Mit diesem sehr persönlich und engagiert geschriebenen Buch will Rupert Riedl erreichen, daß wissenschaftliche Erkenntnis mehr als bisher auf die Lebenspraxis in unserer Gesellschaft angewandt wird. Bewußt schließt er sich – auch im Titel – an Konrad Lorenz' vieldiskutiertes Buch »Der Abbau des Menschlichen« an.
Diesem Abbau ging der Aufbau voraus. Er erfolgte unter den strengen Prüfungen von hunderttausenden von Jahren und schuf ein offensichtlich lebensfähiges Sozialwesen. Den Abbau hat die Moderne eingeleitet. Nach Lorenz kann die technokratische Massenzivilisation, die uns »passiert« ist, unser Überleben gefährden: Zum Beispiel können die unübersichtlich gewordenen Institutionen unsere lebenserhaltenden Anlagen – zu lieben, vorzusorgen, dazuzugehören, mitzuteilen, zu verstehen, zu verantworten, flink und tätig zu sein, zu schützen und Schutz zu suchen – unbemerkt gegen uns selbst wenden. Ein besonders plastisches Beispiel ist die Ausschaltung der angeborenen, optisch kontrollierten Tötungshemmung durch Fernwaffen. Oder: es fällt uns durch die immer größer werdende Vernetzung von Ursachen, Wirkungen und Folgewirkungen schwer, vorauszusagen, wann ein Mehr des Guten zum Schlechten wird. Durch das Lernen aus negativen Erfahrungen kann jedoch der Wiederaufbau des Menschlichen gelingen.
In eingängiger Sprache liefert Riedl dafür einen Entwurf: »Er soll zeigen, wie unsere Natur beschaffen ist und in welcher Weise einerseits das soziale Milieu unserer Zivilisation mit unserer Ausstattung wieder verträglich gemacht werden kann, und andererseits unser Weltbildapparat mit der Komplexität dieser Welt (Teil 1). Wie unsere Haltungen zwischen Altruismus und Egoismus (Teil 2), zwischen Pluralismus und Uniformismus (Teil 3) und zwischen Zwecken und Zwängen (Teil 4) pervertiert wurden und restauriert werden könnten, schildern konkrete Beispiele. Und welche Verträge mit unserer Gesellschaft zu schließen wären (Teil 5), das will ich aus der gemachten Erfahrung herleiten.«
Das im Kern optimistische Fazit des Autors lautet: Wo immer wir mit unseren institutionalisierten Erwartungen, die conditio humana zu fördern, scheitern, muß uns die Erfahrung über unsere Irrtümer belehren. So kann der Wiederaufbau des Menschlichen gelingen: durch Lernschritte der Bürger, ihrer Institutionen und durch Lernschritte des Staates.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einführung
Teil 1: Verträge aus unserer Natur
oder: Adaptierung, Pervertierung, Restaurierung
Über die Natur unserer Ausstattung oder: Wie wir gemacht worden sind
Wem unsere Natur ausgesetzt ist oder: Was wir aus uns gemacht haben
Worin der Vertrag bestehen kann oder: Was wir nun mit uns zu verhandeln haben werden
Teil 2: Über eigene und kollektive Inhalte
oder: Altruismus, Nihilismus, Egoismus
Über Massenvermännlichung oder: Das Lob der Frauen
Die Verhaustierung des Menschen oder: Das Lob des Liebens
Über Aufrüstungsverhandlungen oder: Das Lob des Nachbarn
Die Logik der Massenprivilegien oder: Der Wert des Wachstums
Die Lebenswaffenschmiede oder: Der Wert der Bildung
Die Paradoxien der Moral oder: Das Vornehme der Zukunft
Von Riesenrüben und Riesenfüchsen oder: Das Vornehme der Regulative
Über altruistischen Egoismus oder: Das Vornehme des Eigentums
Teil 3: Über eigene und kollektive Werte
oder: Pluralismus, Konformismus, Uniformismus
Über Verwirklichungs-Institutionen oder: Das Lob der Ungleichheit
Über gleiches Recht auf Ungleichheit oder: Das Lob der Identität
Die Institutionalisierung der Eile oder: Das Lob der Beschaulichkeit
Der Narrenkasten oder: Der Wert der Phantasie
Die Fahne im Wind oder: Der Wert des Wandels
Das Antiökonomieprinzip oder: Der Wert des Kleinen
Über naive Reisende oder: Das Vornehme der freien Meinung
Macht muß Recht werden oder: Das Vornehme der Medien
Das Salz der Geschichte oder: Das Vornehme der Minderheiten
Bertrand Russells Hühner oder: Das Vornehme der Wahrheit
Teil 4: Über eigenes und kollektives Tun
oder: Zwecke, Zweifel und Zwänge
Das Elend des Zentralismus oder: Das Lob der Funktionen
Wer Verantwortung verantwortet oder: Das Lob der Sicherheit
Entwurf der Wegwerfgesellschaft oder: Das Lob der Arbeit
Die Substitution des Menschen oder: Der Wert des Kreatürlichen
Über Kulturparasitismus oder: Der Wert der kulturellen Wirte
Die Erfindung des Schöpfers oder: Der Wert der Re-ligio
Stricken am Maschenfaden oder: Das Vornehme der téchne
Der Anti-Ameisenstaat oder: Das Vornehme der Zwecke
Die Verhöhnung der Primitiven oder: Das Vornehme des Denkens
Kindern Natur zurückgeben oder: Das Vornehme des Nicht-Machbaren
Gottes Verantwortung oder: Das Vornehme der Weltordnung
Teil 5: Verträge mit unserer Gesellschaft
oder: Wünsche, Ansprüche und Rechte
Über das Goldene Kalb oder: Lernschritte für den Bürger
Über das Eigenleben der Kollektive oder: Lernschritte für Institutionen
Über den Sachwalter der Metaphysik oder: Lernschritte für den Staat
Literaturhinweise, Register