Das moderne Verständnis von Hirnfunktionen und psychischen Erkrankungen ist tief geprägt durch die Projektion kolonialer Hierarchien auf das Gehirn: Vermeintlich höheren Hirnzentren und Funktionen wird die Aufsicht über die angeblich primitiven Triebe und Lüste zugeschrieben. Psychische Erkrankungen wurden lange als Verlust dieser herrschaftlichen Kontrolle verstanden und die Betroffenen wurden Machttechniken ausgeliefert, die aus den Kolonien reimportiert wurden. Andreas Heinz rekonstruiert die Geschichte der Revolten gegen diese rassistischen Konstruktionen wie auch der Gegenbewegungen. Lassen sich noch bis in gegenwärtige Formen achtsamer Selbstdisziplin Spuren der verinnerlichten Hierarchien des kolonialisierten Gehirns finden?
Inhalt
Vorbemerkung ...................................................................... 5
Kapitel 1: Einführung: Die Wirklichkeit der Bilder ............ 9
Teil 1: Die wilde Versuchung und der koloniale Blick
Kapitel 2: Der von Degeneration und Dekadenz
bedrohte Herrscher .............................................................. 31
Kapitel 3: Darwin und Nietzsche - der Traum von der
»Vernichtung der verfallenden Rassen« ............................... 49
Kapitel 4: Das kolonialisierte Gehirn:
Evolution und Dissolution - eine neue Synthese................ 65
Teil 2: Gegenbewegungen und Reaktionen
Kapitel 5: Grenzüberschreitungen: Die revolutionäre
Verkehrung der Werte und die »völkische« Reaktion ........ 83
Kapitel 6: Grenzüberschreitungen: Der autoritäre Charakter
und das Leben in der Revolte .............................................. 102
Kapitel 7: Die anthropologische Wende und die
Diversifizierung sozio-kultureller Entwicklungsmodelle ... 116
Teil 3: Die modernisierende Reform und die Mühen der Ebene
Kapitel 8: Sozialpolitische und theoretische Verschiebungen
zu Beginn der Psychiatriereform........................................... 129
Kapitel 9: Freiheit heilt - heilt Freiheit? ............................. 140
Kapitel 10: Soziale Ungleichheit und psychische Krankheit 157
Teil 4: Die Kritik der Reform: revolutionäre Utopien
und organische Widerstände
Kapitel 11: Theoretische und praktische Kämpfe um die thera
peutische Gemeinschaft und die »negierte« Institution .... 173
Kapitel 12: Michel Foucault und der Weg von der Repression
zur taktischen Polyvalenz der Diskurse ............................... 195
Kapitel 13: Krankheit als Metapher und die organische
Herausforderung .................................................................. 212
Teil 5: Versuch einer Standortbestimmung der Gegenwart
Kapitel 14: Das 21. Jahrhundert - traditionelle Modelle
und soziale Einflüsse ............................................................ 225
Kapitel 15: Eulenspiegeleien, Schwejkiaden und psychotische
Dekontextualisierung: psychische Erkrankungen
als Widerstand? 247
Kapitel 16: Die achtsame Selbstdisziplin - Psychotherapie
zwischen anthropologischen Grundannahmen
und sozialen Bedingungen zuBeginn des 21. Jahrhunderts . 266
Kapitel 17: Ausblick:
Ein für soziale Kämpfe offener Krankheitsbegriff .............. 279
Danksagung .......................................................................... 300
Literatur ................................................................................ 301
Namenregister ...................................................................... 320