Weil Scham zumeist mit sozialer Schande oder narzisstischer Kränkung gleichgesetzt wird, genießt sie gemeinhin einen schlechten Ruf - doch zu Unrecht, wie Daniel Hell zeigt: Scham hat eine Warn- und Schutzfunktion, wenn unser Selbst gefährdet ist. Sie ist nicht die Ursache einer Selbstkrise, sondern deren Folge. Erst wenn uns das bewusst wird, erkennen wir, dass sich hinter dem Schamgefühl ein Verlust an Selbstachtung verbirgt.
Daniel Hell geht der Bedeutung der Scham in der Kulturgeschichte und in der Entwicklung des einzelnen Menschen nach. Er charakterisiert verschiedene Formen des Schamgefühls in Abgrenzung zu Kränkungsreaktionen und zeigt anhand zahlreicher Beispiele aus der Belletristik und seiner psychiatrisch-psychotherapeutischen Praxis konstruktive Umgangsweisen mit diesem schwierigen Gefühl. Dabei stellt Hell klar: Scham zu verdrängen, anstatt konstruktiv mit ihr umzugehen, erhöht die Gefahr von Narzissmus sowie von zwischenmenschlichen Kränkungen und fördert eine »Beschämungskultur«. Der Autor zeigt auf, wie wir dieser Gefahr erfolgreich und mit Gewinn entgegentreten können.
REZENSION: / / "Auch wenn es immer noch deutlich mehr Veröffentlichungen im englischen, vor allem amerikanischen Sprachraum gibt, die Scham vor allem positiv konnotieren, nehmen auch im deutschsprachigen Raum diejenigen Veröffentlichungen zu, die auch das in der Scham verborgene Potenzial erkennen. Dennoch ist Daniel Hell hier ein ganz besonderes, inspirierendes Werk gelungen. Was sein Buch besonders macht, ist seine spezifische und konsequent menschenfreundliche Perspektive, aber auch sein kritischer Blick auf soziale Phänomene, seine Kenntnis der klassischen, aber auch der aktuellen Schamliteratur und auch die durchgängige - und dennoch nicht unkritische ¿ Betrachtung der Scham als Ressource sowie die Verbindung zu seiner Praxis als Therapeut und Psychiater. Sein Buch ist ein Plädoyer für eine andere Sicht auf die Scham. Das ist wichtig, denn: "Scham kann Menschen davor bewahren, die Menschlichkeit zu abzuschaffen" (217) und: "wenn Scham abgewertet und von modernen Menschen vermehrt abgewehrt wird, gehen nicht bloß soziale Hemmungen verloren: es wird auch ein Gefühlssensor ausgeschaltet, der auf eine Gefährdung des "Selbst" aufmerksam macht. Ohne Scham ist es einfacher, andere zu beschämen. - Sehr lesenswert!" socialnet - vollständige Rezension siehe Link
INHALT
Einleitung und Übersicht 7
Wie sich unser Umgang mit Scham
historisch entwickelt hat 15
Eine kurze Kulturgeschichte der Scham
Wie sich Scham beim Einzelnen entwickelt 47
Biografie der Scham
Scham und Beschämung 77
Der sich schämende und der gekränkte Mensch
Die zwiespältige Struktur der Scham 109
Wer sich schämt, erkennt sich als anderer
Scham als Verarbeitungsprozess 137
Die Chance und das Risiko der Scham
Soziale Scham und psychische Krankheit 157
Macht Scham krank?
Problematischer Umgang mit Scham 171
Schamabwehr, Deckaffekte und Zynismus
Konstruktiver Umgang mit Scham 187
Akzeptanz, Humor, Selbstironie und Psychotherapie
Scham heute 207
Führt Schamverlust zu einer Beschämungskultur?
Dank 251
Literatur 253
Personenregister 267
Sachregister 271
Verfasser*innenangabe:
Daniel Hell
Jahr:
2021
Verlag:
Gießen, Psychosozial-Verlag
Aufsätze:
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Systematik:
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PI.HLM
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ISBN:
9783837929669
2. ISBN:
3837929663
Beschreibung:
2., aktualisierte und erweiterte Auflage, 281 Seiten
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Sprache:
Deutsch
Fußnote:
Enthält Literaturverzeichnis auf Seite 253-266
Mediengruppe:
Buch