Das Märchen vom eigensinnigen Kind ist kurz und schrecklich, und illustriert mit seltener Brutalität, was mit Kindern geschieht, die ›nicht tun, was ihre Mütter haben wollen‹. Damit ist es – so die beiden Literaturwissenschaftler_innen Wolfram Ette und Karin Nungeßer – ein sehr deutsches Märchen. Ausgehend vom Grimm’schen Text erkunden sie, was Eigensinn ist und welche Konsequenzen seine Unterdrückung hat.
Dabei geht es auch um die Frage historischer Kontinuitäten und transgenerationaler Weitergaben. Welche Spuren zeitigen der Nationalsozialismus und die Erziehungsratgeber von Johanna Haarer bis heute? Hat die Neue Rechte etwas mit unterdrücktem Eigensinn zu tun? Welche Fantasien treiben sie an? Welche Rolle spielt die Angst in der Attraktionskraft dieser und anderer sozialer Bewegungen und welche Rolle der Mangel? Lassen sich die destruktiven gesellschaftlichen Dynamiken des zugeschriebenen und unterdrückten, des ausgemerzten und verdrängten, des entstellten, ignorierten, parodierten, ungelebten, nicht totzukriegenden Eigensinns durchbrechen – und wenn ja, wie?
Inhalt
Vorbemerkung 13
1 Das Grimm’sche Märchen 15
Der Zirkel 15
Die Hand 16
Wer töten kann 16
Das Kippbild 17
Über Lebende und Tote 20
Präsozial 21
Es ist nur zu deinem Besten 22
Nichts ist, wie es sein soll 23
Ungerührt 25
Am Grab 26
Eigensinn 27
Das Kind 28
Was fehlt 28
Postsozial 29
Die Form ist die Botschaft 31
2 Unterdrückung und Eigensinn 33
Vom Dagegen zur Selbstoptimierung 33
Herrschaft und Knechtschaft / Requiem 36
Sich ins Verhältnis setzen 44
3 Variationen des Eigensinns 47
4 Von Anfang und Ende 51
Chor der Schwangeren 51
Es ginge auch anders 53
Von der Erbsünde 55
Gottgleich 56
Autonomie 56
Todesangst und Todeslust 57
5 Schwarze Pädagogik 59
Über Erziehung 59
Von der Gewalt, die das Scheitern gebiert 59
Die Haarer ist schuld 66
6 Lebensläufe 79
Selbstbefragung 79
Krieg und Eigensinn 79
Der Vater 80
Die Hand II 87
Das Geheimnis 88
Über Ironie 90
Pflegeleicht 91
Dialektik der Zwangsjacke 93
Altersstarrsinn 94
Die Höhle 103
Aufmerksamkeitsdefizit I 104
An den Zitzen der Wirklichkeit 105
7 Zukunft des Eigensinns 107
Schuldangst 107
Aufmerksamkeitsdefizit II 109
Identität und Geborgenheit 111
Erziehung zum Eigensinn 113
Eine Welt voller Feindseligkeiten 115
Unendliches Begehren 119
Über Trennung und Verbindung 120
Herrschaft und Knechtschaft II 122
Zum Ende 122
Anmerkungen 127