Der Faszination, die von dem "Phänomen Honigbiene" ausgeht, kann man sich kaum entziehen. Und die Honigbienen enthüllen uns ihre Geheimnisse so dosiert, dass man süchtig nach ihnen werden kann. Alte Ansätze, frische Blickwinkel und neue Untersuchungsmethoden lassen das Bild eines Superorganismus entstehen, der zu den erstaunlichsten Geschöpfen der Erde zählt. Die hochorganisierte Staatenbildung der Bienen und ihre überragende Bedeutung für die Biodiversität vieler Biotope wie auch für die Erträge der Landwirtschaft machen sie zu einem bedeutenden Gegenstand des Interesses von Experten wie Nichtfachleuten.
Was sind die Erfolgsgeheimnisse dieses Superorganismus? Was macht seine einsame Sonderstellung aus? Im letzten Jahrzehnt sind - insbesondere in der Arbeitsgruppe um Professor Jürgen Tautz - viele Daten und Erkenntnisse zusammengetragen worden, die ein in vielen Aspekten gänzlich neues Bild der Honigbiene entstehen lassen. Der ansprechend gestaltete Text-Bild-Band wird erstmals diese "Neue Biene" in verständlicher und unterhaltsamer Weise einem breiten Publikum vorstellen. Die Texte und die beeindruckenden Fotografien von Helga R. Heilmann führen dem Leser und Betrachter die Ästhetik, die Komplexität und die atemberaubenden Errungenschaften des "Phänomens Honigbiene" im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen. So finden hier auch die berühmten Werke von Karl von Frisch ein kongeniales Update. (Verlagsinformation)
Ein Porträt des Autors aus der Main-Post vom 6.10.2006:
Es ist ein kleines Wissenschaftsmärchen. Und es beginnt mit einem Geschenk. Einem Bienenstock. Der Neurobiologe Jürgen Tautz, der mit kleinen Krebsen, seinem Forschungsobjekt, von Konstanz gekommen war, forschte und lehrte schon einige Jahre an der Würzburger Universität. Eines Tages - Tautz erinnert sich gut und erzählt es gerne - stand der Kollege Martin Lindauer vor der Tür. Mit einem Bienenvolk. "Es ist ein großer Fehler für einen Zoologen, sich nicht mit Bienen zu befassen", sagte der weltberühmte Bienenforscher und ließ Tautz mit dem Geschenk allein. Bienen also! Jürgen Tautz stellte den Stock etwas skeptisch in den Garten. Und begann zu beobachten. Er las Fachliteratur, versuchte zu verstehen - und wunderte sich immer mehr. Vieles, was da geschrieben stand, hatte mit dem geschäftigen Treiben in seinem Garten nichts gemein. Und so vieles, was er fasziniert und erstaunt sah, konnte die Literatur nicht erklären. "Hinterlistig" sei das von seinem Kollegen gewesen, schmunzelt Tautz heute, gut zehn Jahre später. Lindauer, Schüler des Nobelpreisträgers Karl von Frisch, hatte am Würzburger Biozentrum eine sehr erfolgreiche Forschergruppe aufgebaut. Doch mit seiner Emeritierung war die Bienenforschung auf Eis gelegt worden. "Ich habe Blut geleckt", sagt Tautz. Und wohl auch süßen Honig. Der Neurobiologe verabschiedete sich kurzerhand von seinem alten Forschungsgebiet und wandte sich ganz den Bienen zu. Genauer: den Honigbienen Woher weiß jedes einzelne der 50 000 Tiere eines Volkes, was es zu tun hat? Wie tauschen sich Pollensammlerinnen und Kindergärtnerinnen, Putzbienen und Nest-Bewacher im Stock-Dunklen aus? Wie gelingt es den fliegenden Architekten, Netzwerke aus perfekten Sechsecken zu bauen? Wie schaffen es die Meister der Statik, dass 40 Gramm ihrer kunstvollen Wachsbauwerke zwei Kilo Honig tragen können? Wieso werden manche Bienen nur vier Wochen alt und andere leben mit genau gleichen Genen über vier Jahre? Mit seiner "Bee-Group" sucht der emsige und stets neugierige Wissenschaftler seit zehn Jahren nach Lösungen der vielen Rätsel.
/ AUS DEM INHALT: / / /
Prolog: Das Bienenvolk -
ein Säugetier in vielen Körpern
Eigenschaften, auf denen die Überlegenheit der Säugetiere beruht, finden
sich in gleicher Zusammenstellung auch im Superorganismus Bienenstaat.
Das kleinste Haustier des Menschen -
ein Steckbrief in Bildern 11
Die Honigbiene ist nicht nur ein faszinierendes evolutionsbiologisches
Erfolgsmodell, sondern durch ihre Bestäubungsleistung auch von
überragender ökonomischer und ökologischer Bedeutung.
1. Wären Honigbienen vermeidbar gewesen? 29
Die Lebensform der Honigbienen musste in der Evolution unter
geeigneten Voraussetzungen entstehen.
2. Die vermehrte Unsterblichkeit 37
Die gesamte Biologie der Honigbienen ist darauf ausgelegt, der Umwelt
Materie und Energie zu entnehmen und so zu organisieren, dass daraus
Tochterkolonien von höchster Qualität entstehen. Diese zentrale Einsicht
ist der Schlüssel zum Verständnis der erstaunlichen Errungenschaften und
Leistungen der Honigbienen.
3. Die Honigbiene - ein Erfolgsmodell 53
Honigbienen sind eine extrem artenarme Gruppe, aber ihr gestaltender
und erhaltender Einfluss auf Biotope ist überragend.
4. Was Bienen über Blüten wissen 71
Die Sehwelt und die Duftwelt der Bienen, ihre Orientierungsfähigkeit und
ein Großteil ihrer Kommunikation drehen sich um ihre Beziehung zu den
Blüten pflanzen.
5. Bienensex und Brautjungfern 113
Der Sex der Honigbiene ist ein Bereich ihrer Privatsphäre, über die wir noch
immer mehr spekulieren als wissen.
6. Schwesternmilch - Designerfood im Bienenvolk 139
Die Larven der Honigbienen ernähren sich von einem Drüsensekret
der erwachsenen Bienen, dessen Funktion der Muttermilch von Säugetieren entspricht.
7. Das größte Organ der Bienenkolonie -
Wabenbau und Wabenfunktion 155
Eigenschaften der Waben sind integraler Bestandteil des Superorganismus
und tragen damit zur Soziophysiologie des Bienenvolkes bei.
8. Erbrütete Klugheit 203
Die Brutnesttemperatur ist eine Regelgröße in der bienengeschaffenen
Umwelt, mit der die Bienen Eigenschaften ihrer kommenden Schwestern beeinflussen.
9. Honig ist dicker als Blut - oder: Wie wichtig sind
Verwandte? 233
Die engen Verwandtschaftsverhältnisse in einem Bienenvolk sind Folge,
aber nicht Ursache ihrer Staatenbildung.
10. Die Kreise schließen sich 247
Der Superorganismus Bienenstaat ist mehr als die Summe aller seiner
Bienen. Er besitzt Eigenschaften, die man bei den einzelnen Bienen nicht
findet. Umgekehrt bestimmen und beeinflussen Eigenschaften der
gesamten Kolonie im Rahmen ihrer Soziophysiologie viele Eigenschaften
der Einzelbienen.
Epilog: Ausblicke für Biene und Mensch 271
Literatur 274
Bildnachweis 274
Index 275