Die Vielfalt wissenschaftlicher und therapeutischer Konzepte im Bereich von Sexualität und Gender geht mit Widersprüchlichkeiten einher. Ralf Binswanger entwickelt ein methodisches Modell aus psychoanalytisch-sexualwissenschaftlicher Perspektive, das mehr Klarheit beim Reden über Sexualität ermöglicht. Er betrachtet die erwachsene manifeste Sexualität unter zwei getrennten Gesichtspunkten: Sexualität per se und Sexualität in actu. Der erste Aspekt erschließt die konzeptionelle Gleichartigkeit von Homosexualität und den traditionell als »pervers« bezeichneten Sexualitäten mit der Heterosexualität. Sie alle werden als »erwachsene Sexualorganisationen« definiert. Der zweite beschreibt jedes einzelne sexuelle Fantasieren und Verhalten als eine widersprüchliche Einheit von Funktionen – der libidinösen Triebbefriedigung einerseits und einer Reihe nicht-sexueller Funktionen andererseits. Der Autor überträgt dieses Modell auf Gender, wendet es auf Freuds Partialtriebtheorie an und präzisiert darauf aufbauend Begriffe, die bisher uneinheitlich verwendet wurden, wie »Sexualisierung«, »Erotisierung«, »Sublimierung«, »latente Homosexualität« oder »Homophobie«. Aus diesen Begriffsklärungen ergeben sich wichtige theoretische und psychotherapeutische Konsequenzen.
Inhalt
Geleitwort 9
1 Einleitung 13
1.1 Zum Aufbau des Buches 14
1.2 Danksagung 16
Erster Teil
Mehr Klarheit beim Reden
über Sexualität und Gender
2 Mehr Klarheit beim Reden über Sexualität 21
Ein dynamisches Modell zur Strukturierung
sexualwissenschaftlicher Diskurse
2.1 Einleitung 21
2.2 Sexualität per se und Sexualität in actu 24
2.3 Zwischenbilanz: Konsequenzen des Modells
für die therapeutische Praxis 34
2.4 Exkurs: ICD-11 36
2.5 Vertiefung des Modells I: Sexualität in actu 39
2.6 Vertiefung des Modells II: Sexualität per se 51
2.7 Schlussfolgerungen 55
2.8 Zusammenfassung der Diskussion über
»Mehr Klarheit beim Reden über Sexualität«
in der Zeitschrift für Sexualforschung 56
3 (K)ein Grund zur Homosexualität 63
Ein Plädoyer zum Verzicht auf psychogenetische
Erklärungsversuche von homosexuellen,
heterosexuellen und anderen Orientierungen
3.1 Einleitung 63
3.2 Zwei Gesichtspunkte im Diskurs über Sexualität 68
3.3 Schluss 88
4 Sexualität und Gender:
Das gleiche Modell für beides? 91
4.1 Einleitung 91
4.2 Fragestellung 95
4.3 Mein umfassendes Modell zur Sexualität 97
4.4 Übertragung des Modells auf Gender 99
4.5 Gender in actu im Einzelnen 103
4.6 Schlussfolgerung 113
4.7 Praktische Anwendung meiner Modelle
zu Sexualität und Gender, mit Fallbeispiel 1 114
Exkurs
Mehr Klarheit beim Reden über Psychoanalyse
5 Meine methodischen und inhaltlichen
Schwerpunkte innerhalb der verschiedenen
Strömungen der Psychoanalyse 125
5.1 Zwei materielle Gegebenheiten
der individuellen Menschwerdung 126
5.2 Dialektische Methode 137
5.3 Kopernikanische Wende? 144
Zweiter Teil
Mehr Klarheit beim Reden über Trieb
6 Freuds Partialtriebtheorie aktualisiert 153
6.1 Leitlinien bei der Lektüre 153
6.2 Eine strategische Schlüsselstelle 154
6.3 Das Problem der Desexualisierung 165
6.4 Bestimmte Neurosen sowie (Homo- und andere)
»Phobien« als Negativ erwachsener Sexualorganisationen 167
6.5 Illustration an Freuds drei Formen des Masochismus 169
6.6 Begriffsbestimmungen 172
6.7 Morgenthalers Dialektik zwischen »dem Sexuellen«
und der »Organisierten Sexualität« 174
6.8 Die Umgangssprache verführt zu Missverständnissen 176
6.9 Vier Ebenen der Argumentation 178
7 Zur Analyse und Therapie bestimmter Neurosen 181
7.1 Illustrationen unter Beizug psychoanalytischer Literatur 181
7.2 Folgerungen für die psychotherapeutische Praxis 188
8 Zur Neuformulierung des Perversionsbegriffs 191
8.1 Perversionskonzepte in der psychoanalytischen Literatur 192
8.2 Fallbeispiel 2:
Außereheliche Promiskuität als perverse sexuelle Aktivität 199
8.3 Achtung Giftschrank:
Pädophilie und pädosexuelle Aktivitäten 204
9 Die Dynamik zwischen den Gesichtspunkten
Sexualität per se und Sexualität in actu 213
Literatur 217