Die Entnazifizierung neu erzählt - ein genauer Blick auf die individuelle Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer NS-Vergangenheit.
Über die Entnazifizierung scheint das Urteil längst gesprochen: In Öffentlichkeit und Forschung gilt sie als missglückter Versuch einer frühen Vergangenheitsbewältigung, der vor allem an Täuschung und Vertuschung durch die betroffenen Deutschen scheiterte. Hanne Leßau zeigt, warum diese Einschätzung zu kurz greift. Gestützt auf Tagebücher, Notizzettel, Briefe und Zeitungsartikel sowie auf die Verfahrensakten macht sie eindrücklich sichtbar, dass die politische Überprüfung eine intensivere und ernsthaftere Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit im Nationalsozialismus anstieß, als wir heute vermuten. Ihr genauer Blick auf das Agieren der Deutschen in den komplexen Prüfbürokratien legt frei, dass viele versuchten ohne Schaden durch die Entnazifizierung zu kommen. Dabei entwickelten die zu Prüfenden neue Deutungen der eigenen NS-Vergangenheit, die für sie selbst ebenso glaubhaft sein mussten wie für andere. Ein erhellender Blick auf die Entnazifizierung und das Verhalten der Deutschen in den ersten Nachkriegsjahren, mit dem sich zentrale Fragen nach dem Übergang von der NS-Diktatur zur Bundesrepublik neu stellen.
(Verlagstext)
Inhalt
Einleitung............................................................................................. 7
Historische Forschungen zur Entnazifizierung..............................................13
Eine neue Perspektive........................................................................................19
Vorgehensweise, Quellen und Aufbau..........................................................26
I.
Die Entnazifizierung in der alliierten Nachkriegspolitik . ... 37
II.
Antworten geben. Konzeption, Anwendung und Aneignung
des Entnazifizierungsfragebogens.................................................55
1.
Entstehung und Bedeutung des alliierten Fragebogens........................58
2.
Fragelogiken der Entnazifizierungsfragebögen.........................................70
3.
Das Ausfüllen des Fragebogens................................................................78
4.
Wahre und falsche Antworten..................................................................101
III.
Auf der Suche nach Leumundszeugnissen. Das Sprechen über
personelle NS-Vergangenheiten im Privaten................................121
1.
Bedingungen privater Kommunikation
in der frühen Nachkriegszeit..................................................................124
2.
Das millionenfache Sprechen über personelle
NS-Vergangenheiten in der Leumundspraxis.......................................133
3.
Dynamiken der Zeugnisausstellung
zwischen persönlich Bekannten..............................................................143
4.
Die argumentative Struktur der Leumundszeugnisse
und ihre kommunikativen Ursachen....................................................179
IV.
Deutungen der eigenen NS-Vergangenheit. Argumentationsweisen, Themen und Leerstellen
der Entnazifizierungseingaben........................................................199
1.
Die Entnazifizierungsgeschichten und ihre Verfasser.........................201
2.
Biografisches Erzählen und die Distanzierung
vom Nationalsozialismus........................................................................213
3.
Das Themenspektrum der Entnazifizierungsgeschichten und sein erfahrungsgeschichtlicher Hintergrund..........................234
V.
In der Entnazifizierungsbürokratie. Formelle und informelle Interaktionen zwischen Verfahrensbetroffenen und
Prüfinstanzen................................................................................269
1.
Rechtliche Regelungen, institutionelle Logiken und der
Umgang mit Wissen in der Entnazifizierung.......................................272
2.
Personal und Arbeitsbedingungen der
Entnazifizierungsausschüsse in der britischen Besatzungszone. . . .295
3.
Das unaufgeforderte Aufsuchen von Ausschüssen und Prüfern . . .314
4.
Die formelle Entscheidungsfindung in den
Haupt-und Unterausschüssen..............................................................336
5.
Juristische Verfahrensweisen und ihre Auswirkungen
auf die Entnazifizierungsgeschichten....................................................374
VI.
Die Entnazifizierungsgeschichten in der
jungen Bundesrepublik.................................................................399
1.
Das Bewahren der Entnazifizierungsakten..........................................405
2.
Die Erfahrung der Entnazifizierung und der Rückblick
auf die eigene NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik...................437
Schluss: Was war die Entnazifizierung?............................................475
Dank.....................................................................................................490
Abkürzungen.........................................................................................492
Tabellen und Abbildungen....................................................................494
Quellen und Literatur..........................................................................495