Wie steht es um die nationale österreichische Identität in der Zweiten Republik, und was bedeutet dies für Männer und Frauen? Dieser Frage geht die Autorin unter Verwendung eines genderspezifischen Ansatzes nach. Trotz des Verzichts auf nationales Pathos und mit der Beschränkung auf einen "Nationalismus light" knüpft das "Haus Österreich" nach Kriegsende klar an Traditionen westlicher Nationalismen an, ebenso an traditionelle Geschlechterhierarchien, die den "nationalen Wiederaufbau" stabilisieren. Begreifen wir "Nationale Identität" nicht als statische, als stabile Größe, sondern als Teil eines ständigen Prozesses sozialer Beziehungen, in den (neue) Werthaltungen und Sichtweisen einfließen und konstruiert werden, dann kommt der Kategorie "Geschlecht" in der Erklärung ein zentraler Platz zu.
Die in modernen nationalen Gesellschaften eingeschriebenen Ungleichheiten der Geschlechter haben Auswirkungen und Entsprechungen in die Gegenwart herein. Der politischen Bedeutung der bipolaren nationalen Konstrukte von "Männlichkeit" und "Weiblichkeit" steht allerdings die sträfliche Vernachlässigung der Kategorie "Geschlecht" in der Nationalismusforschung gegenüber. Die Untersuchung arbeitet diesem Mainstream vorgegebener "Geschlechtsneutralität" entgegen, durchleuchtet den nationalen Überbau nach geschlechtsspezifischen Prägungen und legt die Ein- und Ausschließung von Frauen in bzw. aus den nationalstaatlichen Konzeptionen dieser Zweiten Republik offen.
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung zur Neuauflage 9
Vorwort zur Erstausgabe von Anton Pelinka 15
Vorbemerkung zur Erstausgabe 17
Leitthesen und Leitfragen zu einem unbearbeiteten österreichischen Forschungsfeld 19
Wissenschafterlnnen und ihr Umgang mit Geschlecht (sex und gender) 26
Geschlechtsneutrale, geschlechtsblinde und gender-einbeziehende Theorien 26
Neues und "Geheimes" aus Politik- und Gesellschaftswissenschaft 28
Exkurs: Bilder im Wandel 30
Weibliche Intellektuelle und ihr Beitrag zur "Österreichischen Nation" 32
Verhinderte, ungehörte und abseitige, entlegene Diskurse 32
Nations-Diskussionen im Widerstand - Der Beitrag der Kommunistinnen 37
Die österreichischen Schriftstellerinnen - Intellektuelle ohne Stimme? 40
Exkurs: Ingeborg Bachmann - kompetent als Lyrikerin und Österreicherin 45
Bachmann-Original-Gesprächsauszüge zur Österreich-Identität 47
Der Übergang: Nationale Orientierung 1945 50
Umbrüche - Rückbrüche 50
Ikonen des Wiederaufbaus: Idealisierte und stigmatisierte Menschentypen 56
Arbeiterhelden - Männer im Wiederaufbau - Männerwelten (?) 57
Nationale Bilder und Realitäten: "Kaprun" - Österreich-Symbol Nummer eins 59
Kaprun: "Schlachtfeld der Arbeit" 61
"Die Männer von Kaprun" - oder: Gruppenbild mit Dame 62
Frauen der "Ersten Stunde": Trümmerfrauen, "Trümmerweiber", Aufbauhelferinnen 67
Sündenböcke der Nation: "Gefallene Mädchen", Arbeitsverweigerer, DPs 70
Exkurs: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!" 74
"Nationale Grenzverletzungen" 76
"Die Eigene(n)" und der "Fremde" 76
Der Kampf gegen "Fremdbesetzung" und "Fremdgängerinnen" 77
"Die Ehre Österreichs in den Schmutz ziehen"? 79
"Nie gegen die Gis - ausschließlich gegen die schamlosen Linzer Mädchen!" 82
"Haus Österreich" - Zuflucht und Heimat für "gefallene Mädchen"? 84
Die stabile Innenseite nationaler Politik - der lange Weg zur Partnerschaft 88
Geschlechterrollen im Spiel gesellschaftlicher Arrangements 88
Nationale Anforderung Nummer eins: Mutterschaft zwecks
Rettung des "bedrohten Volksbestandes" 92
Nationale Anforderung Nummer zwei: weibliche Erwerbstätigkeit 94
"Neue Frauen" und Vorbild-Nationen 96
(K)ein Vaterland ohne Väter - Grenzen der Partnerschaft 99
Aufbrüche - und ein offener Schluss 102
Partnerschaft gegen Männerbündelei - oder: "Ohne Frauen
ist kein Staat zu machen!" 102
"Der österreichische Weg": Zwei Schritte vor, einer zurück! 103
Von der "Verstaatlichung" zur "Veränderung der Frauenfrage" 107
Anti-Kriegshaltungen als nationaler Grundkonsens:
Die Neutralität als geschlechtsneutrale Metapher 109
Als Vorbemerkung und Einstimmung 109
Genese und Entwicklung des österreichischen Bundesheeres 112
Das Heer: Produktionsstätte nationaler Geschlechtsidentitäten 116
"Frauen ins Bundesheer": Nationale Ehre oder Lückenbüßerfunktion? 120
Ein Schnuppertag mit Folgen 124
Vorbild Israel: Vaterlandsliebe, Tapferkeit und militärische Stärke 126
Zwischen Krieg und Frieden - oder: Von Arbeitsplätzen und
(inter-)nationalen Interessen 130
Männer, Frauen - und ein oberster Befehlshaber 134
Nationalsport und Sportpatriotismus -
Geschlechterrepräsentanz und Geschlechterhierarchien 137
Sport und Fußball in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung 137
Männlichkeitsritual "Fußball" 143
Geschlechtergleichheit als Ende des alten Sportpatriotismus? 148
Exkurs: "Fit mach mit!" als österreichisches National(feiertags) -Gefühl? 154
Österreich - Images und ihr Geschlecht: 1175 Jahre Österreich 159
Die Wiener Sängerknaben: out of time? 159
Die Spanische Hofreitschule - letzter maskuliner Hort? 161
Glanz und Untergang der "Wiener Philharmoniker"? 162
Statt einer Schlussbemerkung: Auch das ist Österreich! 166
Literatur 169