Alle Weltreligionen sehen sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts radikalen Transformationen ausgesetzt, alle Weltreligionen ebenso wie alle kulturellen Schöpfungen und Symbole existieren gleichzeitig nebeneinander und stehen meist, herausgelöst aus ihren zeitlichen und räumlichen Kontexten, offen für eine allgemeine Verfügbarkeit, für fundamentalistische oder individuelle Aneignungen. Globalisierung bietet nicht nur die große Chance für die Weltreligionen, sich aus den territorialen Bindungen der Nationalgesellschaft und des Nationalstaates zu lösen und ihre transnationalen Dimensionen, Netzwerke und Imaginationen von „Gemeinschaft“ neu zu entdecken und wiederzubeleben. Zugleich werden auf diese Weise auch wechselseitig die Monopolansprüche in Frage gestellt. Die Weltreligionen sehen sich dazu gezwungen, im grenzenlosen Raum massenmedialisierter Öffentlichkeit und Nachbarschaft miteinander konkurrieren und kommunizieren müssen. Das postsäkulare Zeitalter hat den Modernitätsstreit zwischen Religionen und Säkularismen zu überwinden zugunsten einer Zivilisierung der Zivilisation (die geistliche Einheit des Menschengeschlechts verpflichtet die Bevölkerungen unterschiedlichen Glaubens, einen „gemeinsamen Pfad“ zu finden). Wie steht der Einzelne, als religiöser oder als nicht-religiöser Bürger, wie stehen Christen, Juden und Muslime zum „Geist“ der Weltgesellschaft?
/ AUS DEM INHALT: / / /
Kapitel I
Das Tagebuch des "eigenen Gottes": Etty Hillesum
Eine unsoziologische Einleitung 13
1. Etty Hillesum 14
2. Eigenes Leben, eigener Raum, eigener Gott 28
Kapitel II
Die Rückkehr der Götter und die Krise der
europäischen Moderne
Eine soziologische Einleitung 34
1. Die Differenz der Religionen und die Zivilisierung
der Weltgesellschaft 34
1.1 Abschied von der Säkularisierung? 34
Säkularisierung - Ein europäischer
Sonderweg? 37
Das Paradox der Säkularisierung 40
Kern der "Wiederbelebung" der Religiosität
in Europa ist die Entkoppelung von
(institutioneller) Religion und (subjektivem)
Glauben 42
Die prinzipielle Autorität des wiederbelebten
Glaubens ist das souveräne Selbst 46
1.2 Pluralisierung durch das Erstarken nichtchristlicher
Religionen 48
1.3 Massenmedialisierung von Religion:
Das Benedikt-Phänomen 5;
1.4 Multiple Moderne, multiple Säkularisierung . . 58
2. Neue Formen der Koexistenz und des Konfliktes
der Weltreligionen: Die Frage nach der
Zivilisierung der weltreligiösen Konflikte 60
2.1 "Imagined communities" einer religiös
bestimmten Weltgesellschaftlichkeit 6z
2.2 Der Schock der NichtUniversalität des
europäischen bzw. westlichen Modells der
Modernität 63
2.3 Die Frage nach der Zivilisierung der
Weltreligionskonflikte 64
2.4 Die List der Nebenfolge der Individualisierung
der Religionen 66
2.5 Die Frage nach dem Typus der Toleranz, deren
Ziel nicht Wahrheit, aber Frieden ist 66
Kapitel III
Toleranz und Gewalt: Die zwei Gesichter der
Religionen 68
1. Was meint Religion? 68
1.1 Religion, religiös 69
1.2 Religion ist Globalisierung von Anfang an . . . 71
1.3 Schlüsselmerkmal von Religion: Grenzen
mischen, Grenzen überwinden, Grenzen
errichten 73
Die Überwindung vorgegebener Hierarchien
und Grenzen 74
Religiöser Universalismus 75
Der Dualismus von Gut und Böse 77
1.4 Drei Beispiele: Kolonialismus, Mischehe,
katholischer Kosmopolitismus 79
Kolonialismus 79
"Hütet Euch vor der Mischehe!" 80
Katholischer Kosmopolitismus 83
1.5 Wie wird eine Gewaltenteüung im Absoluten
möglich? 85
2. Individualisierung und Kosmopolitisierung:
Religion im Bezugsrahmen reflexiver
Modernisierung 87
2.1 Zur Theorie reflexiver Modernisierung 91
2.2 Zur Unterscheidung von Kosmopolitisierung
und Globalisierung 93
Zur Unterscheidung von Kosmopolitismus und
Universalismus am Beispiel der Religionen 95
INHALTSVERZEICHNIS 273
Unterscheidung von deskriptivem und
normativem religiösem Kosmopolitismus .. ioo
Kosmopolitische Gesellschaft 101
Die Gesellschaft der Religionen 103
2.3 Individualisierung der Religion 107
2.4 Zum Verhältnis von Kosmopolitisierung und
Individualisierung 110
2.5 Zehn Kernthesen 114
Kapitel IV
Häresie oder Die Erfindung des "eigenen Gottes" .. 123
1. Das individualistische Mißverständnis der
Individualisierung 123
2. Häresie und Orthodoxie: Von der historischen
Unwahrscheinlichkeit religiöser Freiheit 129
2.1 Zur Dialektik von christlichen Basisprinzipien
und christlichen Institutionen 131
2.2 Individualisierung Eins: Die "Erfindung"
des eigenen Gottes: Martin Luther 136
2.3 Die chrisdiche Kritik der Häresie: Sebastian
Castellio 143
2.4 Das John-Locke-Modell der Toleranz 149
3. Individualisierung Zwei: Der Wohlfahrtsstaat . . . . 152
3.1 Jenseits der Normalfamilie 155
3.2 "Reflexive Individualisierung" oder
"manipulierter Individualismus" und
"anomischer Privatismus" 158
3.3 Jenseits der Normalreligion:
Das Melangeregime der Neuen Religiösen
Bewegungen 161
4. Zum Verhältnis von Religion und Antimoderne,
Postmoderne und Zweiter Moderne 170
4.1 Antimoderner Fundamentalismus 170
4.2 Postmoderne Religiosität 172
4.3 Zweitmoderne Religiosität 174
Kapitel V
Die List der Nebenfolge: Fünf Modelle der
Zivilisierung weltreligiöser Konflikte 176
274 INHALTSVERZEICHNIS
1. Die Individualisierung der Religionen und der
"Geist" der Weltgesellschaft 176
1.1 Die Lehre von der Unreinheit der Kulturen .. 178
1.2 Religion und Moral 184
1.3 Religiös motivierter ziviler Widerstand:
Henry D. Thoreau 186
1.4 Wer sind die kulturellen Anderen des
Kosmopolitismus? 190
2. Das Marktmodell: Die Warenform Gottes 191
3. Das Modell des religionsneutralen Verfassungsstaates:
Jürgen Habermas 196
4. Das Modell des universellen Weltethos:
Hans Küng 201
5. Methodologische Konversion: Mahatma Gandhi .. 203
6. Revolution? 204
Kapitel VI
Frieden statt Wahrheit? Zukünfte der Religionen
in der Weltrisikogesellschaft 207
1. Einleitung: "Clash of Universalisms" 207
2. Sieg der Fundamentalismen oder kosmopolitische
Wende? 209
2.1 Reflexive Fundamentalismen 212
Wiederherstellung von Fraglosigkeit 214
Totalitäre Gottunmittelbarkeit 216
Verreufelung der Ungläubigen und Andersgläubigen
217
Transnationale Netzwerke und Operationen .. 219
2.2 Was meint normativer Kosmopolitismus der
Religionen? 220
Das Prinzip der ethnisch-nationalen Toleranz
der Religion 221
Das Prinzip der interreligiösen Toleranz der
Religion 222
2.3 Soziologischer Perspektivwechsel: Religion als
Mitkonstrukteur der Moderne 225
3. Nationalisierung der Religion und der
methodologische Nationalismus der historischen
Wissenschaften 228
INHALTSVERZEICHNIS 275
3.1 Die Nationalisierung Gottes führt zur
Naturalisierung von Intoleranz und Gewalt... 229
3.2 Der methodologische Nationalismus der
historischen Wissenschaften 232
Religionswissenschaft und Theologie 232
Sozialwissenschaften 235
4. Ersetzung von Wahrheit durch Frieden: Religion
als Modernisierungsakteur in der
Weltrisikogesellschaft 238
4.1 Frieden statt Wahrheit 238
Erlaubte Religion 239
Doppelte Religion 240
Die Ringparabel 243
Gott als Vermittler 244
4.2 Die weltöffentlichen Stimmen der Religionen
oder: Wie wird die Zivilisierung der
Zivilisation möglich? 245
Literatur 251