Andrea Dworkin (* 26. September 1946 in Camden, New Jersey; † 9. April 2005 in Washington, D.C.) war eine US-amerikanische Feministin, Soziologin und Schriftstellerin. Sexualität galt Dworkin als exemplarischer Kampfschauplatz: "Geschlechtsverkehr vollzieht sich innerhalb einer Machtbeziehung, die allgegenwärtig und unangreifbar ist", heißt es in ihrem bekanntesten Werk "Intercourse" (1987), das die soziale, ökonomische und physische Dominanz der Männer als Wurzel allen Ungleichheitsübels ausmachte.Hierzulande wurde Dworkin durch "Pornographie. Männer beherrschen Frauen" (1981) bekannt. Ausgehend von de Sades Schriften, benennt das Buch männliche Verachtung und Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen als Ursache der Pornographie. Und lieferte dem feministischen Zentralorgan "Emma" Argumentationshilfe für seine "PorNo"-Kampagne. aus "Geschlechtsverkehr":"Geschlechtsverkehr ist nicht grundsätzlich banal, obwohl Unterhaltungsillustrierte wie Esquire und Cosmopolitan es gerne so hätten. Er ist leidenschaftlich und häufig verzweifelt. Heftiger Aufruhr, eine wilde und äußerst grausame Gleichgültigkeit der menschlichen Individualität gegenüber, das ist seine innere Landschaft - schamlose, reizbare Begierde, absolut und unersättlich, nicht nach Personen gebunden und ohne Rücksicht auf Grenzen. Geschlechtsverkehr endet nicht mit dem sexuellen Höhepunjt, er endet in einer menschlichen Tragödie gescheiterter Beziehungen, - rachsüchtige Bitterkeit folgt der sexuellen Hitze, die Persönlichkeit hat sich durch allzu langes Ertragen von Auseinandersetzungen und ungewünschtem, gewohnheitsmäßigem Verkehr zersetzt, die Lebenskraft verzehrt sich bis hin zur endgültigen Erstarrung in Gewohnheit, Zwang oder Trennungseinsamkeit.""Geschlechtsverkehr wird gewöhnlich beschrieben und verstanden als Form oder Akt der Besitznahme, mittels, während und wegen derer ein Mann einer Frau beiwohnt, sie körperlich umschließt und gleichzeitig in sie eindringt; und in dieser körperlichen Beziehung zu ihr - über ihr und in ihr drin - besteht seine Besitznahme von ihr. Er hat sie, oder, wenn er fertig ist, hat er sie gehabt. Indem er in sie hineinstößt, nimmt er sie in Besitz. Wenn er sie stößt, so gilt das gemeinhin als ihre Kapitulation vor ihm als dem Eroberer; sie ergibt sich ihm körperlich; er besetzt und beherrscht sie und verleiht seiner elementaren Macht über sie dadurch Ausdruck, daß er sie im Fick in Besitz nimmt. Der Akt selbst, ohne etwas darüber hinaus, ist die Besitznahme. Es bedarf dazu keiner gesellschaftlichen Beziehung, bei der die Frau dem Mann untergeordnet ist, als Leibeigene in Geist oder Tat, als Zierde oder als Arbeitstier.""Frauen sind als Ehefrauen Leibeigene für Männer gewesen, als Prostituierte, als Sex- und Reproduktionsdienerinnen. Jemandem gehören und gefickt werden sind oder waren im weiblichen Leben praktisch Erfahrungen mit gleicher Bedeutung. Du gehörst ihm; er fickt dich. Das Ficken kennzeichnet die Art der Eigentumsverhältnisse: Du gehörst ihm von Kopf bis Fuß.""Die meisten Frauen sind für die meisten Männer keine unterscheidbaren individuellen Wesen; und deshalb ist ein Fick tendenziell eher Ausdruck von Klassenüberlegenheit. Frauen leben in dieser Wirklichkeit, die für sie Eigentum sein und gefickt werden heißt: sie erleben sie sinnlich von innen; ihr Körper lernt auf das zu reagieren, was die männliche Macht als Berührung, als Sex, als Liebe anbietet.""Geschlechtsverkehr vollzieht sich innerhalb einer Machtbeziehung, die allgegenwärtig und unangreifbar ist. Der Akt findet, unabhängig von der Bedeutung, die er in sich und als solcher hat, in einem Kontext statt, in dem Männer soziale, ökonomische und physische Macht über Frauen besitzen. Einige Männer verfügen nicht über all diese Formen von Macht über alle Frauen; aber alle Männer verfügen über einige Formen von Macht über alle Frauen; und die meisten Männer haben die Kontrollmacht über die, die sie ihre Frauen nennen - die Frauen, die sie ficken. Die Macht ist durch das Geschlecht vorherbestimmt, durch die Tatsache, daß man männlich ist. Geschlechtsverkehr als Akt ist oft Ausdruck der Macht, die Männer über Frauen haben. Wenn er auch nicht das ist, was die Gesellschaft als Vergewaltigung anerkennt, so doch das, was die Gesellschaft - wenn man sie zu diesem Zugeständnis drängt - als Vorherrschaft anerkennt.Geschlechtsverkehr ist oft ebenso Ausdruck von Feindseligkeit oder Zorn wie von Vorherrschaft.""Wir sind ärmer an seelischem Wohlbefinden als Männer, weil für uns Selbstachtung von der Anerkennung - häufig in Form von sexuellem Verlangen - derjenigen abhängt, die die Macht über uns besitzen und sie an uns ausüben. Männliche Macht kann arrogant oder elegant sein; sie kann flegelhaft oder kultiviert sein: Aber als Personen existieren wir nur, insoweit Männer mit Macht uns anerkennen. Wenn sie gelegentlich Hilfestellung brauchen oder sich ein wenig Erregung wünschen, nehmen sie uns irgendwie zur Kenntnis, mit einem Zipfel ihres Bewußtseins; und wenn es vorbei ist, verschwinden wir wieder in der Schande, im anonymen Geschlecht des Frauseins. Aufgrund ihrer Macht über uns sind sie in der Lage, unsere Herzen mit Verachtung oder Herablassung totzuschlagen. Wir brauchen ihr Geld; es ist häufig Geschlechtsverkehr, wodurch wir dazu kommen. Sie zwingen uns, willfährig zu sein, machen uns erst zu Parasiten und hassen uns dann dafür, daß wir nicht loslassen.""Weiblich sein in dieser Welt heißt, daß wir der Möglichkeit einer menschlichen Wahl beraubt sind, und zwar durch Männer, die es lieben, uns zu hassen. Man trifft seine Wahl nicht in Freiheit. Statt dessen paßt man sich in Körpertypus, Benehmen und Anschauungen so an, bis man Objekt männlichen Sexualbegehrens wird, und das wiederum erfordert den Verzicht auf eine Vielfalt an Wahlmöglichkeiten.""Jene Kollaboration (mit dem Feind) ist voll entfaltet, wenn eine Frau ihren Liebhaber, den Nationalsozialisten, vor allen Frauen schätzt, vor jeder Person ihrer Art, ihrer Klasse, ihres Status, sie kann aber unauffällig beginnen: ein erster Akt von Komplizenschaft, der die Selbstachtung zerstört, die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Freiheit - und den Körper für den Fick bereit macht anstatt für die Freiheit. Die Männer besitzen eine Antwort: Geschlechtsverkehr ist Freiheit. Vielleicht eine zweitklassige Freiheit für zweitklassige Menschen."