Die in diesem Sammelband erstmalig zusammengestellten Texte von Angelika Wolff spiegeln nicht nur theoretische und klinische Entwicklungen der Profession wider; sie demonstrieren darüber hinaus, wie allgemeine theoretische und methodische Grundlagen im therapeutischen Prozess im jeweils besonderen »Einzelfall« nutzbar gemacht, ausgewählt und angepasst werden. Stets geht es um das konkrete Kind, den bestimmten Jugendlichen, um ein Fallverstehen, das weiterhilft.
Das psychoanalytische Fallverstehen ist, wie auf jeder Seite des Buches klar zum Ausdruck kommt, eine große, lebenslang erfahrungsgeleitet auszubildende Kunst; es ist eine für den Therapeutenberuf zentrale und entscheidende Befähigung, die sich nicht einfach über das Lehrbuchstudium oder das Betrachten eines YouTube-Filmen aneignen läßt. Insofern können Bücher zu diesem Thema günstigenfalls die Richtung weisen, Fallbeispiele erfahrener KollegInnen vorstellen und reflektieren. Ganz entscheidend für die ´Psychoanalytiche Kompetenz`(H. Will) sind zudem die eigene, grundhaft betriebene (Lehr-)Analyse, intensive Selbsterfahung und Supervision, diese eingebettet in ein fundiertes theoretisches Fachwissen.
Die Kunst des psychoanalytischen Fallverstehens ist mithin ein Spezifikum dieser ganz besonderen Therapierichtung und markiert damit auch die qualitative Grenze zu den benachbarten Erziehungs-, Beratungs- und Heilberufen, die im Betrachten ihrer ´Fälle` in aller Regel längst nicht so tiefschürfend anzusetzen vermögen. In der psychoanalytischen Therapiearbeit, aber auch in Diagnose, Supervision und Beratung, steht die Kunst des psychoanalytischen Fallverstehens im Zentrum der Anforderungen an psychoanalytisch /tiefepsychologisch fundiert arbeitende Psychotherapeuten(n), denn hier werden zum einen komplexe analytische Theorien über die psychische Entwicklung und deren Störungen von Kindern und Jugendlichen auf den besonderen Einzelfall angewendet; hier soll(te) die umfassend, sich aus einer mehrjährigen Lehranalyse während der Ausbildung sich speisende Selbsterfahrung dafür Gewähr bieten, dass Prozesse von Übertragung und Gegenübertragung analysiert und für den therapeutischen Prozess genutzt werden können; und hier erlaubt ein spezifisches Setting jene psychoanalytische Grundhaltung einer »gleichschwebenden« Aufinerksamkeit, in der Fallverstehen sich herausbilden und in das Beziehungsgeschehen der Therapie leiten kann.
»Der Band liest sich wie ein Lehrbuch im besten Sinne: Gut strukturiert, in einer klaren, verständlichen Sprache werden anspruchsvolle theoretische Diskurse erläutert, wissenschaftstheoretisch und -historisch verortet. Die Überlegungen sind nie theoretisch abgehoben, sondern durch klinische Beobachtungen aus der kindertherapeutischen Praxis geerdet.« - Marianne Leuzinger-Bohleber
Inhalt
Marianne Leuzinger-Bohleber
Vorwort: Ein fallbasiertes Lehrbuch der analytischen Kinderpsychotherapie 7
Teil 1
Was ist analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie? 13
1.1 Zur Behandlungstechnik in der analytischen Kinderpsychotherapie 13
1.2 Analytische Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie -
eine Anwendung der Psychoanalyse (Franziska) 15
1.3 Über analytische Kinderpsychotherapie 26
Teil 2
Über Methoden und Verfahren
in der analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie 31
2.1 Psychoanalytische Diagnostik im Erstinterview mit Kindern,
Jugendlichen und Eltern (Giorgio) 31
2.2 Fokaltherapie bei Kindern und Jugendlichen (Imke) 38
2.3 Eltemarbeit anders (Lara) 42
Teil 3
Klinische Arbeiten und Fallstudien 57
3.1 Über die Aneignung des weiblichen Körpers
in den frühkindlichen Entwicklungsphasen des kleinen Mädchens 57
3.2 Die Geburt eines Geschwisters -
eine Krise in der Kinderentwicklung (Imke) 67
3.3 Veränderte Familienformen: Über die Bedeutung der leiblichen Eltern
in der inneren Welt des Kindes (Greta, Patrick) 81
3.4 Trennung vom analen Objekt. Aus der Behandlung
eines 4-jährigen Jungen mit schwerer Verstopfung (Tobias) 95
3.5 Trauma und Entwicklung -
aus der Behandlung eines 8-jährigen Jungen (Robert) 110
3.6 Fallbericht für eine interne Konferenz des IAKJP (Ardar) 128
3.7 (Vor-) Geschichte einer analytischen Kinderpsychotherapie (Mira) 136
Teil 4
Psychoanalytisches Fallverstehen als Instrument
in Forschung, Beratung und Erziehung 149
4.1 Kompetenz von Psychotherapeuten in der interdisziplinären Forschung
(Alberto, Barett, Cassimo, Dalina) 149
4.2 Übertragung und Gegenübertragung im institutionellen Kontext (Alberto) 162
4.3 Psychotrauma und Gewalt (Barat) 172
4.4 Wenn Angst und Destruktivität in der Schule inszeniert werden (Cassimo) 185
4.5 Abwehr und Verweigerung - wechselseitig - zur Konfliktgeschichte
einer Schulschwänzerin (Dalina) 202
4.6 Vernachlässigung aus therapeutischer Sicht (Klara) 215
4.7 Psychoanalytische Supervision nach Balint (Daniel) 222
4.8 10 Jahre psychoanalytisch fundierte Präventions-Projekte
in den Kindertagesstätten der Stadt Frankfurt 237
Literatur 254
Anhang 257
Bibliographie von Angelika Wolff: Aufsätze - Vorträge - Texte 257
Biographische Angaben 261