Die Erfahrung von Nähe und Geborgenheit ist von fundamentaler Bedeutung für die emotionale Entwicklung von Kleinkindern. Doch seit der Entstehung der Hochkulturen wird das Band zwischen einer Mutter und ihrem Baby immer stärker zerrissen. Diese Erfahrung der Verlassenheit führt zu einer tiefen Traumatisierung. Franz Renggli zeichnet die Geschichte der Mutter-Kind-Beziehung vom Aufblühen der Stadtkulturen bis in die heutige Zeit nach.
Anhand von Marienbildern aus der Zeit des Mittelalters und der Renaissance veranschaulicht der Autor, wie ein Baby einerseits der Trennung von der Mutter hilflos ausgeliefert ist, aber andererseits eine erschreckende »Über-Nähe« zwischen Mutter und Kind besteht, Ausdruck der viel zu hohen Ansprüche und Erwartungen der Mutter an ihr Kind. Diese zwiespältige Haltung hat Folgen für das Erleben und Verhalten der erwachsenen Menschen: Hier liegt der Ursprung des Geschlechterkampfes.
INHALT
Einleitung
1 Zur Evolution der menschlichen Angst
Die Bedeutung der Bindung
1.1 Die Nestflüchter
1.2 Die Nesthocker
1.3 Die spezielle Situation der Babys bei den Affen/Primaten
1.4 Die spezielle Situation des Menschen
1.5 Ein Baby bei den Jägern und Sammlerinnen
1.6 Das Baby in den ursprünglichen Kulturen- sein Leben in den Dörfern
1.7 Das Leben eines Babys in den Hochkulturen, in den Städten
2 Das Baby in den alten Hochkulturen: Sumer und Babylon
2.1 Die Trennung von Mutter und Baby in Sumer, der ersten Hochkultur
2.2 Atramchasis: Der Flutmythos
2.3 Zur Deutung des Flutmythos
2.4 Kinderlieder und medizinische Texte
2.5 Trauerlieder
2.6 Klagen über die Zerstörung einer Stadt
2.7 Gemeinsamkeit in der Flutgeschichte, in den Trauer-
und Klageliedern - eine Deutung
2.8 Geburtsbeschwörungen
2.9 Die Flut als Geburt
2.10 Die große Göttin Inanna
2.11 Die Dämonin Lamaschtu
2.12 Inannas Abstieg in die Unterwelt
3 Veränderungen in der Kleinkinderbehandlung seit dem Hochmittelalter und der Renaissance - seit dem Aufblühen des Handelskapitalismus in Europa
3.1 Kurze Vorgeschichte meiner Forschung
3.2 Europa in einer Krise vom 14. bis 17. Jahrhundert
3.3 Die Pest als Ausbruch einer Massenpsychose
3.4 Das Wesen einer Psychose
3.5 Spaltungen in Europa
3.6 Luther und seine Teufelspsychosen
3.7 Massenpsychotische Phänomene im Mittelalter
3.8 Die Hexenprozesse
3.9 Hintergründe der Hexenvernichtung - der Hexenhammer
3.10 Das Ende der Psychose - der Normierungsprozess
3.11 Zur Geschichte der frühen Mutter-Kind-Beziehung in
der christlich-abendländischen Kultur
3.12 Die Angst vor dem nächtlichen Erdrücken eines Babys
3.13 Dokumente von kleinkindlichem Schreien in Europa
3.14 Maria und Jesus
3.15 Zur tiefenpsychologischen Deutung der Marienbilder
3.16 Die erotische Übernähe zwischen Maria und Jesus
3.17 Die depressiven Mütter
3.18 Die Bedeutung der Marienbilder
3.19 Das verlassene Kind im höfischen Roman
3.20 Worin liegt die Bedeutung der Ritterromane?
4 Erziehung zum Schreien
Die Mutter-Kind-Beziehung im Industriekapitalismus
4.1 Die Grundlage unserer Kultur
4.2 Die Entfremdung in der Mutter-Kind-Beziehung seit dem 18. Jahrhundert
4.3 Die Geburt in der Klinik im 20. Jahrhundert
4.4 Das Wesen der Erziehung
4.5 Die Ambivalenz der Mütter - die psychotische Struktur in uns allen
4.6 Die Fluchtwege aus dieser »Urverletzung«
5 Schlussbetrachtungen
Gibt es Hoffnung?
5.1 Die stille Revolution
5.2 Der Blick nach innen
5.3 Der Beginn eines lichtvollen Zeitalters
5.4 Epilog: An die Eltern
Dank
Bibliografie
Abbildungen
Anmerkungen
Register