Was kann die Genderforschung für die Germanistik leisten? Für die Literatur ist Geschlecht als eine Kategorie von grundlegender Bedeutung erörtert und untersucht worden. Der vorliegende Band fokussiert in einem historischen Querschnitt von zumeist deutschsprachigen Texten von der Frühen Neuzeit bis zur Moderne wie Geschlechtercodes und Geschlechternormen eingeschrieben sind. Dabei werden die wissenschaftlichen Grundzüge auf dem Gebiet der Gender Studies unter Einschluss der gegenwärtigen Forschungsinteressen und unterschiedlichen Positionen vorgestellt. Nach einem Überblick über die Genese der literarischen Genderforschung im ersten Kapitel bieten die weiteren Kapitel des Buches jeweils eine kurze Einführung in die Problemfelder mit sich anschließenden Detailanalysen. Sie historisieren die Geschlechterdiskurse der literarischen Genderforschung und einer kulturhistorisch ausgerichteten Germanistik. Es geht um symbolische Weiblichkeit und Männlichkeit, Körperdiskurse, Dämonisierung von Sexualität, Probleme von Auto / Biographie, Autorschaft, Ästhetik und Gender, um Konzepte von Familie, Freundschaft und Geselligkeit. Relevante Aspekte der Theoriebildung und Ergebnisse der literarhistorischen (Frauen)Forschung, die Debatten und Thesen der Feministischen Literaturwissenschaft und Gender Studies sind mit berücksichtigt und werden weitergeführt. Mit „Genderforschung und Germanistik“ liegt eine grundlegende Darstellung für alle diejenigen vor, die im Bereich der literarischen Forschung von der Frühen Neuzeit zur Moderne arbeiten. Der Band führt in zentrale Forschungsfelder und Bereiche literarhistorischen Wissens ein und zeigt, wie diese geschlechtlich codiert sind.
Inhalt
Vorwort 9
1. Gender: Zur Genese eines Forschungsfeldes 13
1.1 Geschlecht, Gender und Literaturwissenschaft 13
Gender als Forschungsfeld 15
1.2 Vom Feminismus und Women 's Studies zu den Gender Studies.... 19
Politischer Feminismus: Civil Rights Movement und
Second-Wave Feminism 19
Feminismus und literarische Frauenforschung in den USA 21
Feministische Literaturkritik 23
Women 's Studies und Gender 24
Differenz-Feminismus und Gender 29
Identity Politics 31
1.3 Kulturwissenschaftliche Germanistik und Genderforschung 33
Frauenbewegung und Feminismus 33
Écriture feminine unà parler femme in der Germanistik 36
Gender Studies als Forschungsfeld in der Germanistik 37
Gender Studies und der Social Turn 40
2. Geschlechterdiskurse:
Symbolische Weiblichkeit und Männlichkeit 45
2.1 Geschlechterkonstraktionen in der Frühen Neuzeit 45
Dr. Faustus und Courasche: Normative Geschlechterdifferenz 46
Die Figur des Dr. Faustus als Verhandlung über Männlichkeit 47
Courasche als Parodie von Weiblichkeit 51
Geschlechternorm und Geschlechtsangst 57
2.2 Poetische Bilder als Geschlechterdiskurse:
Eichendorffs Das Marmorbild. 59
Archaische Geschlechtermuster wiederbelebt 66
2.3 Die ,neue Frau' um 1900:
Geschlecht und Charakter im Werk Carl Hauptmanns 70
Geschlechterdiskurse um 1900 : 70
Die ,neueFrau' 71
Zum Biologismus Carl Hauptmanns 73
Triebhafte Frauen, tragisch-heroische Männer 75
Konstruierte Triebhaftigkeit und ,Blut und Boden' - um 1900 78
Neoromantik und Triebpsychologie 81
Verstoß gegen die Gesetze des Patriarchats 86
3. Körperdiskurse: Dämonisierung, Sexualität, Gewalt 91
3.1 Dämonie der Geschlechtlichkeit 91
Dämonie der Geschlechtlichkeit: Hexenküche und Walpurgisnacht
Imaginationen der Dämonie in der Frühen Neuzeit und in Faust 1 93
Imaginationen des weiblichen Körpers: Hexenküche 95
Frühneuzeitliche Bilder einer bedrohlichen, dämonisierten Natur:
„Hexenküche" 99
Körperängste und Disziplinierung von Sexualität und Geschlecht:
Hexensabbat 105
Die dämonische Hexenwelt als das Andere der Vernunft:
Walpurgisnacht: 113
3.2 Mythisierung von Sexualität und Gewalt in Döblins
Berlin Alexanderplatz 118
Die Hure Babylon als kulturelles Muster und Bewusstsein 120
Die „Gewaltkur", Sexualität und Geschlecht: Franz, Reinhold und die
Frauen 123
3.3 Ein Berlin-Roman nach der ,Gewaltkur': Ingeborg Drewitz'
Gestern war heute 126
4. Familie, Freundschaft, Geselligkeit 131
4.1 Familie und Patriarchat 131
Von Luther zu Goethes Hermann und Dorothea 132
Der Begriff,Familie' 135
Zur Konstruktion des christlichen Hausstandes' 136
Das Konstrukt .Hausmutter' und ,Hausvater' in der
Ökonomieliteratur 138
Wandlung zur ,Familie' im 18. Jahrhundert 143
Sentimentalisierung der Familie zur Idylle:
Goethes Hermann und Dorothea 148
4.2 Freundschaft und Geschlecht im 18. Jahrhundert
Freundschaftliche Briefe (Gleim) als homosoziale Freundschaft. 154
Zum Konzept Freundschaft und Geschlecht 154
Freundschaftliche Briefe als homosoziale Freundschaft 156
Freiräume für Frauenfreundschaften 160
4.3 Literarische Geselligkeit und kulturelle Emanzipation:
Handlungsspielräume für Frauen 161
Geselligkeit und Gesellschaft 161
Zur historischen Praxis literarischer Geselligkeit 164
Schleiermachers Konzept romantischer Geselligkeit 169
Geselligkeit, Bildung, Kommunikation und kultureller Raum 173
Kultureller Spielraum und soziales Kapital 177
5. Auto / Biographie, Autorschaft, Ästhetik aus der
Geschlechterperspektive 181
5.1 Autobiographie und Geschlecht 181
Annäherung an den Text und das Zeitalter 185
Identität und Bildersturz in Anna Maria van Schurmans Eukleria (1673)
Autobiographie, Subjekt und Geschlecht in der Frühen Neuzeit 186
Die äußere Biographie von Anna Maria van Schurman (1607-1678) 188
Das Ich und die gelehrte Öffentlichkeit: Zur Textgenese und Struktur
der Eukleria 196
Selbstinszenierung in religiöser Frauenrolle: Maria und Martha 198
Religiöse Identität in der Eukleria 200
„Imago cerea mei ipsius": Bildersturz und Identitätskrise einer Frau 204
5.2 Autorschaft und Geschlecht im literarischen Feld um 1800 207
Fichtes .Exkurs' über Autorschaft und Geschlecht 210
Der Zensurdiskurs und die .weibliche Feder' 213
Ästhetische Normenkontrolle 215
Literaturproduktion und Geschlecht 216
Geschlecht, Kontrollfiinktion und Autorschaft 220
Geschlecht und Autorschaft: .Frauenliteratur' 224
Epilog: Kulturelles Gedächtnis, deutsche Literatur und Gender ...229
Auswahlbibliographie 235