Kampfbegriff Neoliberalismus – berechtigte Kritik oder lamentierender Zeitgeist?
Der Begriff Neoliberalismus ist zu einer Kampfparole geworden – er dient als Negativfolie des modernen Kapitalismus mit einem globalisierten Markt, in dem nur der Wettbewerb zählt. Gerhard Willke bietet erstmals eine objektive Darstellung der neoliberalen Ansätze.
In der neueren wirtschaftspolitischen Diskussion wird der Begriff Neoliberalismus als negativ besetzte Chiffre verwendet. »Neoliberal« ersetzt das altbackene »spätkapitalistisch«, um anzuprangern, was mit dem Makel marktwirtschaftlicher Gesinnung und wirtschaftsliberaler Praxis behaftet ist: Konkurrenz und Profitmaximierung, Leistungsprinzip und Rentabilität, Deregulierung und Flexibilisierung, Kapital- und Finanzmärkte, Globalisierung und Standortwettbewerb, IWF, WTO und so fort. Neoliberale, so die Kritik, sind Verfechter des Wettbewerbs, des Egoismus und der Rücksichtslosigkeit und Apologeten eines Markt-Darwinismus.
Gerhard Willke bietet in seiner Einführung die Grundlagen für ein Verständnis des neoliberalen Projekts, das über eine undifferenzierte Verdammung einerseits und über eine bornierte Verherrlichung des Marktes andererseits hinaus geht. Er zeigt, auf welchen Prinzipien Markt und Wettbewerb beruhen und wie sie bei der Koordination wirtschaftlichen Handelns zusammenwirken. Objektiv und kritisch untersucht er, worin die Stärken und Schwächen, die Leistungsfähigkeit und die Leistungsgrenzen des Marktsystems liegen.
Darüber hinaus werden wichtige Wegbereiter des Neoliberalismus wie Friedrich August von Hayek und Milton Friedmann vorgestellt, die essenzielle Eckpunkte der neoliberalen Agenda formulierten. Am Schluss wird die Kritik am Neoliberalismus noch einmal an exemplarisch ausgewählten Brennpunkten wie z.B. der aktuellen Globalisierungsdebatte aufgenommen und dargelegt, wo diese Kritik verfehlt erscheint und wo sie zur Verbesserung des Verhältnisses von Markt und Staat eingebracht werden könnte.
Der Autor bemüht sich in seiner Einführung um eine objektive Darstellung jener Position innerhalb der Wirtschaftstheorie, die von ihren Kritikern als Ideologie des Neoliberalismus perhorresziert werde: 'Fasst man die verschiedenen Stichworte der Kritik am Neoliberalismus zusammen, dann fügen sie sich zum Bild einer Ideologie des absolut freien, radikal deregulierten, flexibilisierten und alles zersetzenden Marktkapitalismus.' (12) Gegen diese polemische Sichtweise stellt Willke die These, dass es zum neoliberalen Marktkapitalismus letztlich keine veritable Alternative gebe. Staatssozialismus und Wohlfahrtsstaat seien gescheiterte Alternativen. Am Markt als fundamentalem wirtschaftlichem Regulierungsmodus komme man nicht vorbei. 'Wenn man über eine undifferenzierte Verdammung des Neoliberalismus einerseits und über eine bornierte Verherrlichung des Marktes andererseits hinaus gelangen will, muss man sich wohl die Mühe machen, die Funktionsweise von Wettbewerbsmärkten und das Zusammenspiel zwischen Marktkoordination und staatlicher Regulierung genauer anzusehen.' (20) Diese Mühe macht sich der Autor. Inhaltlich gliedert sich die stark den wirtschaftlichen Aspekt des Neoliberalismus in den Vordergrund stellende Einführung in drei Teile. Teil eins, 'Das neoliberale Projekt: Vorrang für den Markt', beleuchtet die Institution des Marktes als Kern der neoliberalen Doktrin. Teil zwei, 'Die Wegbereiter des neoliberalen Projekts', stellt nuanciert die Theorien von Friedrich August Hayek und Milton Friedman dar. Teil drei, 'Brennpunkte der Neoliberalismuskritik', rekapituliert zentrale Topoi der Liberalismuskritiker wie 'Ökonomismus' und 'Deregulierung'.
Verfasser*innenangabe:
Gerhard Willke
Jahr:
2003
Verlag:
Frankfurt [u.a.], Campus-Verl.
Aufsätze:
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Systematik:
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ISBN:
3-593-37208-8
Beschreibung:
209 S.
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Fußnote:
Literaturverz. S. 196 - 204
Mediengruppe:
Buch