staaten" und Aufstandsbekämpfung übernehmen das Terrain. Sieg oder Niederlage entscheiden sich nicht mehr hauptsächlich auf dem Schlachtfeld, sondern im Kampf um Governance-Strukturen und gesellschaftliche Akzeptanz. Ein rein militärisch ausgefochtener Sieg kann meist nur mehr mittels ethnischer Säuberung oder Völkermord errungen werden.
Mit der Art der Kriegsführung ändern sich auch die Bedingungen zur Beendigung von militärischer Gewalt. Eine zunehmende Zahl von Kriegsparteien vermindert die Chance auf Verhandlungslösungen ebenso wie eine oft fehlende Kontrolle über die Kämpfer. Ohne Herstellung einer allseitig akzeptierten Führung kann der neue Krieg zur allgegenwärtigen Dauerkrise werden, auch wenn das Niveau seiner Gewalt häufig schwankt.
Im letzten Teil seines Buches untersucht Jochen Hippler die dunkle Seite der Politik in aktuellen innergesellschaftlichen Konflikten und Bürgerkriegen zwischen Afghanistan, dem Nahen Osten und Afrika. Dabei setzt er sich mit Gotteskriegern, "humanitären Interventen", Aufständischen und Aufstandsbekämpfern, Terroristen und Befreiungskämpfern auseinander.
Inhalt
Einleitung: Auf dem Weg von Kadesh nach Aleppo -
Nachdenken über den Krieg .......................................................................... 7
Was ist Krieg?.....................................................................................................15
Ursprünge des Krieges - Begrifflichkeiten und Abgrenzungen......................15
Clausewitz als Ausgangspunkt...........................................................................24
Krieg denken und fühlen.................................................................................37
Psychologie, Organisation und politische Gewalt .......................................... 37
Krieg, Gemeinschaft und Heldentum ............................................................. 54
Krieg für Gott und Vaterland? Die Rolle der Ideologie...................................64
Geschichte und Wandel des Krieges............................................................... 81
Die Kriege der antiken Großreiche...................................................................81
Von der »Völkerwanderung« bis zum späten Mittelalter ...............................91
Die Zeit der Kabinettskriege ............................................................................ 96
Die napoleonischen Kriege .............................................................................101
Die Industrialisierung des Krieges................................................................. 104
Vergessen und verdrängt: Koloniale und imperiale Kriege........................... 108
Bausteine des Krieges:
Das Militär als Organisation und seine Gewaltmittel.................................121
Militär: Eine Bürokratie mit Kampfauftrag....................................................121
Das Militär als Instrument und Akteur..........................................................125
Krieg, Waffen und Technologie.......................................................................130
Typen des Krieges und der unkonventionellen Kriegführung................... 161
Zwischenstaatliche Kriege.............................................................................. 161
Innerstaatliche Kriege: Bürgerkriege und Aufstände.....................................169
Aufstände und Aufstandsbekämpfung als Kriegsform ................................. 174
»Krieg gegen den Terrorismus«? - Terrorismus und Counterterrorismus . .188
Imperiale Interventionen, Regime Change und »humanitäre« Kriege........196
War by proxy - Der Einsatz nichtstaatlicher Gewaltakteure......................... 217
Die Kriege im Nahen und Mittleren Osten.................................................. 225
Kriegsursachen und Kriegsdynamiken ..........................................................225
Der Charakter von Krieg im 21. Jahrhundert.............................................. 243
Verschwimmende Grenzen - Krieg entzieht sich den alten Begriffen ........ 243
Paradoxien des Krieges.....................................................................................259
Veränderungen der strategischen Rahmenbedingungen ............................. 274
Literaturverzeichnis ........................................................................................ 299