Aus der unveröffentlichten Autobiographie ihrer Mutter Ernestine, aus Briefen der Familien Freud und Drucker, aus Tagebüchern und Erinnerungen hat Sophie Freud ein erzählendes Mosaik komponiert, in dem die Schicksale dieser berühmten Familie und ein ganzes die Welt veränderndes Jahrhundert lebendig werden. Ihr ganzes Leben lang hat Ernestine Drucker, genannt Esti, der Gedanke nicht verlassen, sie sei nicht liebenswert. Vielseitig begabt und schön schien der jungen Frau aus reichem, jüdischen Hause doch vorerst das Leben offen zu sein, als sie den ältesten Sohn von Sigmund Freud, den Juristen Martin, heiratete. Doch die Ehe wurde nicht glücklich. Zum endgültigen Bruch kam es, als die Familie Freud 1938 nach dem "Anschluss" an Hitler-Deutschland gezwungen war, Wien zu verlassen. Während der berühmte, schwer kranke Sigmund Freud mit dem Großteil der Familie, auch mit Martin und dem Enkelsohn Walter, nach London emigrieren konnte, seine vier Schwestern aber in Wien bleiben mussten und später in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden, gelang Ernestine mit Sophie die Flucht über Frankreich und Portugal bis schließlich nach Amerika. In fremden Sprachen kämpfte sie um ihres und der Tochter Überleben, studierte und promovierte als über 50jährige noch in Amerika und machte sich als Logopädin und Sprachtherapeutin einen Namen, doch bei allen Erfolgen hat sie das Gefühl, unglücklich und nicht anerkannt zu sein, nie verlassen.Ermuntert von ihrer Tochter Sophie, schrieb Ernestine Freud eine Autobiographie, die sie ihren Kindern und Enkelkindern vermachte. Die Resonanz auf ihre subjektive, auch klagende Sichtweise war vernichtend. "Wir sind eben eine kritische Familie", sagt ihre Tochter Sophie Freud.Zwanzig Jahre nach dem Tod der Mutter und angeregt durch Briefe aus deren Verlobungszeit, entschloss sich Sophie Freud, schon als alte Frau, Erinnerungen an das schwierige Leben ihrer Mutter und damit auch an ihre eigene Jugend zusammen zu tragen. Sie taucht in die Familie ein, ght den Schicksalen nach, kontrastiert die Aufzeichnungen ihrer Mutter mit ihrem eigenen Jungmädchentagebuch aus den Kriegs- und Emigrationszeiten, ergänzt die Lebensgeschichte durch Briefe, ohne den Mittelpunkt - die Mutter - aus dem Auge zu verlieren. "Dieses Buch", schreibt Sophie Freud, "gibt mir die Gelegenheit, Abschied zu nehmen von Menschen, die ich nicht genügen geliebt habe. Ich sehe nun alle diese Menschen in einem neuen Licht." Ein einfühlsames Porträt über eine Frau in ihrer Zeit, über Entwurzelung, Selbstbehauptung und über erschütternde Lebenswege in einem dramatischen Jahrhundert, wie es aufschlussreicher und ergreifender nicht sein kann.Myriam Sophie Loewenstein-Freud (* 6. August 1924 in Wien) ist eine in Boston lebende promovierte Psychologin, Sozialpädagogin und Sozialwissenschaftlerin. Sie ist Enkelin und zugleich harte Kritikerin der Theorien ihres Grossvaters Sigmund Freud, den sie für weit überschätzt hält.
Inhalt
Eine lange Reise 11
Apologia 20
Österreich
Erster Teil. Kindheit
1. Kapitel. Kindheitserinnerungen 25
2. Kapitel. Die (Groß)Eltern nebenan 37
3. Kapitel. Frühe Schuljahre 42
4. Kapitel. Heranwachsen 47
Zweiter Teil. Junge Frau
1. Kapitel. Auf Berge steigen 50
2. Kapitel. Österreichs Krieg verwandelte sich bald in eine
Niederlage 53
3. Kapitel. Der andere berühmte Großvater 58
Dritter Teil. Martin Freud
1. Kapitel. Begegnungen mit Martin Freud 62
2. Kapitel. Briefe an einen Kriegsgefangenen 76
Vierter Teil. Ehejahre
1. Kapitel. Glück und Leid 97
2. Kapitel. Junge Mutter 104
Fünfter Teil. Meine Ausbildung als Logopädin
1. Kapitel. Der Anfang eines selbständigen Lebens 112
2. Kapitel. Mutters Gedichte 123
Sechster Teil. Die dreißiger Jahre
1. Kapitel. Großvater Freud 129
2. Kapitel. Franz-Josefs-Kai 65 136
3. Kapitel. Zimmer voller Erinnerungen 139
4. Kapitel. Auf die Apokalypse warten 154
5. Kapitel. Helden ihres eigenen Lebens 163
Frankreich
Siebenter Teil. Die Jahre in Paris und Exodus
1. Kapitel. Paris. Eine neue Heimat? 177
2. Kapitel. Tante Janne 181
3. Kapitel. Geliebtes Herzenspuckerl 186
4. Kapitel. Die wunderbare Aufnahme in das
Lycee Jean de La Fontaine 194
5. Kapitel. Zwölf Jahre würden vergehen,
bevor ich mein Kind wiedersah 198
6. Kapitel. Gepäck aus Wien 202
7. Kapitel. Aber wir schrieben uns eine Weile 207
8. Kapitel. Sigmund Freud als Eheberater 212
9. Kapitel. Der Sommer vor der Finsternis 216
10. Kapitel. (Groß) Eltern Drucker, nochmals 220
11. Kapitel. UneDrole de Guerre 222
12. Kapitel. Ich musste etwas tun, um Hitlers Krallen
zu entkommen 228
13. Kapitel. Balzac in Castilliones 237
14. Kapitel. Kriegszeit in Nizza 240
15. Kapitel. Irrsinn 266
16. Kapitel. Mademoiselle Kronheim 276
17. Kapitel. Von Marseille nach Casablanca 284
18. Kapitel. Die Verspätung der Serpapinto 290
19. Kapitel. Wartezeit in Casablanca 299
20. Kapitel. Von Casablanca nach Lissabon 310
21. Kapitel. Lissabon 313
22. Kapitel. Auf der Carvalho Arujo nach Amerika 318
23. Kapitel. Ankunft in Amerika 328
Amerika
Achter Teil. U. S.A.
1. Kapitel. Das neue Land 335
2. Kapitel. Weder die Familie noch Vater haben die
geringste Absicht, uns Geld zu schicken 338
3. Kapitel. Radcliffe. Sommer 1943 354
4. Kapitel. Am Anfang war es sehr schwer 360
5. Kapitel. Vorträge für den United Jewish Appeal
6. Kapitel. New York City - eine neue Heimat 368
7. Kapitel. Mein Doktorat dauerte sieben Jahre 371
8. Kapitel. Keines meiner Kinder lud mich zur Hochzeit ein 374
9. Kapitel. Im New York Hospital 383
10. Kapitel. Fälle von Erinnerungstäuschung 385
11. Kapitel. Mrs. Sigmund Freud 397
12. Kapitel. Großmutter Freuds Briefe an Sophie und Paul 407
13. Kapitel. Das Unglück in Valk? 410
14. Kapitel. Die sauberen Schwäger 416
15. Kapitel. Lass mich klagen 420
Neunter Teil. In letzter Zeit
1. Kapitel: Das Fräulein. Gerne denke ich an die guten Tage im
Hause Freud zurück 426
2. Kapitel. Nach meinem Ph. D. wurde das Leben leichter 439
3. Kapitel. Freunde auf dem Friedhof 441
4. Kapitel. Tante Jannes Tragödie 444
5. Kapitel. Martins Geist 450
6. Kapitel. Arbeit bis zum letzten Atemzug 455
7. Kapitel. Mutters Tod ohne Tochter und ohne Sohn 462
Quellennachweis 475