Ilse Koch war die Ehefrau des SS-Kommandanten von Buchenwald und eine der wenigen verurteilten NS-Täterinnen. Die Historikerin Alexandra Przyrembel skizziert in einer fundierten Spurensuche ihren Lebensweg, beschreibt den Prozess und die internationale Berichterstattung sowie die Zeit im Frauengefängnis in Aichach und die Unterstützung durch das Netzwerk der »Stillen Hilfe«.
Bereits 1932 wurde Ilse Koch (1906–1967) Mitglied der NSDAP, 1936 heiratete sie den späteren Kommandanten von Buchenwald. 1947 stand sie in Deutschland vor einem US-Gericht, 1950/51 vor einem deutschen Gericht, das sie zu lebenslanger Haft verurteilte. Ausgiebig berichtete die internationale Presse über die als besonders grausam geltende »Hexe von Buchenwald«. Von der Zeit des Nationalsozialismus über den Prozess bis zum Suizid 1967 in der Haft rekonstruiert Alexandra Przyrembel die unterschiedlichen Erzählungen über Ilse Koch. Dabei zeigt sie, welche Vorstellungen von Gewalt, Geschlecht und Schuld sich darin kristallisieren und warum.
Für die Nachkriegsgesellschaften wird klar: Je grausamer Ilse Koch geschildert wurde, desto mehr konnten Deutsche sich von ihr distanzieren und sich selbst entschulden. Eine kluge, erhellende Studie über das personalisierte Böse, das außerhalb der menschlichen Sphäre verortet wird. (Verlagstext)
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung 9
Erster Teil: Peinigen 29
1 Das Jahr 1932 und die NSDAP 35
Frauen in der Bewegung: NS-Frauen als Kampfgefährtinnen 38
Kampfgefährtin: Politische Emotionen und Selbstentwürfe
nationalsozialistischer Frauen 42
Die SS, die Ehe und die Familie: Ilse und Karl Koch heiraten 48
2 Idylle und Gewalt: Leben im Buchenwald 56
Weimar, die »Stadt der SS« und die Villen der Elite 61
Idylle und Familienglück: Eine Spurensuche und ein
Sonntagsspaziergang 69
Luxus und Exzess: Bereicherung und Gewalt 78
Gedächtnistexte und Grausamkeit:
Der >böse Geist< von Buchenwald 82
Tätowierte Haut als kriminologisches Forschungsobjekt und
als Reliquie 90
Zweiter Teil: Konfrontieren 103
3 Weimar, Buchenwald und die amerikanische Armee:
Nachkriegsgesellschaft und NS-Verbrechen 106
Unter Schock: Gewaltverbrechen in den Konzentrationslagern,
die amerikanische Armee und Weimar 106
Weimarer in Buchenwald 109
Ilse Koch, Lampenschirme und das Wissen über die
nationalsozialistischen Verbrechen 115
4 Vor Gericht in Dachau: Die Vereinigten Staaten und die
Ahndung der >mass atrocities< 118
Der Military Court in Dachau: Zielsetzung und Anklagepunkte
des Buchenwald-Prozesses 124
Ilse Koch vor Gericht in Dachau 129
5 Von der Urteilsrevision zum Skandal: Die Debatte über die
>gerechte< Bestrafung Ilse Kochs 135
Der Senatsausschuss und die Revision des Dachauer Urteils 139
6 >Doing< Democracy? Die amerikanische Presse und die
NS-Verbrechen 150
Die amerikanische Presse und die >atrocities<
der Konzentrationslager 151
Ilse Koch und das Böse 157
Demokratie vermitteln 159
Dritter Teil: Verantworten 175
7 Extreme Gewalt und die Nachkriegsjustiz 180
Konjunkturen der Strafverfolgung 180
8 Wolfsgesellschaft: Die deutsch-deutsche Beziehungsgeschichte
und der Fall Ilse Koch 189
Ilse Koch, ein ehrgeiziger Staatsanwalt und der Kalte Krieg:
Weimar oder Augsburg 190
Das Buchenwald-Komitee: Antifaschismus und Kontrolle 195
9 Strafen: Die >Kommandeuse< von Buchenwald in Augsburg 204
Das Gericht: Juristische Akteure und
andere Männer im Hintergrund 205
Zeugen, Bezeugen, Objekte: Überlebende und Täter 216
Im Gerichtssaal: Kriegsschauplatz im Nachkrieg 222
»Grausamkeitsroboter«: Ilse Koch vor Gericht und in der
Psychiatrie 230
Urteil: Ilse Koch und die anderen Frauen 235
10 Der Prozess und die Gesellschaft: Reaktionen auf den
Augsburger Prozess 243
Individuen fordern Rache 244
Deutsch-deutsche Berichterstattung: Die >Kommandeuse<
von Buchenwald und die >Schmach<aller Deutschen 246
Vierter Teil: Leugnen 263
11 Im Gefängnis: Die Strafgefangene Ilse Koch 267
Aichach 270
Reformierung des Strafvollzugs 272
Amerikanische Gefängnisse als Anschauungsobjekte:
Strafvollzug als Erziehungsarbeit und
die Gefangene Ilse Koch 275
Das Netzwerk >Stille Hilfe< 282
Gnadengesuche und die »schwarze Legende< der Ilse Koch 288
12 Sichtbare, unsichtbare Gegenwart: Ilse Koch und andere
Frauen erinnern sich an das >Dritte Reich< 291
Nationalsozialistinnen erzählen über ihr Leben im
>Dritten Reiche Selbststilisierung und das Sterben
der anderen 292
Briefe schreiben: Antisemitismus, Kinder und die Schuld
der anderen 302
Schluss: Das >Böse< erzählen - Phantasmagorien und
die Nachkriegsgeschichte 309
Dank 319
Anmerkungen 321
Quellen und Literatur 408
Personenregister 430