Für Menschen als endliche Lebewesen gibt es die Zeit an und für sich nicht, sie sind auf Strukturen, Rhythmen und Gestalten der Zeit angewiesen, um Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte aufzubauen. So besteht eine zentrale Aufgabe von Kulturen darin, Zeitgestalten zu erfinden und zu prägen, die zur Grundlage von menschlichen Wahrnehmungen, Geschichten und Erfahrungen werden. Grundformen und -prinzipien solcher Zeitkonstruktionen werden im ersten Teil diskutiert, während der zweite Teil Konzepte und Modelle von Tradition vorstellt. Auch hier geht es nicht einfach um die Aussage, dass solche Modelle konstruiert sind, sondern wie sie konstruiert sind: über Genealogien, Kanonisierungsprozesse, die Erfindung des Klassischen oder künstlerische Ideen von Gleichzeitigkeit.
Die Neuauflage des Klassikers wird ergänzt durch zwei Essays aus der Gegenwart, die aktuelle Verbindungen zwischen dieser kulturwissenschaftlichen Grundlagenforschung und der Theorie des kulturellen Gedächtnisses herstellen. (Verlagstext)
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort.............................................................................................. viii
TEIL I: ZEITGESTALTEN
Einleitung.................................................................................................1
1. Forschungsperspektiven..................................................................... 7
Die Zeit der Dinge.............................................................................. 9
Die Zeit der Handlungen und Erzählungen.......................................14
2. Nicht-lineare Zeitkonstruktionen: Dauer, Äon, Kairos...................... 18
3. Eschatologische Geschichtsvisionen................................................ 21
Apokalyptische Zeit.......................................................................... 21
Imperiale Zeit.................................................................................... 24
Goldenes Zeitalter und Roma aetema aurea..................................... 31
4. Temperierte Eschatologie................................................................. 34
Entwicklung als Erziehung............................................................... 34
Veritas Filia Temporis...................................................................... 37
Schwacher Anfang- starker Anfang.................................................. 43
5. Zeitgrenzen.......................................................................................47
Epochenschwellen und Periodisierungen......................................... 47
Innovation: der Bruch zwischen Vergangenheit und Zukunft...........50
6. Jenseits der Zeit.............................................................................. 54
Flüchtige Ewigkeiten (Marcel Proust)...............................................54
Epiphane Augenblicke (James Joyce)...............................................56
TEIL II: TRADITIONSMODELLE
Einleitung.............................................................................................. 63
1. Annäherungen an den Traditionsbegriff........................................... 67
1.1 Vier Zugänge zum BegriffTradition...........................................69
Ralph Waldo Emerson: Transition versusTradition.....................69
Gilbert Murray: Tradition statt Gewohnheit................................71
Hans-Georg Gadamer: Die verbindliche Norm
des Klassischen........................................................................... 73
Theodor W. Adorno: Erinnerung an das Unerledigte..................75
1.2 Traditionstheorien....................................................................... 77
Kontinuität oder Diskontinuität? (Curtius, Jauß)....................... 77
Beharrung oder Zwang? (Weber, Freud).....................................79
Synchronie oder Diachronie? (Shits)...........................................82
Erbe oder Konstruktion? (Hobsbawm, Anderson).......................85
Vorläufige Zusammenfassung.....................................................88
2. Testament und Genealogie als Modell für Kontinuität......................91
2.1 Traditio und Depositum.............................................................. 91
2.2 Genealogie als Herrschaftssicherung.......................................... 99
2.3 Filiation als Wahrheitssicherung...............................................106
2.4 Translatio...................................................................................110
3. Schrift als Modell der Gleichzeitigkeit............................................116
3.1 Die Erfindung des Klassischen..................................................116
3.2 Historische Feme und neue Unmittelbarkeit.............................121
3.3 Geistergespräch..........................................................................124
3.4 Hermeneutik und emphatische Schriftlichkeit...........................127
3.5 Literarische Kanonisierung (Bloom, Steiner)............................131
4. Fluchten aus der Geschichte oder die Wiedererfindung der
Tradition in der Moderne.....................................................................137
4.1 ,Natur4 statt Tradition - Pope, Schiller, Wordsworth...............137
4.2 ,Existenz4 statt Tradition - Kierkegaard, Overbeck.................. 145
4.3 Vom Bestand zum System - T. S. Eliots Traditionsbegriff...... 150
Schluß................................................................................................ 157
ERGÄNZENDE ESSAYS ZUR ZWEITEN AUFLAGE
Literarische Tradition und kulturelles Gedächtnis.
Eine Wiederlektüre von E. R. Curtius.................................................165
Tradition - kulturelle Nachhaltigkeit- kulturelles Gedächtnis.......... 171
Bibliographie......................................................................................184